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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

DOI Heft:
1/2. Januarheft
DOI Artikel:
Bode, Wilhelm von: Eine neuentdeckte "Venus mit dem Orgelspieler" von Tizian
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0213

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IDttbdrta üon Bode

Exzellenz Bode veröffentlicht gleichzeitig eine ausftihr-
lichere Darstellung seines jtingsten Tizian-Fundes in den
Amtlichen Berichten der Preußischen Staatsmuseen.

/ u den bisher bekannten Exemplaren der „Venns mit
^ dem Orgelspieler“ von Tizian ist in neuester Zeit
ein bisher völlig unbekanntes, jetzt im Besitz von Dr.
Otto Burchard in Berlin, hinzugekommen, das sich ver-
schmutzt und namenlos im Kunsthandel herumtrieb und
erst nach einer vorsichtigen Reinigung in seiner Bedeu-

Diese lebhaften starken Lokalfarben sind mit größ-
ter Meisterschaft z11sauonengestellt und vereinigen sich
zu einem großen, kräftigen Akkord. Ihre Wirkung wird
noch dadurch verstärkt, daß die Behandlung eine sehr
breite, der Farbenauftrag ein fetter ist. Dabei sind doch
Einzelheiten mit großer Feinheit empfunden und heraus-
gehoben: wie die jungen, mager belaubten Bäume sich
zart gegen die Luft abheben, wie sie ihre langen
Schatten über die vom AbendMcht hell beleuchteten

Tizian, Venus mit dem Orgelspieler. Besitzer: Dr. Otto Burchard, Berlin

tung erkannt werden konnte. Es ist eine im Figürlichen
und in der ganzen Anordnung fast getreue Wieder-
holung des Berliner Bildes mit Philipp II. als Orgel-
spieler. Vergleicht man aber die beiden Gemälde in den
Originalen, so sieht man sofort, daß in diesem neuauf-
getauchten Exemplar aus fast der gleichen Komposition
eine malerisch völlig abweichende Neuschöpfung ent-
standen ist, die nur auf den großen Koloristen seibst
zurückgeführt werden kann. Hier sind die außerordent-
lich kräftigen Farben fast rein nebeneinander gestelit.
Der Vorhang und die Samtdecke unter der Venus, von
derem grünen Futter etwas sichtbar ist, sind von tie-
fem Bordeauxrot. Von dem braunroten Anzug Philipps
ist im Schatten wenig zu sehen; er setzt sich dunkel
gegen die fast schwarzen Orgelpfeifen ab; nur der gelb-
liche Aermel leuchtet heller heraus. In der Landschaft
sind die Berge und der Himmel über einer niedrigen
hellen Wolkenschicht tiefblau, die Matte im Mittelgrund
ist kräftig grün und vorn an der Rampe tiefbraun.

Matten werfen, das hat um die Mitte des Cinquecento
niemand so wahr und doch so reizvoll wiedergegeben.
Das Wunderbarste ist aber die Kühnheit, mit der die
tiefen und außerordentlich kräftigen Lokalfarben Rot,
Grün und Blau nebeneinandergestellt sind und das
Ganze doch koloristisch zu mäclitiger Wirkung gebracht
ist, und die Feinheit, mit der dazu die dunkeln, im
Schatten liegenden Töne von Orangegelb bis zu einem
violetten Braunrot im Kostüm Philipps gestimmt sind
und nur in dem hellen Gelb des Unterärmels zu einer
stärkeren Wirkung kommen. Tizian hat gerade in den
vierziger Jahren mit Vorliebe eine solche von Rücken
gesehene Figur in prächtigem Zeitkostüm im Halb-
schatten angebracht, um die stärkeren Lokalfarben in
diesen Bildern dadurch koloristisch noch zu heben.

So ist in der ganzen Farbengebung und -zusam-
menstellung, namentlich aucli in der Landschaft, die
Meisterhand von Tizian deutlich zu erkennen. Kein
Künstler, auch in Venedig unter Tizians Schülern und

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