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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1./2. Septemberheft
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Widmer, Johannes: Der Schweizerische Salon 1925
DOI Artikel:
G. S.: Die Pariser Kunstgewerbe-Ausstellung II
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0037

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festgelage, Schlachtgewühle, Herdenfreuden sich ver-
stehen werden, wohl aber werden sie, dank des
flämisch-volkstümlichen Einschlags, in der deutschen
Schweiz Anklang finden. Etliche Künstler, wie der
immer reicher und unauffallig fester komponierende,
immer vielfach toniger malende Felix Appenzeller,
Couvet, Clenine u. a. bilden eine willkommene und
natürliche Brücke zwischen Anlage, Stimmung, Arbeits-
art der scheinbar verschiedenen, tatsächlich grundver-
wandten Landesteile.

Der Unterschied kommt in der Plastik fast gar
nicht zur Geltung, da der neben Angst, Baud, Frutschi,
Fueter, Hubacher, Hünerwadel, Jaggi, Kissling, Meyer,
P. Röthlisberger, Schmitz, Vibert, Vuerchoz, Weber,
Zimmermann bedeutungsvoll hervortretende Hermann

Haller europäische Weite mit schweizerischem Charak-
ter so vereint, daß keine Rasse sich enterbt erscheint,
jede ihn bewundern darf.

Ins Unabsehbare verliert sich die Blätterwelt der
Graphik, hier herrscht unbeschränkt, trotz geistreicher
welscher Leistungen, der Alemanne Ernst Georg Ruegg,
der Albert Welti ebenbürtige, grundverschieden sich
äußernde, docli genau so tief germanische Eabulirer,
Stimmer, Märchendichter und, nachdem sich einmal
seine Dunkelheiten erschlossen, Alle machtvoll bezwin-
gende Urmaler, Urzeichner.

Seelen wie Haller, Ruegg, Perrier unser zu nennen,
und ilmen so viele Wesensgleiche zu wissen, ist Hoch-
gefühl. Auch dieser „Salon“ war ein Quell des Glückes.

Dte Pat’ifet’ Kun(!geiüet?be^Aus{feUung.

n*)

Italien hat einen anliken Palazzo gebaut, in echten Materialien,
vergoldete Klinker, und mit großem Aufwand an edlen Materialien,
eine mehr gediegene als organische Wirkung erreioht.

Immerhin, die Italiener sind stolz auf ihren traditionellen
Pavillon wie auf ihre Vergangenheit und sie haben Recht.

Die Tiirkei, Spanien, Griechenland zeigen sich als wenig
produzierende Länder und ohne eigentlichen internationalen
Charakter, der türkische Pavillon ist ein Teppichbasar, ein wenig
moscheeartig in der Architektur, und die vielen Teppiche und
Messinggegcnstände nicht durchweg ansprechend, was Geschmack
betrifft, umso ansprechender aber sind ein paar hübsche schwarz-
äugige türkische Verkäuferinnen.

Einen modernen und geschmackvodlen Pavillon haben die
Polen gebaut, darunter ein achteckiger Kuppelraum, die Wände mit
Malereien geschmückt, halb Gobelin, halb Malerei im Charakter,
aus Polens Märchengeschichte, die innner ein wenig politisch ge-
färbt ist, die Kuppel ist aus weißen, prismatisch geschliftenen
Gläseirn verglast und von heller, strahlender Wirkung.

Möbel und Tappisserien voller Geschmack und Gediegenheit.

Einen merkwürdigen Pavillon haben die Holländer gebaut,
in rotem Ziegelmauerwerk mit gewaitigem Dach, man glaubt, das
Haus habe keine Fenster.

Wie auch die ganze übrige neuzeitliche holländische Archi-
tektur hat auch dieses holländische Haus nichts Frohes, Gemüt-
liches und Gutmütiges, wie wir uns Holland vorzustellen gewohnt
sind, fast mehr etwas Unheimlich.es, Düstere-s, Mysteriöses
(Meyrinksches) auch die Plastiken der Balkenköpfe und Pfeiler-
figuren, etwas Verhaltenes, Unausgesprochenes, Merkwtirdiges,
irgend ein Unterton makabrer Phantasien, wie die Bilder der
Bosch und Breughel.

Einen Pavillon in Ziegelwerk haben auch die Dänen, ab-
wechselnd eine flache Schicht hellgelber Steine, tieferliegend, und
eine hoohstehende (13 ctn) vortretende Schicht dunkelbraun eisen-
farbig, ein einziger Raum kreuzförmig, im Grundriß sehr hoch, mit
gerader Decke, hohen, schmalen Fenstern bis zur Decke.

Wände und Decke eine zusammenhängende Malerei, auf griin-
blauem Grund, halb Landkarte, ein paar Menschen, Wappen,
Kirchen, zwei elegante, großformatige Ledersessel, halb Klubsessel,
halb Großvaterstuhl, elegant, modern, bequem, der Raum halb
Hcrrenzimmer, Warteraum eines vornehmen Geschäftshauses,
Lesezimmer, unbestimmt, aber einfach, großzügig, ruhig, angenehm

*) Sielie „Der Kunstwanderer“, August-Doppelheft 1925.

und nobel von fast kaufmännischer Sachliohkeit, fast hamburgisch,
jedenfalls wiirdig Dänemarks feinkulturellen Ueberlieferungen.

Der schwedische Pavillon, einfach und edel in den Linien,
beinahe klassisch und doch inodern, ein viereckiger Raum mit
flacher, runder Kuppel auf 8 Eisengußsäulen, die Wände als Land-
karten bemalt, viel blau mit gelb, zierlich, graziös und sehr,
sehr fein.

Eine Loggia auf zwei jonisohen Säulen, ein Teich davor, griine
Rasen, ein paar Vasen, einfach, streng, geschmackvoll und ge-
diegen.

Der englische Pavillon ist merkwürdig und eigenartig; man
ist iiberrascht, die ausgestellten Erzeugnisse geschmackvoh und ge-
diegen, hauptsächlich bedruckte Stoffe, die wir ja schon immer
geliebt haben.

Der belgische Pavillon sieht in seinem Aeußeren ungefähr so
aus, wie wir gewöhnt sind, uns einen modernen, monumentalen
Theaterbau vorzustellen.

Rührend geradezu ist der Pavillon von Monaco (ja, Monaco
hat auch eineu Pavillon), ein einziger Raum, eine Art Theater-
foyer oder Hotelentree, ein paar Palmen und ein paar große,
photographische Vergrößerungen eines offenbar unendlich sym-
pathischen Menschen und Fürsten, um den Pavillon herum wunder-
volle Kakteen.

Es gibt noch manches auf dieser Ausstellung, was aus posi-
tiven oder negativen Gründen beachtenswert wäre. Zum Schluß
noch die erfreuliche Feststellung, daß auch die Verliererstaaten des
letzten Krieges durchaus Erfreuliches und Anerkennendes geleistet
haben.

Im ganzen betrachtet ist zu benterken, daß die nordischen
Aussteller sich durclr Sachliohkeit und Strenge und zusanunen-
faissende Form und Ernst auszeichnen, die lateinischen und daran
angrenzenden Staaten mehr Freude am Schmuck, mehr Liebens-
w.iirdigkeit entfalten, mehr Leichtigkeit und Charmc, an crster
Stelle steht natiirlich Frankreich.

Seinen Gästen ist Frankreich der charmanteste und liebens-
wiirdigste Wirt, und wenn abends bunte Feucr gegen den stern-
hellen Nachthimme! verspriihen, dann denkt man unwillkürlich an
die Inschrift am Schloß zu Versailles

„Pont pour la gloire de la France“,
und der nahe Eiffelturm wird nicht verfehlen, es in alle Welt
lrinauszufunken.

Außer d.er Schöpfung der Kunstgewerbeausstellung ist Paris
auch sonst nicht müssig geblieben; neben dieser Ausstellung gibt
es noch so manche andere wichtige Unternehniungen.

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