Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 7./8.1925/26
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0266
DOI issue:
1/2. Februarheft
DOI article:Schapire, Rosa: Ausstellung schwedischer Kunst in Hamburg
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eine Auseinandersetzung mit Munch, die man a priori
annehmen würde, ist nicht eingetreten. Bei Göeta San-
dels „Frauen auf der Brücke“ ist ein Abglanz des großen
Norwegers erkenntlich, ohne daß diese Anregung selb-
ständig verarbeitet wäre. Wieder holen sich, wie in
den achtziger Jahren, die jungen Schweden ihre Anre-
gungen aus Paris. Einar Jolin wandelt ganz in Matisses
Bahnen. Nils von Dardels groteske Kompositionen sind
amüsant und geistreich. Die preziöse Pariser Note seines
„Crime passionnel“ und seines „Besuches bei einer
exzentrischen Dame“ (beide von 1921) ist in der „Joh-
hannisnacht“ (1923) überwunden. Die Wirkung ist fast
plakathaft und die Farben sehr viel nordischer. Seine
letzten Aquarelle stehen im Zeichen der „neuen Sachlich-
keit“, der soviele unter den jungen Schweden opfern.
Ob Otte Sköld seine „Italienische Straße“ spielzeugartig
aufbaut, ob sich in seiner „Bar“ Männer und Frauen
schieben und drängen, ob er Nachtstimmungen oder
einen Blick aus seinem Atelierfenster malt — der nach-
geborene Romantiker ist unverkennbar, auch ein Rous-
seau’sches Element bricht zuweilen durch. In ihren
Bleistiftzeichnungen erfaßt Vera Nilsson das Wesen des
kleinen Kindes in einem Ernst mit der gleichen eindring-
lichen Sachlichkeit, wie einst Paula Becker-Modersohn,
während sie die Farbe noch nicht zu meistern versteht.
Unter den Jllustrationen fallen Kurt Junpstedts amüsante
Tuschzeichnungen und Aquarelle zu Voltaires „Candide“
auf. Die vielleicht am wenigsten vom Ausland beein-
flußte und markanteste Persönlichkeit unter den jungen
Schweden ist Isaac Grünewald. Er erreicht eindring-
liche, farbige Wirkungen; auf einem Straßenbild aus
dem Süden stehen die grünen Fensterläden pikant gegen
bräunlichgraue und weiße Wände, und sein „Norwegi-
sches Mädchen“ hat Ernst und Tiefe.
Es ließen sich noch eine ganze Reihe von Namen
unter der jüngsten schwedischen Malergeneration auf-
zählen — so auch der begabte Gideon Börje — aber
wem wäre damit gedient? Es sind mehr Namen als
Persönlichkeiten. Auffallend ist die französische Orien-
tierung und was damit in engstem Zusammenhang steht:
das Unschwedische. Bei vielen der Bilder könnte man
auch schon dem Motiv nach jene bekannte Frage stellen:
Sind diese Leute denn nirgends zu Hause? Die viel-
berühmte „neue Sachlichkeit“ in ihrer dürftigen Geist-
losigkeit herrscht auch in Schweden. Das „Chaos“, aus
dem allein man „Sterne“ gebären kann, ist einer überfei-
nerten Kultur gewichen. Mehr Blut, mehr Mut zur eig-
nen Art hätte der Ausstellung vielleicht einen problema-
tischeren Zug gegeben, aber sie wäre sicherlich inter-
essanter und bedeutender. Vielleicht hätten auch die
Veranstalter der Ausstellung der Sache mehr gedient,
wenn sie zahlenmäßig weniger gebracht hätten und das
Gesamtniveau dementsprechend höher wäre.
G. Courbet
Landschaft
Ausstellung der
Galerie Heinemann
im Kiinstlerhaus Berlin
236
annehmen würde, ist nicht eingetreten. Bei Göeta San-
dels „Frauen auf der Brücke“ ist ein Abglanz des großen
Norwegers erkenntlich, ohne daß diese Anregung selb-
ständig verarbeitet wäre. Wieder holen sich, wie in
den achtziger Jahren, die jungen Schweden ihre Anre-
gungen aus Paris. Einar Jolin wandelt ganz in Matisses
Bahnen. Nils von Dardels groteske Kompositionen sind
amüsant und geistreich. Die preziöse Pariser Note seines
„Crime passionnel“ und seines „Besuches bei einer
exzentrischen Dame“ (beide von 1921) ist in der „Joh-
hannisnacht“ (1923) überwunden. Die Wirkung ist fast
plakathaft und die Farben sehr viel nordischer. Seine
letzten Aquarelle stehen im Zeichen der „neuen Sachlich-
keit“, der soviele unter den jungen Schweden opfern.
Ob Otte Sköld seine „Italienische Straße“ spielzeugartig
aufbaut, ob sich in seiner „Bar“ Männer und Frauen
schieben und drängen, ob er Nachtstimmungen oder
einen Blick aus seinem Atelierfenster malt — der nach-
geborene Romantiker ist unverkennbar, auch ein Rous-
seau’sches Element bricht zuweilen durch. In ihren
Bleistiftzeichnungen erfaßt Vera Nilsson das Wesen des
kleinen Kindes in einem Ernst mit der gleichen eindring-
lichen Sachlichkeit, wie einst Paula Becker-Modersohn,
während sie die Farbe noch nicht zu meistern versteht.
Unter den Jllustrationen fallen Kurt Junpstedts amüsante
Tuschzeichnungen und Aquarelle zu Voltaires „Candide“
auf. Die vielleicht am wenigsten vom Ausland beein-
flußte und markanteste Persönlichkeit unter den jungen
Schweden ist Isaac Grünewald. Er erreicht eindring-
liche, farbige Wirkungen; auf einem Straßenbild aus
dem Süden stehen die grünen Fensterläden pikant gegen
bräunlichgraue und weiße Wände, und sein „Norwegi-
sches Mädchen“ hat Ernst und Tiefe.
Es ließen sich noch eine ganze Reihe von Namen
unter der jüngsten schwedischen Malergeneration auf-
zählen — so auch der begabte Gideon Börje — aber
wem wäre damit gedient? Es sind mehr Namen als
Persönlichkeiten. Auffallend ist die französische Orien-
tierung und was damit in engstem Zusammenhang steht:
das Unschwedische. Bei vielen der Bilder könnte man
auch schon dem Motiv nach jene bekannte Frage stellen:
Sind diese Leute denn nirgends zu Hause? Die viel-
berühmte „neue Sachlichkeit“ in ihrer dürftigen Geist-
losigkeit herrscht auch in Schweden. Das „Chaos“, aus
dem allein man „Sterne“ gebären kann, ist einer überfei-
nerten Kultur gewichen. Mehr Blut, mehr Mut zur eig-
nen Art hätte der Ausstellung vielleicht einen problema-
tischeren Zug gegeben, aber sie wäre sicherlich inter-
essanter und bedeutender. Vielleicht hätten auch die
Veranstalter der Ausstellung der Sache mehr gedient,
wenn sie zahlenmäßig weniger gebracht hätten und das
Gesamtniveau dementsprechend höher wäre.
G. Courbet
Landschaft
Ausstellung der
Galerie Heinemann
im Kiinstlerhaus Berlin
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