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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1/2. Aprilheft
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Aus Hollands Kunstleben / Aus dem Nordischen Kunstleben / Kunstauktionen / Schweizerische Kunstchronik / Kunstausstellungen / Aus der Kunstwelt / Anzeigen
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0370

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Aus flollands Kunßleben.

JHeues aus dem jvlauUtsbuis tm fiaag„

Dem kürzlich erschienenen Jahresbericht über 1924, der zu-
sammen mit den übrigen Jahresberichten der staatlichen hollän-
dischen Kunstsammlung herausgegeben wird und wie diese reich-
lich post festum — ein Jahr zu spät — versandt ist, entnehmen wir,
daß die von Professor Martin unternommene Reorganisation
und Neuordnung der Sammlung riistig fortschreitet. Besondere
Sorgfalt wird auch hier jetzt auf passende Rahmung der Bilder
gelegt; in einigen Fällen war man so glücklich, von alten Rahmen,
die schon ausrangiert waren und im Depot bewahrt wurden, von
neuem Gebrauch zu machen, wie bei dem Bildnis des Erbauers
des , Mauritshuis“ des Grafen Johann Moritz von Jan de B a e n.
Dann konnte die alte verschossene rote Samtbekleidung der Wände
in den vier Seitensälen des Erdgeschosses durch einen neuen Wand-
behang aus grau-grünem Samt ersetzt werden; nur in dem großen
Saal im Parterre ist die alte Bespannung vorläufig noch geblieben.
Dadurch, daß die italienischen Gemälde in das Erdgeschoß gelangt
sind, war es möglich, in dem dadurch frei gekommenen großen
Saal im ersten Stock fiir einige Meisterwerke aus der Sammlung
Steengracht, die große Lustige Gesellschaft von Jan Steen und
die Landschaft mit den zwei Mühlen von H o b b e m a eine ruhigere
Umgebung zu schaffen. Durch Ankauf konnte, da in dem armen (!),
unter den Nachwehen des Krieges noch stets leidenden Lande nur
die Hälfte der sonst bewilligten Mittel zur Verfügung stand, nur
ein einziges Gemälde erworben werden, was aber auch nur durch
privaten Zuschuß ermöglicht wurde; das bescheidene Budget allein
hätte zu der anziehenden kleinen Winterlandschaft von A e r t v a n
der Neer, die bei der Versteigerung der Sammlung de Ridder
in Paris im Juni 1924 61 000 Frs. (= 14 000 Mk.) aufgebracht hattc,
natürlich nicht ausgereicht. (Das Bildchen (24X35,5) ist in dem
von Bode verfaßten Galeriewerk de Ridder reproduziert; es ist
1635 datiert, was weder von Bode noch von Hofstede de Groot
in seinem beschreibenden Verzeichnis (Nr. 494) erwähnt wird,
und gehört demnach zu den frühesten Schöpfungen des Meisters,
der im Mauritshuis bisher nur durch eine Mondscheinlandschaft ver-
treten war. Was die Sammlung sonst erwarb, sind zum Teil durch
Tausch erhaltene Leihgaben, die das mit Gemälden überlastete
Rijksmuseum, um mehr Raum zu gewinnen, jetzt gerne abstößt.
Hierzu gehören ein kleines Triptychon mit der Madonna auf dem
Mittelbild, das Jan Proovost zugesprochen wird (Nr. 1923b
des Rijksmuseumskatalogs), ferner der Turmbau zu Babel, das
Werkchen eines vlämischen Künstlers aus der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts (Nr. 338 a), außerdem eine Landschaft mit
Fischern von A. van de Cabel (Nr. 373) und last not least eine
Winterlandschaft von H. Avercamp (391), von dem die Samm-
lung überhaupt noch nichts besaß. Um dem Mauritshuis durch Ent-
fernen der nicht in den Rahmen eines „Kabinet van Schilderijen“,
wie der urspüngliche Name der Sammlung lautete, passenden Werke
seinen Charakter allmählich zurückzugeben, hat Professor Martin
schon vor 15 Jahren, als er zum Direktor ernannt wurde, den An-
fang gemacht, veschiedene interessante, aber in dieser Umgebung
störende Gemälde .an andere Musea abzugeben, wo sie mehr am
Platze waren; so hat das Frans Hals-Museum in Haarlem seinerzeit
zwei kolossale Gemälde als dauernde Leihgaben bekommen, weil
sie der Intimität des Mauritshuis — nicht nur durch ihre großen
Abmessungen — Einbruch taten, die Hochzeit von Peleus und Tlietis
von Cornelis Cornelisz, und eine Anbetung der Könige
von Maerten van Hemskerck; Werke, die überdies als
Arbeiten von Haarlemer Meistern mehr nach Haarlem gehören als
nach dem Haag. Im vergangenen Jahr hat auch das große Ge-
mälde von S a m u e 1 v a n H o o g s t r a t e n , die Säulenhalle
eines vornehmen Landhauses mit einer brieflesenden Dame, das
Mauritshuis verlassen, um nach denr Museum in Dordrecht über-
zusiedeln, wo ja noch mehr Werke dieses Dordrechter Meisters zu
sehen sind. Eine Madonna mit Heiligen von F o g o 1 i n o kam in
das Rijksmuseum zur Vervollständigung der italienischen Abtei-
lung, und das große Bildnis der Gemahlin des letzten Stadthalters
von de S p i n n y , zusammen mit zwei allegorischen Darstellun-
gen von Th. Willeboirts Boschaert nach Middelburg, in

das Gebäude des Provinziallandtages. Dieses Wandern der Ge-
mälde, das, seitdem auch das Ryksmuseum daran beteiligt, einen
großen Umfang angenonuuen hat, und das man im allgemeinen als
eine erfreuliche Erscheinung begrüßen rriuß, hat aber auch eine

Uebergroßer Gekreuzigter,

Norditalien, um 1310
Versteigerung im Mai im Auktionshaus
Glückselig in Wien

Schattenseite, die darin besteht, daß man jetzt nie mehr sicher ist,
dieses oder jenes Bild, das man früher in dieser oder jener Samm-
lung gesehen, an dem alten Orte zurückzufinden, weshalb es sicn
dringend empfiehlt, dem letzten Katalog der größten und freigebig-

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