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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

DOI Heft:
1./2. Oktoberheft
DOI Artikel:
Lechner, Felix: Altes böhmisches Porzellan
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0076

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Papagei. Prager Porzellan

Zwei reizvolle bunte Figuren „Mignon“ und „Der
Rose Gruß“, deren Modellierung monumentale Kraft
und künstlerischen Schwung erkennen läßt, werden
gleichfalls Popp zuzusprechen sein. Diese beiden und
noch einige ganz vorzügliche Werke böhmischen Por-
zellans sollen hier bildlich wiedergegeben werden.

Alle Prager bunten Figuren würden eine viel kiinst-
lerischere Wirkung ausüben, wenn die technische Be-
handlung der Muffelfarben niclit so viel zu wünschen
iibrig ließe. Die lichten Farben haben in der Muffel den
Glasurglanz eingebüßt und die dunklen wirken wie auf-
getragener Lack. Ebenso wie aus den anderen böhmi-
schen Fabriken, ist auch aus der Prager eine Anzahl
von weißen und bemalten sehr gut modellierten Tieren
hervorgegangen, von denen manche Stiicke einem Ver-

gleich mit den besten Produkten alter deutscher Por-
zellanmanufakturen Stand haiten.

Die Prager Fabrik hat leider durch die Konzessio-
nen, die sie dem ungeläuterten Geschmacke des großen
Publikums gemacht, oft jene Grenze überschritten, wo
der Kunstgegenstand zur Marktware wird. Karikatu-
ren, Persiflagen der Kleidermode und Obszönitäten
kamen in Einzelfiguren und Gruppen zu grotesker Dar-
stellung, die die künstlerischen Leistungen auf das tiefe
Niveau einer Massenfabrikation herabdrücken.

In vielfältiger Gestalt hat Prag versucht, inspiriert
durch Altmeißner Vorbilder, auch den menschlichen
Körper mit Pflanzen und Biumengewinden zu umran-
ken, ohne aber der Wirkung dieser Originale auch nur
nahe zu kommen. So entzückend ein Eberlein schon
mehr als 100 Jahre früher eine aufgerichtete nackte
männliche Figur, den Hlerbst darstellend, mit Wein-
reben, Trauben und Blättern dekorierte, so überladen
und unproportioniert wirken die zahlreichen Prager
Frauengestalten, die von Pflanzen und Blumengewinden
mehr verunstaltet als verziert erscheinen.

Während aus den meisten der böhmischen Manu-
fakturen, die nebenbei gesagt, ihre Besitzer häufig
wechselten, Porzellanfabriken entstanden sind, die
massenhaft von aller Welt begehrte Tafelservice bis
zum heutigen Tage erzeugen, ist die Prager Fabrik, die
in der Mitte des vorigen Jahrhunderts in eine Aktien-
gesellschaft umgewandelt wurde, vor Ende dieses
Säkulums gänzlich aufgelassen worden.

So mit Fug und Recht Prachttassen aller böhmi-
schen Fabriken den Schmuck der Museen bilden und
allerorts gebührend gewürdigt werden, so werden die
meisterhaften Erzeugnisse figuraler Plastik, des soge-
nannten „Altprag“, die nur in böhmischen Museen aus-
gestellt und in Prager Privatsammlungen verborgen
sind, deshalb niclit entsprechend gewertet, weil sie den
meisten ausländischen Kunstfreunden überhaupt noch
nicht zu Gesicht gekommen sind und weil es aucli an
Reproduktionen solcher Figuren in der spärlichen Lite-
ratur über böhmisches Porzellan mangelt.

Figuren von
Ernst Popp

Porzellanmanüfaktur

Prag.

Mitte 19. Jahrh.

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