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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1/2.Juliheft
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Bode, Wilhelm von: Amerikanische Aufnahmen toskanischer Bildwerke
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Widmer, Johannes: Das Zürcher Kunsthaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0488

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renz geschärften Auge zu prüfen. Längere Zeit war er
namentlich im Kaiser Friedrich-Museum beschäftigt, das
verhältuismäßig die größte Zahl seiner Werke aufzu-
weisen hat. Ich teilte Flerrn Kennedy offen mit, daß ich
in Bezug auf die Bestimmung der Büste der Prinzessin
von Urbino als Werk des Desiderio keineswegs ganz
siclier sei; wüßten wir doch nichts von einem Aufenthalt
des Kiinstlers in Urbino, in dessen feinem Kalkstein die
Büste, die wesentliche Abweichungen von unseren an-
deren Büsten zeigt, ausgeführt sei. Auch die auffallende
Uebereinstimmung des gleichfalls aus Urbino stammen-
den, wenn auch wesentlich schwächeren Rundreliefs
einer Sibylle mache mich schwankend. Mr. Kennedy
erklärte, daß er diese Zweifel teile. Da ich ihm mitteilte,
daß die Schlösser der Herzöge von Urbino, besonders in
Urbino selbst reiche und mannigfaltige Bildwerke des
Quattrocento enthielten, die vielleicht Aufklärung auch
über den Meister unserer aus Urbino stammenden Bild-
werke in der Art des Desiderio geben könnten, entschloß
sich Mr. Kennedy, gleich an die Aufnahme dieser ihm
noch unbekannten Schätze zu gehen. Auf dem Rückwege
nach Italien hat er dann noch die beiden köstlichen Kna-

benköpfe im Besitze von FI. von Benda in Wien auf-
genommen. Für die Sicherung der verschiedenen Kin-
der- und Knabenbüsten der Werke Desiderios werden
Detailaufnahmen des berühmten früher Donatello zuge-
schriebenen Puttenfrieses an der Fassade der Kapelle
Pazzi, deren Herstellung im kommenden Winter erfol-
gen soll, interessantes neues Material beibringen.

Neben dieser ersten Hauptaufgabe, die sich Mr.
Kennedy gestellt hat, das vollständige Material für Desi-
derios Werk in zahlreichen meisterhaften Detailaufnah-
men zu beschaffen, hat er selbst mit seiner Gemahlin
und seinen Schülerinnen noch eine beträchtliche Zahl
von Bildwerken der Renaissance photographiert, die er
in den nächsten Jahren systematisch vervollständigen
will. Bei der hervorragenden Qualität allsr dieser
Photographien wird der Forschung nach dieser Richtung
der italienischen Plastik ein unschätzbares neues
Material erwachsen.

Aehnliches versprechen die großen Detailaufnah-
men, die der Direktor des Museums von Detroit, Dr.
W. Valentiner, als Vorbereitung eines großen Werkes
über die Trecentoplastik Sienas hat aufnehmen lassen.

Das Bürcbcr Kunübaus

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lofjannes IDidmet’s 6en£

on einem Leiter ersten Ranges betreut, von wohl-
v wollenden Aufsichtsräten behütet, von der Presse
einhellig unterstützt, gedeiht das Zürcher Kunsthaus in
einem Maße, daß es trotz der Not der Zeit sich zielbe-
wußt zu einem Institut entwickelt, mit dem innerhalb
der schweizeriscben Grenzen und außerhalb zu rechnen
ist. In mehr als einer Hinsicht nimmt es schon heute
führende Stellung ein, die ihm keine Macht der Erde
mehr entreißen kann. Da ist es sinnvoll, einen Augen-
blick vor Haus und Inhalt stehen zu bleiben und die
Bedeutung des Gaiizen zu erwägen.

Im Grunde ist das Kunsthaus heute nichts anderes
als Pinakothek und Glyptothek von Stadt und Staat
Zürich, und in hohem Maße auch für die ganze Ost-
schweiz. Aber juristisch ist es keineswegs öffentliches
(mt, sondern gehört der Zürcher Kunstgesellschaft.
Aus ihrem Schoße ist es im Laufe eines Jahrhunderts
hervorgegangen, und zwar nicht kraft eines bestimmten
Gründerwillens, sondern von selbst, da die ursprüng-
lichen Mitglieder der Gesellschaft, so gut wie ausschließ-
lich ausführende Maler, Graphiker und (sehr wenige)
Bildhauer, ihrem geliebten Verein ab und zu eine Gabe
darbrachten, mit der Zeit wohl auch von außen Gaben
erhielten, und bei ganz besonderen Gelegenheiten mit
demselben Sparsinn der guten alten Zeit, den wir alle
aus dem „Fähnlein der sieben Aufrechten“ kennen, einen
Kauf wagten. Nolens volens ergab sich nach und nach

ein stattlicher Besitz, und schon in den 40er Jahren des
19. Jahrhunderts mußte man sich zur Errichtung eines
Sammlungsbaus entschließen. Er erstand in unmittel-
barer Nähe des gemütlichen, mit einem köstlichen Fest-
saal ausgestatteten „Künstlergut’s“ am Zürichberg, und
der Name des alten Teils teilte sich auch dem neuen mit.
Ein reges gesellschaftliches, von den Namen Arnold
Böcklin’s und Gottfried Keller’s verklärtes, ein beschau-
licheres Schau- und Sammelleben ging sechs Jahrzehnte
lang durch die Hallen. Niemand, der es noch sah, wird
das merkwürdige Duo alemannischen Treibens und
klassischer Form vergessen, das lange Zeit nach ver-
feinertem Biedermeier aussah und erst um 1900 einige
von der Geistesart der verwegeneren neuen Aera zeu-
gende Züge annahm, wie denn die Böcklin und Buchser
erst ziemlich spät in die Sammlung einzogen, und zu-
allerletzt die Hodler. Man war vorher reichlich akade-
misch-fromm und lokal-idyllisch gesinnt gewesen.

Der Umschwung war nicht nach dem Geschmack
aller Mitglieder der Gesellschaft. Die Neuerer verdroß
der mehr stille und zähe als laute Widerstand, und ohne
den Schoß der schon damals mehr als hundertjährigen
Vereinigung zu verlassen, taten sie sich zu einem Son-
derbund zusammen, der zwei Ziele verfolgte — erstens
die Förderung des Ankaufs von Bildern für die Samm-
lung fberhaupt, und moderner, das lebendige Zeitgefühl
in der Kunst verkörpernder Werke insbesondere, zwei-

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