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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1./2. Novemberheft
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Mützel, Hans: Der Knopf und seine historische Sendung
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0130

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Det? Knopf und feine bißoctfcbe Sendung

oon

fians

In diesen Tagen erscheint im W i d d e r - V e r 1 a g in
Berlin ein neues Buch von Hans M ü t z e 1 : „Vom
Lendenschurz z u r M o d e t r a c h t.“ Der
„Kunstwanderer“ veröffenthcht aus dem Kapitel „Der
Knopf in seiner historischen Sendung“ mit Genehmigung
des Verfassers nachstehenden interessanten Abschnitt:

\\/ ollen wir den Knopf in seiner Urheimat etwa bis
’ * zu seiner Entstehung zurückverfolgen, so dürften
unsere Forschungen wohl resultatlos verlaufen. In Zen-
tralasien kann man nicht so leicht Prähistorie treiben.
Aber was man bereits gefunden hat, genügt. Zu den Er-
gebnissen der preußischen Turfan-Expedition gehört eine
große Anzahl von Wandgemälden, welche jetzt einen
Kunstschatz im Museum für Völkerkunde in Berlin bil-
den. Auf großfigurigen Bildern erscheinen die Bewoh-
ner des zentralasiatischen Reiches der uigurischen Tür-
ken in einer Darstellungsform, welche noch den Nach-
Klang einer ehemals blühenden von hellenischem Geiste
beeinflußten Kultur verrät. Mit einer Klarheit, die jeden
Irrtum ausschließt und überzeugend ist hinsichtlich der
Sachkenntnis des Dargestellten sind die Köstüme einer
hochentwickelten Gesehmacksperiode geschildert. Tech-
niscli, stylistisch und materiell sind sie der etvva gleich-
zeitigen fränkisch-karolingischen weitaus überlegen, so
daß man sicli die Mongolen und Türken jener Zeit keines-
wegs als die wüste, unzivilisierte Horde vorsteilen darf,
wie unsere abenländischen Chronisten sie uns schildcrn.
Eine bestimmte Kategorie der Dargestellten, wahrschein-
lich sind es Indoskythen, verschließen ihren Tschapan
(Kaftanrock) in derselben Weise, wie heut noch die
Mandschu und Mongolen es tun: Rechtwinklig zur Stoff-
kante, die übergeknöpft werden soll, sind auf den Stoff
doppeltgenommene Schnurenden genäht, ebenso auf den
entsprechenden Stellen der Gegenseite, das eine bildet
eine Oese, das andere wird zu einem Knopf gestaltet.
Die aufgenähten Sclmurenden bilden zugleich eine Deko-
ration. Sie stehen selten einzeln, meist in Gruppen von
zweien oder dreien. Es haben seltsamerweise keines-
wegs viele Völker diese einfache, uns so selbstverständ-
lich scheinende Verschlußmethode angenommen, niclit
einmal die nächsten Nachbarn, die Turkmenen. Diese
begnügen sich mit zwei bescheidenen Bändern, die sie
auf der Brust zu einer kleinen Schleife binden. Die Japa-
ner verwenden den Knopf an Ühren nationalen Trachten
lieute noch nicht; die Koreaner begntigen sicli mit einem
Bindeverschluß, der auf der rechten Brust eine dekora-
tive Schleife mit lang flatternden Enden bildet. Die Chi-
nesen hatten früher auch keine Knöpfe und haben sie
nicht an den Original-chinesischen Gewändern der
Frauentracht. Aber seit dem 17. Jahrhundert haben sie
die Mandschutracht annehmen miissen, und so ist für
diese ihre Gewänder auch der Knopf charakteristisch.
I)ie Perser kennen den Knopf erst, seitdeni sie unter tür-
kischer Herrschaft türkische Kleidung angenommen

haben, auch Tataren und Westmongolen verwenden ihn.
Sie verschließen ihren vorn der ganzen Länge nach ge-
öffneten Leibrock vom Halsloch bis zur Taille mit Knöp-
fen. Die ursprünglich durch das Material und zweck-
mäßig entstandene Dekoration der wagerecht liegenden
Schnurenden haben sie bis zu einem ganzen System aus-
gebildet, das sie zu Rangabzeichen für Militär und Be-
amte benutzen. Die breiten oder schmalen von den
Knöpfen aus quer über die Brust verlaufenden Schnüre,
Litzen oder Tressen sind in alle Trachten der orientali-
schen Welt übergegangen. Moskoviter, Tataren, Ma-
gyaren und Polen haben es nachgeahmt, entweder mit
der Bedeutung von Rangabzeichen oder als bloße Deko-
ration. Auch Venedig, das sich von jeher stark derri öst-
lichen Einfluß hingab, war natürlich bald nach der Erobe-
rung des Balkans durch die Türken ein Tummelplatz
türkischer Nachahmungen, In dem Trachtenbuch des
Cesare Vecellio von 1578 erscheinen die venezianischen
Polizeiorgane von den Überbeamten abwärts in vollkom-
men türkischer Tracht mit den Querlitzen. Diese Tres-
sen und Versclmürungen wurden dann in der Männer-
tracht des 17. Jahrhunderts sehr beliebt. Zunächst nur
auf Ueberkleidern, die auch im Schnitt orientalisches
Vorbild verrieten; dann aber auch auf den Gesellschafts-
kleidern der aristokratischen Tracht. Unter Ludwig XIV.
schmückten sie den Justaucorps, das große Staatskleid
der Kavaliere; die Hoftracht wurde damit dekoriert und
sie nahmen in einer Weise überhand, daß der König zu
wiederholten Malen sog. Galon-Verbote erlassen mußte;
es fruchtete aber nichts, trotz aller Verschärfungen.
IJiese Querlitzeri hießen seltsamerweise in Frankreich
Brandebourgs, vermutlich wohl, weil der Große Kur-
fürst sie als Erster in seiner Armee verwendet hat; sie
dekorierten noch zur Zeit Wilhelms II. die Uniform dcr
Schloßgarde. Und wie so manche Herrlichkeit der aristo-
kratischen Moden zu der Trabanten- und Dienerschaft
herabgesunken ist, so bilden diese Knopflochlitzen und
sonstigen Galons noch heut nacli 200 Jahren ihrer einsti-
gen Blütezeit die Livreen der herrschaftlichen Diener,
Kutscher und Chauffeure. Geradezu überwältigend hat
sicli diese Verschlußdekoration auf den Husaren-Unifor-
men aller europäischen Armeen entwickelt. Hier sind
es außer den Tressen meistenteils Schnüre gewesen von
einfacher Wolle bis zu den prunkvollsten Gold- und Sil-
berkordeln; den Verschluß bilden neben Knöpfen zumeist
Metallknebel. Das ganze prächtige Schauspiel auf den
vielen tausend Männerbrüsten, der mit Stolz und in Ehren
getragene Verschnürungsrock, dem man eine gewisse
herorische Pracht nicht absprechen kann, wäre nicht
möglich gewesen ohne den Knopf und seine historische
Sendung.

Der griechische antike Knopf ist uns heute noch ein
ungelöstes Rätsel. Vielleicht ist er gar kein Kriopf;

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