Jahre 1796 verwunderte sich der Hamburger Senator
J. A. Günther, keine besseren Bilder von Heidelberg zu
finden: „Die Gegend ist gemacht, Landschaften zu bil-
den, wie je eine Schweizer Gegend es seyn kann.“ Der
Senator kannte allerdings Stengels „Environs de Hei-
delberg“ nicht, diese hübschen Blätter, die doch mehr
als Veduten bieten. Welche Freude hätte er an den
„wallonischen“ Ansichten des Georg Primavesi gehabt,
der auch einen ästhetischen Eindruck hervorrufen und
nicht nur alles, auch das Unbekannteste, wahrheits-
getreu wiedergeben wollte. Primavesi trat in nahen
Verkehr mit dem Architekten Speetli und dem Lehrer
für Architektur Thomas Allfried Leger. Zu ihnen ge-
sellte sich der Maler Johann Jakob Strüdt, der in Basel
studiert und die Wunder der Alpenwelt kennen gelernt
hatte, aber trotzdem die liebliche Odenwaldlandschaft
verdienen, daß Fürsten und Kaiser, daß alle Nationen
kommen und ihnen huldigen.“
Als Restauratoren leisteten den Brüdern Boisseree
vortreffliche Dienste der kleine verwachsene Maler
( hristian Koester, ein geistreicher und witziger Pfäl-
zer, der sicli nicht mehr von Heidelberg trennen konnte,
und sein Schwager Jakob Sclüesinger, aer nachmals in
Berlin wirkte.
In dem gleichen Jahre 1810 ließ sich der Emigrant
Karl — später Graf — von Graimberg in Heidelberg nie-
der. Ueberwältigt von der Großartigkeit des Schlosses,
empört über das Unheil, das einst seine Landsleute über
die Pfalz gebracht hatten, entschloß er sich, der schick-
salskundigen Burg seine Arbeit und sein Vermögen zu
widmen. Er machte sich zum Wächter des Schlosses
und trat unnachsichtlich allen Zerstörern entgegen. Er
Carl Fohr
Jllyrische
Landschaft
nicht verschmähte. Er erfaßte das Landschaftsbild als
Ganzes; er malte das Schloß vom AVolfsbrunnenweg
aus und gab auch der Ebene ihr Recht. Schweizer, wie
Billweller und Piepenhagen folgten Strüdt nach. So
bildete sicli ein Künstlerkreis, der sich unabhängig hielt
von dem, der sich um den Zeichenlehrer der Universität
gruppierte.
Zu den Anregungen, die der genius loci allen gab,
die Augen hatten zu sehen, kamen nocii diejenigen,
welche aus dem Borne alter deutscher Kunst flossen.
Im Jalire 1810 brachten die Brüder Sulpiz und Melchior
Boisseree die herrlichen alten Meister nach Heiaelberg,
und bald wurde das Sickingen’sche Haus, das zum
Schlosse heraufgrüßt, eine Wallfahrtsstätte für Künst-
ler und Gelehrte, für Staatsmänner und Monarchen.
Welch ein Freudentag, als Goethe eintraf und mit größ-
tem Genusse die Werke eines Dürer, Memling, „van
Eyck“ studierte. „Ach Kinder, was sind wir dumm,
was sind wir dumm! Wir bilden uns ein, unsere Groß-
mutter sey niclit aucli schön gewesen. Das waren an-
dere Kerle wie wir, ja Schwerenot, die wollen wir gel-
ten lassen, die wollen wir loben und abermals loben, die
trug Kunde von seiner Schönheit in alle Lande, indem
er die zahlreichen Zeichnungen schuf, die Karl Halden-
wang, Victor Texier und andere in Kupfer stachen.
Kurz darauf kam ein anderer Ausländer riacli Hei-
delberg, der gleichfalls von großer Bedeutung für das
Kunstleben wurae: Georg August Wallis, ein Schotte.
„Ein Blick in das romantische Thal hieß ihn weilen in
dieser noch von keinem Mahler mit solchem Sinne
aufgefaßten Gegend.“ Mit seinen Heidelberger Gemäl-
den sclmf Wallis wieder repräsentative Werke und übte
auf die heranwachsenden Maler großen Einfluß aus. Der
Krappfabrikant Christian Adam Fries erwarb fiir seine
schöne Gemäldesammlung, die auch Goethe besuchte,
einige seiner Landschaften und vermitteite so ihr Studi-
um allen Kunstfreudigen, nicht zum mindesten seinen
drei Söhnen, von denen der begabte Ernst so berühmt
werden sollte.
Unendlich vielen hat damals Heidelberg in seinem
unerschöpflichen Reichtum gegeben. In jener gärenden
Zeit voll banger Fragen und quälender Sorgen, da noch
immer die Eremdherrschaft auf Deutschland lastete,
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J. A. Günther, keine besseren Bilder von Heidelberg zu
finden: „Die Gegend ist gemacht, Landschaften zu bil-
den, wie je eine Schweizer Gegend es seyn kann.“ Der
Senator kannte allerdings Stengels „Environs de Hei-
delberg“ nicht, diese hübschen Blätter, die doch mehr
als Veduten bieten. Welche Freude hätte er an den
„wallonischen“ Ansichten des Georg Primavesi gehabt,
der auch einen ästhetischen Eindruck hervorrufen und
nicht nur alles, auch das Unbekannteste, wahrheits-
getreu wiedergeben wollte. Primavesi trat in nahen
Verkehr mit dem Architekten Speetli und dem Lehrer
für Architektur Thomas Allfried Leger. Zu ihnen ge-
sellte sich der Maler Johann Jakob Strüdt, der in Basel
studiert und die Wunder der Alpenwelt kennen gelernt
hatte, aber trotzdem die liebliche Odenwaldlandschaft
verdienen, daß Fürsten und Kaiser, daß alle Nationen
kommen und ihnen huldigen.“
Als Restauratoren leisteten den Brüdern Boisseree
vortreffliche Dienste der kleine verwachsene Maler
( hristian Koester, ein geistreicher und witziger Pfäl-
zer, der sicli nicht mehr von Heidelberg trennen konnte,
und sein Schwager Jakob Sclüesinger, aer nachmals in
Berlin wirkte.
In dem gleichen Jahre 1810 ließ sich der Emigrant
Karl — später Graf — von Graimberg in Heidelberg nie-
der. Ueberwältigt von der Großartigkeit des Schlosses,
empört über das Unheil, das einst seine Landsleute über
die Pfalz gebracht hatten, entschloß er sich, der schick-
salskundigen Burg seine Arbeit und sein Vermögen zu
widmen. Er machte sich zum Wächter des Schlosses
und trat unnachsichtlich allen Zerstörern entgegen. Er
Carl Fohr
Jllyrische
Landschaft
nicht verschmähte. Er erfaßte das Landschaftsbild als
Ganzes; er malte das Schloß vom AVolfsbrunnenweg
aus und gab auch der Ebene ihr Recht. Schweizer, wie
Billweller und Piepenhagen folgten Strüdt nach. So
bildete sicli ein Künstlerkreis, der sich unabhängig hielt
von dem, der sich um den Zeichenlehrer der Universität
gruppierte.
Zu den Anregungen, die der genius loci allen gab,
die Augen hatten zu sehen, kamen nocii diejenigen,
welche aus dem Borne alter deutscher Kunst flossen.
Im Jalire 1810 brachten die Brüder Sulpiz und Melchior
Boisseree die herrlichen alten Meister nach Heiaelberg,
und bald wurde das Sickingen’sche Haus, das zum
Schlosse heraufgrüßt, eine Wallfahrtsstätte für Künst-
ler und Gelehrte, für Staatsmänner und Monarchen.
Welch ein Freudentag, als Goethe eintraf und mit größ-
tem Genusse die Werke eines Dürer, Memling, „van
Eyck“ studierte. „Ach Kinder, was sind wir dumm,
was sind wir dumm! Wir bilden uns ein, unsere Groß-
mutter sey niclit aucli schön gewesen. Das waren an-
dere Kerle wie wir, ja Schwerenot, die wollen wir gel-
ten lassen, die wollen wir loben und abermals loben, die
trug Kunde von seiner Schönheit in alle Lande, indem
er die zahlreichen Zeichnungen schuf, die Karl Halden-
wang, Victor Texier und andere in Kupfer stachen.
Kurz darauf kam ein anderer Ausländer riacli Hei-
delberg, der gleichfalls von großer Bedeutung für das
Kunstleben wurae: Georg August Wallis, ein Schotte.
„Ein Blick in das romantische Thal hieß ihn weilen in
dieser noch von keinem Mahler mit solchem Sinne
aufgefaßten Gegend.“ Mit seinen Heidelberger Gemäl-
den sclmf Wallis wieder repräsentative Werke und übte
auf die heranwachsenden Maler großen Einfluß aus. Der
Krappfabrikant Christian Adam Fries erwarb fiir seine
schöne Gemäldesammlung, die auch Goethe besuchte,
einige seiner Landschaften und vermitteite so ihr Studi-
um allen Kunstfreudigen, nicht zum mindesten seinen
drei Söhnen, von denen der begabte Ernst so berühmt
werden sollte.
Unendlich vielen hat damals Heidelberg in seinem
unerschöpflichen Reichtum gegeben. In jener gärenden
Zeit voll banger Fragen und quälender Sorgen, da noch
immer die Eremdherrschaft auf Deutschland lastete,
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