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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1./2. Septemberheft
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Neugebauer, Karl Anton: Ein nachgelassenes Werk von August Gaul
DOI Artikel:
Rave, Paul Ortwin: Neue Erwerbungen der National-Galerie, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0032

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„ihre Arbeit im Frieden die Grundlage unserer Arbeit
schaffen half.“ Der das Denkmal bekrönende Löwe
ordnet sich mit seinen Maßen dem Inschriftblocke unter.
Das Tiersymbol wurde gewählt, weil die Hinzuziehung
des als Tierbildner bereits in seinen Lebzeiten zu klassi-
scher Bedeutung gereiften Meisters August Gaul ein
allseitig befriedigenderes Ergebnis versprach, als die
eines der in so vielen Richtungen auseinanderstreben-
den Menschendarsteller unserer Tage. Ist doch auch
der Löwe als Sinnbild des Heldenmutes und der trotzi-
gen Kraft auch im Unterliegen seit alters allgemeinver-
ständlich und schon von den Griechen auf dem Felde

der Unglücksscilacht bei Chäronea, wie von den
Schweizern bei Luzern in Thorvaldsens Relief zu Krie-
gerdenkmälern verwandt worden, die heute im Be-
wußtsein aier Gebildeten leben. So ruht denn der
Löwe Gauls auf seinem Sockel wie ein grimmig ernster,
von verhaltener Spannkraft erfühter Hüter eines Hel-
dengrabes. Wenn auch die Bildung der Einzelformen
niclit bis in jede Kleinigkeit hinein für den Meister in
Anspruch genommen werden kann, so ist Esser dem
Geiste seines Lehrers auf jeden Fall sehr nahe gekom-
men mit der großflächigen, jedes kleinliche Zuviel ver-
meidenden und darum so monumental ruhigen Behand-
lung dieses lebensvollen Tierleibes.

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oon

Paul Ovtwtn Raoe

III.*)

A ls eines der merkwürdigeren Künstlerschicksale im
1 *■ 19. Jahrhundert kann man das des Friedrich Was-
mann bezeichnen. Es ist bekannt, wie er, den man in
seinem Wirkungsbereich durchaus zu schätzen gewußt
hatte, nach seinem Tode einer gänzlichen Yergessenheit
anheim gefallen war, bis der norwegische Maler Bernt
Grönvold ilm wieder völlig neu entdeckt hat. Grönvold
hat das Werk Wasmanns mit großer Geduld und un-
endlicher Liebe wieder aufgespürt und zusammenge-
tragen, hat in der eigeneu Lebensbeschreibung Was-
manns eines der menschlich unmittelbarsten Kunst-
bücher des 19. Jahrhunderts ans Licht gezogen und
schließlich seine Forscher- und Sammelarbeit in den
Dienst der Oeffentlichkeit gestellt: mehrere Jahre hin-
durch konnte man den größten Teil der Wasmannschen
Gemälde in der National-Galerie hängen sehen, bis der
Besitzer, betroffen durch die zur unrechten Zeit ge-
äußerte Verunglimpfung der Wasmannschen Bilder, den
ganzen Schatz der Hamburger Kunsthalle anvertraute.
Nur schwer konnte die Nationalgalerie die hierdurch
entstandene Liicke wieder ausfüllen, indem sie aus
verschiedenen Quellen eine kleine Anzahl von Gemäl-
den und Handzeichnungen Wasmanns erwarb, zuletzt
noch einige Oelbilder aus dem Nachlaß von Berut Grön-
vold selbst, was durch die großherzige Hilfe des Ber-
liner Sammlers und Kunstfreundes Richard Semmel er-
möglicht wurde.

Wasmann gehört zu jener hin und wieder begeg-
nenden Gattung bildender Künstler, die nach einer Reihe
glücklicher und ertragreicher Jahre einer gewissen Er-
starrung und Schaffensunlust verfallen. Ueber diese
merkwürdige Erscheinung gerade bei Wasmann hat

*) Siehe „Der Kunstwanderer“, Mai und Juli 1925.

Gustav Pauli Erörterungen angestellt (Kunst und Künst-
ler, XIV, S. 157 ff.). Er fragt, wie es kommen mag, daß
ein Bildnismaler von so eindringlicher Schärfe der
Charakterisierung und unzersetzender Erfassung des
Seelischen, dem diese Arbeit zudem noch Freude be-
reitet, unerwartet in der Blüte seiner Jahre abbricht und
die letzten vierzig Jahre seines Lebens mittelmäßige
religiöse Bilder rnalend schlecht und recht verbringt.
Pauli meint, ob nicht bei etwas mehr Selbstüberwin-
dung, ob bei etwas mehr zusammenfassender Kraft der
Künstler sich glücklicher und breiter entwickelt hätte,
ob nicht sogar bei einem Verweilen in seiner nordischen
Heimat breitere und vollere Früchte seiner Kunst be-
schert worden wäre. Es scheint jedoch hier ein
Umstand übersehen worden zu sein, der für das
Schaffen bildender Künstler die wichtigste Grundlage
bedeutet: das ist nicht so sehr das Altwerden des Künst-
lers an sich, sondern der Wandel seiner Umgebung,
seiner Umwelt. Aus Wasmanns Lebenserinnerungen
kann man es deutlich herauslesen, wie er bis etwa zu
seinem vierzigsten Lebensjahr in inniger Verbindung
mit einer ihm zukommenden Umgebung sich glücklich
und schaffensfroh fühlt, Fs sind Künstlerfreunde, mit
denen er im engen Austausch stand, und vielfältiges,
ländliches und bürgerliches, damals noch wesenhaftes
Volk, mit dem er in fortwährend wechselnder Be-
rührung war, stolz unter der Bevölkerung Roms oder
Tirols als einer der ihrigen zu gelten. Erst in dem
Augenblick, da er heiratet, wird alles anders. Nun steht
zwischen ihm und der Welt seine Frau und deren ganze
Familie, die Schwestern, Miitter und Schwiegennütter
und ihnen befreundete Frauen, die aus ihrer zähen und
schweren Lebenseinstellung des protestantischen Nor-
dens in den Siiden versetzt eine eindämmende, unkünst-
lerische Luft um ihn verbreiten. Das Künstlerische

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