Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

DOI Heft:
1/2. Maiheft
DOI Artikel:
Stock, Friedrich: Was will Theodor Wiegand?
DOI Artikel:
Weigand, Edmund: Die kunstgeschichtliche Bedeutung des römischen Markttores in Milet
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0401

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
lung höchster Anschaulichkeit im Raüm verknüpft,
sucht er die vielen und schweren Fehler der
Vergangenheit zu sühnen und mit einem gewaltigen
Schlage das Berliner Museum über London und Paris,
München und Kopenhagen hinaus an die Spitze der Mu-
seen alter Kunst zu führen.

Selbst die Griechen sind nur ein Glied der kiinstle-
rischen Menschheit. Adolf Furtwängler in seinem letz-
ten Werke, das er der Geschichte ihrer Kunst widmen
wollte, gesteht: „Daß wir einst in Deutschland selbst
eiue wirklich große, herrliche Plastik hatten, dies ist
eine Tatsache, die bis jetzt nur in einem sehr kleinen
Kreise voll erkannt ist.“ In Bodes Museumsplänen
grenzt das Reich der Griechen unmittelbar an das der
Deutschen. Nur wenige Schritte trennen die Lebens-
freude und Lichtheit der Griechenkunst, die den nie
wieder ganz unglücklich lassen kann, der sie einmal in
sich aufgenommen, scheiden die seiigen Genien, die auf
weichem Boden wandeln, von denen, die das Schicksal
gezeichnet hat, den Mühseligen und Beladenen, ihren
aus Angst und Verzweiflung geborenen Schauern der
Frömmigkeit, den Leibern, welche die Last des Lei-
dens und des Denkens zu erdrücken scheint. Hier —
die thronende Aphrodite, deren strenges Menschen-
antlitz ein Schimmer göttlicher Huld leise berührt, dort
— sie darf nicht fehlen — eine Kreuzigung des Mathis
Gothart, der uns erhebt, indem er uns zerschmettert.
Zu einem Schauspiel ohnegleichen laden Wilhelm Bode
und Theodor Wiegand ein.

Dennoch und obwohl im Dienste der Künste er-
graut, kämpfen Bode und Wiegand noch immer. Ihnen
die Vollendung ihres Lebenswerkes zu sichern und sie
der Allgemeinheit möglichst lange zu erhalten, wäre die
Ehre und der Stolz des Volkes in jedem andern Lande.
In Deutschland geschieht nach des Dichters Worten
alles Große „trotzdem und jenseits der Gehaltsklasse.“
Ernst Grosse hat bekanntlich dem preußischen Staat
etwas Anderes geschenkt als Feuilletons und Compila-
tionen. Er hat. das Kultusministerium an die preußische

Ueberlieferung gemaluit uud an den königlichen Aus-
spruch: „Der Staat muß durch geistige Kräfte ersetzen,
was er an physischen verloren hat.“ Das Ministerium
blieb taub. Jedes Miuisterium, das die Forderungen
deutscher Not verstände, würde den angeblich freien,
von allem Unglück gequälten Staatsbürger wenigstens
auf Stunden erlösen von dem wüsten Klassen- und
Rassenkampf, ihn aufrichten an Größe und Schönheit.
Das preußische Kultusministerium reißt Wiegands
Aufbau nieder. Der ohnehin sclion karge Raum des
Museums der antiken Baukunst soll beschränkt werden
durch Ueberführung der Mschatta-Fassade in den
großen Faal, der für die römische Kunst bestimmt ist.
Die Mschatta-Fassade gehört in Bodes Asiatisches
Museum. Das preußische Kultusministerium legt Wert
auf Akademien und verlangt die Erweiterung der Ber-
liner, um stets sachverständige Gutachten einholen zu
können. Die Akademie des Bauwesens hat sicli ein-
stimmig für Wiegands Entwürfe erklärt und ihn mit
der goldenen Medaille belohnt. Das preußische Kultus-
ministerium hört nichts. In einer Zeitung werden un-
richtige Abbildungen der Wiegandschen Anordnungen
veröffentlicht. Das preußische Kultusministerium sieht
nichts. Da greint einer über „riesenhaft“ und „pro-
vinziell“. Daß er Mommsens Geschichte der rö-
mischen Provinzen verschlafen hat, merkt er ebenso-
wenig wie das preußische Kultusministerium. Das
preußische Kabinett lebt parlamentarisch nur von Zu-
fallsmehrheiten und ist soeben in der Minderheit ge-
blieben, und die Herren Becker und Gall leben vom
Tage zum Tage und warten nur darauf, nach dem Fall
Schillings dem deutschen Volke den Fall Wiegand zu
bescheren.

„Ich kann kein Volk mir denken, das zerrißner
wäre, wie die Deutschen“ — klagt Hyperion. „Wenn
doch einmal diesen Gottverlaß’nen einer sagte, daß bei
ihnen nur so unvollkommen alles ist, weil sie nichts
Reines unverdorben, nichts Heiliges unbetastet lassen
mit den plumpen Händen.“

Dic kunßgefcbtcbtlicbc Bedeutung des römtfcben FlarkP

fores tn Mitef

oon

Sdmund iDcigand ^ IDiit’Ebut’g

/\/lit der in Aussicht stehenden Verwirklichung des
* " * antiken Architekturmuseums in Berlin wird ein
neuer Typus in der Geschichte des Museumswesens ge-
schaffen, dessen hervorragender Wert mir in zwei bis-
her vernachlässigten Dingen zu liegen scheint: Zu-
nächst daß erstmals Wichtige Entwicklungsphasen
der antiken Architektur vom 6. vorchristlichen Jahr-
hundert bis zum Ausgang der Antike an einzig-

artigen Originalstticken veranschaulicht werden, so-
dann aber, daß die durch die gewöhnliche Art der Er-
werbung bedingte Vereinzelung der Museumsstücke
hier durch Gunst der Umstände einrnal ausgeschaltet,
der ursprüngliche Zusammenhang mit der Architektur
wieder hergestellt und so mit größtem Nachdruck die
Vorstellung des antiken Gesamtkunstwerkes im Rah-
men des Museums selbst erzwungen werden kann. Da-

359
 
Annotationen