Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

DOI Heft:
1/2. Februarheft
DOI Artikel:
Darmstaedter, Ludwig: Bernard Palissy: der Meister des Tonemails
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0258

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Bet’nacd Paliffy

Dct? jvtei(fec des Tonemai(s
üon

Ludiülg Dat’tnßaedtct’

jie französische Töpferei der Renaissance hat neben
^ den lierrlichen Steingutgefäßen von Saint Por-
chaire, die im Handel meist als Oiron-Fayence oder als
Henri II Ware bekannt sind, eine eigentümliche Art von
emaillierten Tonwaren hervorgebracht, die nach ihrem
Urheber Palissy-Ware heißen.

Palissys Gefäße, namentlich seine „bassins rusti-
ques“ genannten großen Zierschüsseln sind mit natur-
getreuen Nachbildungen von Schlangen, Eidechsen,
Fischen, Krebsen und Insekten allerlei Art verziert,
der Sockel, auf dem diese Tiere angebracht sind, ist
mit künstlichen Versteinerungen, Muscheln, Schnecken
und Pflanzen aller Art überdeckt.

Diese Art der Dekoration verdankt Palissy seiner
Leidenschaft für geologische Forschungen und narnent-
lich für die Fossilienkunde, die durch seine Unter-
suchungen der Salzgärten an der atlantischen Küste
ein neues Bild annahm. Entgegen dem damaligen
Glauben, daß die Fossilien „Spiele der Natur“,
„Sch.öpfungsirrungen des Allmächtigen“, Ueberbleibsel
der Sintflut“ seien, erklärte sie Palissy, seiner Zeit
weit vorauseilend, für versteinerte Organismen, die an
dem Ort, wo sie gefunden werden, erzeugt sind und
zwar zu einer Zeit, wo an Stelle der Felsen noch Erde
und Wasser vorhanden waren. Die Erde und der
Schlamm seien späterhin durch dieselbe Kraft verstei-
nert worden, die auch die Fossffien erzeugt liabe, näm-
lich durch die alles durchdringenden Minerallösungen.
Dem Manne, der im Jahre 1540 es wagte, solche An-
sichten zu äußern und es verstand, diese Versteinerun-
gen so glänzend in seiner- Kunst zu benutzen, müssen
wir als geologischen Bahnbrecher sowohl wie als
kunstgewerblichen Erfinder ein ganz ungewöhnliches
Genie zuschreiben.

Bernard Palissy ist nach Angabe von Pierre de
PEstoile im Jahre 1510 in Capelle-Biron bei Agen ge-
boren. Seine erste Erziehung erhielt er in Saintes in
der Charente inferieure. Die Wissenschaft, Chem.ie
oder damals Alchemie lernte er nach seiner Angabe mit
den Zälmen. Er meinte damit die Schwierigkeiten, die
sich ihm entgegenstellten und die Beharrlichkcit, mit
der er sie überwand. Neben der alten Literatur, die er
in guten Uebersetzungen las, trieb er Mathematik und
Geometrie und zeiclmete viel. Seine Eltern starben
früh, er mußte sich eiuem Handwerk widmen, und das
war die Glaserei. Eine edle Kunst nannte er sie und
vornehm, die sie ausüben und die man damals „Gentils
hommes verriers“ nannte. Und tatsächlich war die
Glaskunst der Zeit Palissy’s in den Händen von Künst-
lern, davon zeugen noch heute die herrlichen Kirchen-
fenster der Sainte Chapelle in Paris und vieler französi-
scher Kathedralen.

Nach vollendeter Lehrzeit ging Palissy auf die
Wanderschaft. Er machte sich in seinen Werken über
den wandernden Abenteurer Paracelsus lustig, aber
er selbst war in den Jahren 1530 bis 1535 nichts ande-
res als ein Abenteurer. Heute hie'r, morgen dort, so
ging es durch den Süden und Osten von Frankreich,
durch Flandern und einen Teil von Deutschland. Wo
sich Gelegenheit fand, arbeitete er als Glasmaler, als
Zeichner, als Geometer. Wurden in einer Kirche, einer
Abtei, einern Schlosse Glasfenster gewünscht, Palissy
war bereit und nahm dort einen kürzeren oder länge-
ren Aufenthalt. Wißbegierig und voller Eifer machte
er Beobachtungen an Flüssen, Gebirgen, Gesteinen, in
der Landwirtschaft und im Gewerbe. Eine hohe
Schule war das für ihn, und wir werden ihn später in
Paris davon Gebrauch machen sehen. 1535 war er
wieder in Saintes, er verheiratete sich dort 1539 und
nun schrieb ihm seine Armut angestrengteste Arbeit
vor. Bunte Glasfenster für die Kirche St. Pierre waren
sein erster Auftrag; daneben machte er Grundstücks-
vermessungen zu Zwecken der Salzsteuer. 1544 ver-
maß er im staatlichen Auftrag die Salzgärten von
Croisic und Marennes am Atlantischen Ozean. In einem
dort freigelegten Graben fand er große Mengen fossiler
Muscheln, an denen er seinen genialen Blick bewährte,
indem er, wie oben schon erwähnt, ihre Bildung an Ort
und Stelle annahm.

Neben dem Broterwerb beschäftigten ihn seit 1539
Versuche, die Zusammensetzung der Schmelze zu fin-
den, die er an einem ihm zufälilg in die Hände geratenen
emaillierten Tongefäß von seltener Schönheit, das offen-
bar ein Oiron-Gefäß war, beobachtet hatte.

Palissy wußte damals noch nichts von den in Rouen
und in Italien hergestellten Glasuren. Er verstand
wenig von Tonwaren und tastete bezüglich der Email-
schmelzen im Dunkeln.

Ohne Ruhe, olme Rast arbeitete er mit den beschei-
densten Mitteln.

„Mehr wie 10 Jahre quälte ich mich derart ab, daß
ich kaum mehr Fleisch auf den Beinen hatte. Ich
wurde von Jedermann verachtet und verlacht. Jahre-
lang konnte ich nicht einmal meine Oefen zudecken,
ich war jede Nacht dem Regen und dem Wind ausge-
setzt, ohne Hilfe, ohne Trost. Ich liatte oft keinen trok-
kenen Faden an mir und legte mich in einem Zustand
schlafen, als ob ich durch alle Moräste der Stadt
geschlichen wäre. Mehr als einmal fehlte das Holz
für die Oefen, und ich mußte, um meine Emails in
Fluß zu halten, meine Möbel und was ich im kritischen
Moment vorfand, verbrannen.“

1546 endlich gelang ihm die Herstellung eines weis-
sen Emails, das, wie er selbst sagt, besonders schön

228
 
Annotationen