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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

DOI Heft:
1./2. Oktoberheft
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Lechner, Felix: Altes böhmisches Porzellan
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0075

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Der hervorragende Prager Sammler Kommerzialrat
Felix Lechner hatte die Freundlichkeit, für den „Kunst-
wanderer“ den nachstehenden Aufsatz über das in
Deutschland wenig bekannte alte böhmische Porzellan
zu schreiben.

ie Geschichte der böhmischen Porzellan-Manufak-
tur ist noch nicht geschrieben. Hs wäre eine
dankbare Arbeit, die Archive der zum größten Teile
heute noch bestehenden Fabriken durchzustöbern, um
an Hand der schriftlichen Aufzeichnungen und auf
Grund mündlicher Ueberlieferungen eine erschöpfende
chronologische Darstellung der Entwicklung der Por-
zellanindustrie Böhmens zu schreiben, die in der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts in manchen Belangen eine
künstlerische Vollendung erreicht hatte und deren
Massenprodukte heute in die ganze Welt exportiert
werden.

Spät erst, nachdem Wien mehr als ein halbes Jahr-
hundert erfolgreich gegen deutsche Porzellanmanufak-
turen gekämpft hatte, begann auch Böhmen, wo alle
Vorbedingungen für die Porzellanerzeugung gegeben
waren, wo Kaolin und alle anderen Rohmaterialien und
eine reiche Auswahl geschulter keramischer Arbeiter
zur Verfügung standen, in den Konkurrenzkampf einzu-
treten, mit dem Wien schon im Jahre 1718 gegen Meißen
begonnen hat.

Zunächst wurde nach Meißner und Wiener Vor-
bildern in Schlaggenwald, Klösterle, Elbogen, Gieß-
hübel, Pirkenhammer und in noch manchen anderen
Orten Tafelgeschirr hergestellt, das im ersten Viertel
des 19. Jahrhunderts in qualitativer und künstlerischer
Beziehung den besten ausländischen Provenienzen min-
destens selir nalie kam. Es gibt aus dieser Zeit Kaffee-
tassen, deren Bemalung den Vergleich mit den bedeu-
tendsten Erzeugnissen der altrenommierten Manufak-
turen Deutschlands aushält. Von der reizvollen Schön-
heit dieser Kunstwerke vermag die Reproduktion nur
eine beiläufige Vorstellung zu schaffen, weil die bild-
liche Wiedergabe der Wirkung der wundervollen Far-
benskala entbehrt. Mit Rlumengewinden und Städte-
bildern, mit Miniaturen und Genrebildchen waren die
Tassen bemalt, unter denen manche Stücke so meister-
haft behandelt worden sind, daß es der Mühe wert er-
scheinen würde, die Namen der Künstler zu erforschen,
um sie einreihen zu können in die reiche Liste der be-
rühmten Wiener Porzellanmaler, von denen hier nur
wenige genannt werden sollen:

Daffinger, (der später berühmt gewordene Minia-
turist), Anreiter, Leib, Kothgasser, Parmann, Nigg.

Auch auf dem Gebiete der figuralen Plastik haben
böhmische Porzellanmanufakturen recht Hervorragen-
des geleistet. Neben der Marktware, die in tausend
Variationen dem Geschmacke der Biedermeierzeit an-
gepaßt war und die hauptsächlich mit Figuren gezierte

Gebrauchsgegenstände, wie Zigarrenhalter, Tabaks-
töpfe, Tintenzeuge, Vasen und anderen Wohnungs-
schmuck darstellte,. beschäftigten sich auch alle böh-
mischen Fabriken mit der Aufgabe, nach Vorbildern
ausländischer Porzellanmanufakturen eine Unzahl von
Einzelfiguren und Gruppen auf den Markt zu bringen.

Während die Elbogener Porzellanfabrik z. B. das
Meisterwerk eines Kändler, „Die Apostel“, sklavisch
nachgebildet hat, haben andere Fabriken manches Werk
dieses größten Meisters der Porzellanpiastik frei nach-
gebildet und variiert, aber außerdem eine reiche Serie
ganz origineller Werke geschaffen.

IJie Vorherrschaft unter allen böhmischen Manufak-

„Metternich“. Porzellanmanufaktur Klösterle

turen errang in Bezug auf die Erzeugung figuraler
Plastik die von Karl Ludwig Kriegel um 1838 einge-
richtete Prager Porzellanfabrik, die sich bis dahin mit
der Erzeugung von Steingutprodukten befaßt hatte.

Ernst Popp ist als der hervorragendste Porzellan-
plastiker Böhmens anerkannt. In Paranthese sei er-
wähnt, daß es allerdings noch einen bedeutenderen
böhmischen Künstler auf diesem Gebiete gab, Auliczek,
der 1734 in Policka in Böhmen geboren, sehr bald,
künstlerisch gut ausgebildet, sein Heimatland verließ,
über Italien und Frankreich nach Deutschland zog, wo
er als einer der begabtesten und erfolgreichsten Plasti-
ker Deutschlands in Nymphenburg meisterhafte Werke
geschaffen hat, die lieute zu den wertvollsten Zierden
aller Museen gehören.

Ernst Popp hat in den vierziger und fünfzlger Jah-
ren des vorigen Jahrhunderts u. a. Porträtbüsten und
Statuetten modelliert, die vielfach in Bisquitporzellan
abgeformt, immer als die Schöpfungen eines bemer-
kenswerten Künstlers werden gewertet werden
müssen.

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