Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

DOI Heft:
1/2. Aprilheft
DOI Artikel:
Margules, S.: Wie kann die Notlage der bildenden Künstler behoben werden?: das Kunstgemeinschaftshaus
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0356

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
lÜic kann die Botlage dec btldenden Künßtet?

beboben iüet?den2

Das Kunßgemeinfcbaftsf)aus

oon

S. Mat2gulcs

Der Inhaber der Neuen Kunsthandlung in Berlin,
S. Margules, bespricht in dem nachstehenden Aufsatz, den
er dem „Kunstwanderer“ zur Verfügung stellt, die Frage
des Kunstgemeinschaftshauses. Wir stellen seine
interessanten Anregungen zur Diskussion.

J ie Gefahren, welche die augenblicklichen wirtschaft-
lichen Verhältnisse für die Entwicklung und für
die Lebensmöglichkeiten, besonders des künstlerischen
Nachwuchses, bilden, liegen nicht nur jedem Kunst-
freunde schwer auf dem Herzen, sondern haben auch die
Oeffentlichkeit oft genug und ernst genug beschäftigt.
Diese Gefahren zu schildern oder ihre Größe ausein-
ander zu setzen besteht also keine Notwendigkeit. Auch
wer den bestehenden Kunstbesitz noch so hoch schätzt,
wird gern zugeben, daß das Leben der Kunst ausschließ-
lich durch die Lebensmöglichkeit der Künstler garantiert
wird, daß es mit der Kunst zu Ende ist, wenn die Künst-
ler sich nicht entwickeln können.

Die Lebensmöglichkeit der Künstler und das Leben
der Kunst sind bedroht, die Entwicklung der jungen
Künstler ist so gefährdet, daß nicht irgend eine Wachs-
tumskrise, sondern eine Katastrophe der Kunst bevor-
steht. Das Leben der Kunst, auch das der einzelnen
großen Künstler, hat sich immer im Nach- und Gegen-
einander der künstlerischen Gruppen, in der Aufeinan-
derfolge der Schulen entwickelt. Die wirtschaftlichen
Schwierigkeiten der Gegenwart türrnen nicht nur den
einzelnen Kiinstlern, sondern auch diesen künstlerischen
Gruppen Schwierigkeiten entgegen, die nunmehr unüber-
windlich scheinen. Die künstlerischen Vereinigungen,
durch die Inflation und die fortwährende Krise wie jedes
einzelne Wirtschaftsobjekt geschwächt,sind nicht mehr in
der Lage ihren notleidenden Mitgliedern — und wieviele
von ihren Mitgliedern leiden denn nicht Not! — eine auch
nur kärgliche, eine einigermaßen ausreichende Unter-
stützung zu gewähren. Sie sind, selbst notleidend, auch
nicht mehr in der Lage, die Oeffentlichkeit ausreichend
für die Arbeiten ihrer Mitglieder zu interessieren. Dies
aber ist neben der durch Verkehr und Austausch ge-
schehenen Förderung der inneren Entwicklung immer
die vornehmste Aufgabe dieser Künstlergruppen und
Künstlervereinigungen gewesen. Der einzelne Mäzen,
der einzelne Kunsthändler kann der interessierten
Oeffentlichkeit niemals in diesem Maße ein geschlossenes
Bild des künstlerischen Wollens geben, und heute wen'i-
ger als je.

Die wenigen Kunsthändler, die den Künstlern Aus-
stellungsräume zur Verfügung stellen können, leiden
selbst unter der allgemeinen Schwierigkeit, ja sie leiden
naturgemäß unter den Schwierigkeiten aller andern:
d. h., sie finden in der Oeffentlichkeit nicht genügend In-

teresse und nicht genügend Unterstützung, um guten
Mutes das Experiment wagen zu könuen, das die Propa-
gierung eines jungen und noch unbekannten Künstlers
immer bedeutet, ja, das sie gerade dann am meisten be-
deutet, wenn es sich um Künstler von Rang und neu-
artiger Kraft handelt. Es liegt also nahe, daß diese Kunst-
händler gezwungen sind, immer wieder Arbeiten von
denjenigen Prominenten zu zeigen, als deren Vertreter
sie von jeher galten und denen sie die geschäftlichen Er-
folge früherer Zeiten zu verdanken haben.

Wenn es so weitergeht, dann wird die deutsche
Kunst nicht nur stranguliert, sondern eingehen, dann
wird sie aus Mangel an frischer Luft ersticken. Die
Situation ist unhaltbar, alles kommt jetzt darauf an, der
deutschen Kunst, d. h. dem Künstler und vor allem dem
jungen Künstler, diese frische Luft wieder zubringen,
also ihm die Oeffentlichkeit zu verschaffen.

Alles kommt darauf an, Künstler und Kunstfreunde
wieder häufiger und in geregelter Art zusammen-
zubringen.

Zur Lösung dieses dringlichsten Problems erscheint
die Gründung eines Kunstgemeinschaftshauses der
rechte Weg.

Es ist nicht nur eiue der Hauptgefahren für das
künstlerische Leben, daß es in Berlin überhaupt an Räu-
men mangelt, die zur Vorzeigung bildender Kunst wirk-
lich geeignet sind, es steht sogar schon so, daß, nicht
zuletzt wegen der Folgen dieses Mangels, die noch be-
stehenden Vereinsgruppen ihrer Auflösung entgegen-
gehen.

In allen diesen Räumen aber felilt auch völlig eiu
wirklicher Kontakt zwischen den ausstellenden Künst-
lern und den am Kaufen oder Schauen interessierten
Kunstfreunden. Keine Berliner Ausstellung ist auch
abends geöffnet. Die vielen Interessenten, die durch an-
gestrengte Arbeit den Tag iiber festgehalten werden,
bekommen Ausstellungen, die sie interessieren, über-
haupt nicht zu sehen. Es fehlt der Boden, auf dem
Künstler und Kunstfreunde sich treffen können, auf dem
sie in einen künstlerisch und — auch das ist durchaus
notwendig — finanziell für beide Teile wirklich ergiebi-
gen Austausch gelangen können. Die Gelegenheit zu
einer wirklichen gegenseitigen Anregung und Befruch-
tung fehlt völlig.

Diesen Boden, diese Gelegenheit soll das Kunst-
gemeinschaftshaus beiden Parteien, die man heute wirk-
lich als Parteien ansehen kann, geben, und nur das
Kunstgemeinschaftshaus kann sie ihnen geben.

Dies Haus muß so angelegt werden, daß es für alle
überhaupt in Frage kommendeu künstlerischen Verau-

318
 
Annotationen