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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1/2. Februarheft
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Schapire, Rosa: Ausstellung schwedischer Kunst in Hamburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0265

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ünstlerische Beziehungen zwischen Deutschland,
Skandinavien, Dänemark und Finnland gehen bis
ins 14. Jahrhundert zurück. Der Handel ist gefolgt. Der
große Barbara-Altar vom sogenannten Meister Francke
ist aus Nykyrko im Museum zu Helsingfors gelandet.
Bernt Notke, der vielgereiste, der in Reval und 1484 in
Schweden nachweisbar ist, hat 1479 den Altar im Dom
zu Aarhus geschaffen; der kühn ansteigende, den Dra-
chen bekämpfende heilige Georg im Museum zu Stock-
holm wird ihm mit ebenso viel Recht zugeschrieben wie
die Statuette von Karl Kuntsson im Gripsholmer Schloß.
Im Nationalmuseum zu Kopenhagen befindet sicli ein
großer Schnitzaltar (aus Birket stammend) mit der dra-
matischen Darstellung des Jüngsten Gerichts, in dem
man die Hand des Lübeckers Benedikt Dreyer erkannt
hat (um 1510). Der Hauptaltar des Doms zu Lund soll
Hamburger Herkunft sein und gehört in den Kreis von
Meister Bertram.

Die Ausstellung deutscher Kunst, die von Gustav
Pauli 1922 in Stockholm veranstaltet worden ist, war ein
Wiederaufnehmen alter künstlerischer Beziehungen.
Jetzt haben die Schweden uns in Hamburg einen Gegen-
besuch gemacht. Bis auf den Makartsaal stehen alle
Räume der alten Kunsthalle im Zeichen der Ausstellung,
die mit ihren 580 Nummern einen Querschnitt aus dem
Kunstschaffen Schwedens von den achtziger Jahren des
19. Jahrhunderts bis in die jüngste Gegenwart gibt. Die
Ausstellung, von über 60 Künstlern beschickt, mit zahl-
reichen Leihgaben aus dem Stockholmer Museum, ist
ungemein übersichtlich gehängt, so daß man sich schnell
und gut orientieren kann. Vermißt werden Jahreszahlen
im Katalog; sie würden die Orientierung erleichtern und
beweisen, daß die Zugehörigkeit zu einer Generation
nicht nur Sache des Alters, sondern mehr noch Sache
der Geistigkeit ist.

Eine Persönlichkeit, die für das europäische Kunst-
schaffen von so zentraler Bedeutung ist wie Munch, fehlt
in Schweden. Seine Dankesschuld an Europa hat
Schweden durch Strindberg abgetragen; keiner der
schwedischen Maler ist in dem Maße vom Dämon be-
sessen iiber die Grenzen seines Ich hinausgegangen wie
der große Dichter.

Dabei fehlt es Ernst Josephson, dem bedeutendsten
unter den schwedischen Malern, keineswegs an einem
großen Zug. Sein Leben steht im Zeichen des Kampfes,
mehr noch in dem der Einsamkeit, und die Geisteserkran-
kung, die die Kraft des 37jährigen gebrochen hat, hat
einen tragischen Zug in sein Leben gebracht. Bastien
Lepages Naturalismus hat in den ausgehenden 70er Jah-
ren Zündstoff in die Herzen der schwedischen Jugend
getragen, Parislocht, Josephson und die Gruppe, die sicli
um ihn in Paris geschart hat; Richard Bergh, Carl Lars-
son, Nils Krenger, Karl Nordström u. a. stellen 1885 in

Stockholm aus unter dem bezeichnenden Namen „vom
Seinestrand“. In der „Schmiede“ (1882 in Sevilla
entstanden) setzt sich Josephson im breiten male-
rischen Vortrag so gut wie in der weißlichen,
graubraunen Farbskala, aus der Gesichter, Arm
und Hals warm herausleuchten, selbständig mit
Velasquez auseinander. Von seinen älteren, im farbigen
Aufbau noch konventionelleren Frauenbildnissen: der
verträumten Frau Nennie Geijerstam, der Frau Bagge
mit dem Blumenstrauß in der behandschuhten Hand,
über der ein Renoirhafter Klang liegt, unterscheidet sich
das auf ein ganz lichtes Blau gegen weißen Hintergrund
gestellte, lebendige, geistig gespannte Bild von Frau
Rubenson. Darüber hinaus geht in seiner hauchhaften
Schönheit das Frauenbildnis des Stockholmer Museums;
ganz in durchlichtetem Heliotrop aufgebaut — etwas
Dunkelblau, Grün und Gelb bringen eine kräftige Note
hinein — ist es nicht so streng geformt wie das Porträt
der Frau Rubenson, aber das vergeistigte und unmittel-
barste Bild der Ausstellung. Das „Gänselieschen“ ver-
rät Josephsons romantische Note, die in dem auf der Aus-
stellung fehlenden „Wassermann“ ihre stärkste Verdich-
tung erfahren haben soll. Unter den Zeichnungen, Bil-
dern und Aquarellen, die der Künstler nach seiner Er-
krankung geschaffen hat, und die in ihrer Hemmungs-
losigkeit interessant und zum Teil bedeutend sind, fallen
besonders auf die ganz lichte Darstellung des Sakramen-
tes, das Wotanaquarell und die Komposition von vier
Köpfen, die Noldesche Probleme vorweg nimmt.

Anders Zorns elegante, mondäne, reichlich farblose
Bilder beherrschen eine Wand. In ihrer Virtuosität
haben sie einen internationalen Zug, während in den im-
pressionistischen Landschaften des Prinzen Eugen eine
sentimentale, schwedische, poesievolle aber auch süß-
liche Note herrscht. Das kleine Bild des Fuchsjägers
von Bruno Liljefors von 1890 ist noch auf gewisse intime
Wirkungen eingestellt; Liljefors wird immer äußerlicher
und das große Adlerbild von 1914, im Format völlig ver-
griffen, ist eine kalte leere Dekoration. Szenen aus dem
spanischen Volksleben malt in nüchternem Farben-
mosaik Karl Wilhelmsson, seine schwedischen Motive
bewegen sich in der durchaus gleichen Farbenskala.
Mehr als Oscar Björcks konventionelle Bildnisse der vor-
nehmen schwedischen Gesellschaft interessiert Richard
Berghs Strindbergbildnis. Der durch seine Jllustrationen
bei uns bekannt gewordene Carl Larsson zeigt sicli auf
der Ausstellung in seinen stark belichteten Interrieurs
von einer neuen Seite; die meisten Qualitäten hat sein
Bildnis des Malers Carl Skanberg. In den Nebenräumen
fallen Niels Krempas Tierbilder in ihrer gestrichelten
Technik auf und die großflächigen Köpfe ägyptischer
Märchen des verstorbenen Ivan Agneli.

Die Phase des Expressionismus und Kubismus haben
die jungen schwedischen Maler übersprungen. Auch

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