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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1./2. Oktoberheft
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Bode, Wilhelm von: Die Versteigerung der Wiener Kunstsammlungen Camillo Castiglioni, [1]: bei Frederik Muller & Cie. in Amsterdam am 17. - 20. November 1925
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0081

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Bet pt?edet?i(C jMuüet? & Cie. in Amtierdam am l?.—-20. TSoüember lp25

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i.

Jeder I3eutsche, der den prächtigen großen Katalog
der Sammlung Castiglioni durchblättert (in zwei
umfangreichen Foliobänden x), wird bedauernd erklären:
Also wieder lauter Kunstschätze aus deutschem, ja
meist aus Berliner Bestiz, die jetzt ins Ausland wan-
dern werden! Freilich, die besten Stücke stammen aus
unseren Sammlungen, aber wenn diese während des
Krieges verkauft worden sind, so geschah dies nicht
wegen des Krieges oder wegen des Zusammenbruchs,
sondern fast ausnahmslos, weil sie erbschaftshalber
versteigert werden mußten. Das wäre auch geschehen,
wenn wir den Krieg gewonnen hätten. Daß jetzt der
Wiener Italiener Camillo Castiglioni, der diese Schätze
mit großem Geschick und unter kunstverständigem
Beirat meist während des Krieges zusammengebracht
hatte, zu ihrem Verkauf gezwungen ist, ist allerdings
eine Folge des Zusammenbruchs. Aber die Versteige-
rung in Amsterdam bietet ja hoffentlicii Gelegenheit,
daß das eine oder andere Hauptwerk wieder nach
Deutschland zurückkehrt, wie im vorigen Jahre der
Altar von H. Baldung Grien aus der Stadtkirche in Halle
wieder für Deutschland, für das Germanische Museum
in Nürnberg zurückerworben werden konnte.

Die Sammler, von denen die Hauptwerke der
Castiglioni-Sammlung stammen, waren Schwärmer für
die Kunst der Renaissance: die Richard v. Kaufmann,
Adolph v. Beckerath, Carl v. Hollitscher, Mfller v.
Aichholz, Graf Gregor Stroganoff. Dadurch ist auch
Herrn Castiglionis Richtung im Sammeln bestimmt wor-
den; was ihn auf die Renaissance wies, ist vor allem
auch das Renaissance-Palais von Miller v. Aichholz in
der Heugasse in Wien, das er mit seiner ganzen Einrich-
tung nach dcm Todc des Besitzers erwarb. Als Samm-
lung dieser Art ist seit der Versteigerung der Sammlung
R. v. Kaufmann in Berlin, 1917, keine annähernd so be-
deutende in den Handel gekommen, ja überhaupt gebil-
det worden. Neben den Renaissanceschätzen und eini-
gen antiken und mittelalterlichen Bildwerken besitzt
sie zugleich noch eine kleine, sehr gewählte Abteilung
von Bildern der vlämischen und holländischen Schule,
namentlich aus der Sammlung Ludwig Knaus und C. v.
Hollitscher, wie sie die Kaufmann’sche Sammlung nicht
aufzuweisen hatte. Und diese ausgezeiehnete und ge-
wählte Sammlung ist in der Hauptsache in zwei Jahren

b Collections Camillo Castiglioni de Vienne. I Catalosue des
tableaux, sculptures,. meubles etc. — II Catalogue des bronzes
antiques et de la Renaissance — Vente cliez Frederik Muller & Co.,
Amsterdam 1925.

zusammengebracht, während die Sammler, aus deren
Schätzen Castigloni seine Auswahl traf, um ihre Zu-
sammenbringung ihre 40, ja 50 Jahre sich bemüht
liatten. Lassen wir die Hauptstücke kurz an uns vor-
übergehen.

Die primitiven Italiener sind meist mit dem Palais
in der Heugasse erworben worden, einige aus der Ver-
steigerung R. v. Kaufmann. Selbst eine Dugento-Ma-
donna ließ sich Herr v. Miller nicht entgehen. Sicher
zu einer Zeit, als er kaum den Holzwert der Tafel da-
für zahlte, wie auclt ich ein großes Hauptwerk der glei-
chen Zeit vor 20 Jahren von einem ersten Händler Ita-
liens so billig erwarb, daß ich es unserer Galerie zum
Geschenk machen konnte. Etwa 10 Jahre früher konnte
man auch sehr gute italienische Bilder des Trecento
noch fast umsonst erwerben. Die besonders feinen Bil-
der von Francesco di Vanuccio, Lippo Memmi, Giovanni
di Paolo u. a. Sienesen, die in unserer Galerie schon
vorzüglich vertreten waren, konnte ich für Kaufmann
meist um einige Iiundert Lire erwerben. Castiglioni
hatte das Glück, mit dem Palais Miller eine Anzahl die-
ser, im Handel heute durch die amerikanische Konkur-
renz fast verschwundenen intimen Werke zu erwerben
und sie durch einige treffliche Stücke aus der Sammlung
Kaufmann zu vermehren, Von Miller stammt aucli die
entzückende frühe ldeine Madonna von Carlo Crivelli;
ein ähnliches Bild ging vor wenigen Wochen aus der
Sammlung Huldschinsky um 225 000 Mark an einen
amerikanischen Händler.

Ein Hauptwerk unter den Gemälden, ja wolil d a s
Hauptwerk, die Altartafel der „Mystischen Verlobung
der Hl. Katharina“, ein intimes Jugendwerk des Correg-
gio, erwarb Castiglioni aus Wiener Privatbesitz. Einst
schmückte es die Galerie zu Mantua; nach dem Sacco
di Mantova kam es (wahrscheinlich durch Vermittlung
von Rubens) in die Sammlung König Carls I. von Eng-
land. Wenn die Herkunft keiue so vornehme und das
Bild kleiner war, konnte man vor einem Menschenalter
aucli einen echten Correggio gelegentlich noch recht
billig kaufen. So habe ich für eine deutsche fürstliche
Galerie eine Hl. Familie aus der gleichen Zeit wie die-
ses Castiglioni’sche Bild um 200 Pf. St. (jetzt längst in
Amerika) und eine Judith für die Galerie in Straßburg
sogar um 20 Pf. St. erworben. Aus der Hochrcnais-
sance besitzt die Sammlung verschiedene stattliche
Portraits von Licinio Pordenone, P. Marescalco und
Tintoretto. Mit dem Palais Miller hatte Castiglioni auch
die prächtigen großen Gemälde von G. B. Tiepolo er-

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