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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1./2. Septemberheft
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Cartellieri, Otto: Carl Fohr: Ausstellung im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0030

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„ritterlich schwarzen Recken“, mit einem Pagen-
stecher, einem Follen. Während Follen, der „Siegfried
der modernen Nibelungen“ trefflich übersetzte Schriften
aus Tassos Befreitem Jerusalem vorlas, zeichnete Fohr
eifrig mit der Rabenfeder. Landschaftliche Skizzen und
Porträts lustiger Musensöhne zeugen von diesen frohen
Tagen (N. 93: Scene aus Tasso).

Doch nicht lange litt es Fohr im elteriichen Flause:
die Sehnsucht nach der Ewigen Roma brannte zu heiß
in der Seele des leicht Erregbaren, auch er wollte ein
Römischer Künstler Dentscher Nation werden. Gerade
Heidelberg, die Stadt, die wie eine Vorbotin südlicher
Pracht italisch blauen Himmel herbeizaubern kann,
inochte die Sehnsucht immer wieder entfachen. Aber
woher die Mittel nelnnen! Aus aller Not und Pein half
wiederum die hochherzige badische Fürstentochter.
Welch ein Jubel, als das Reisegeld auf dem Tische lag!
„Da, was er gedacht, ebenso leicht auf dem Papier stand,
so entwarf er auch eines Tages ein Bild, wie er in deut-
scher Kleidung, das Ränzchen auf dem Rücken und den
Reisestock in der Hand, dahinwandelt; neben ihm läuft
ein großer Hünd, als Beschützer auf dem gefährlichen
Wege, und als Retter in der Notli.“ (Katalog Nr. 48.)

Wie rasch es dem freundlichen und liebenswürdi-
gen Jüngling gelang, auch in Rom Wurzel zu fassen,
zeigen die vorzüglichen Studien für ein großes Gemäide,
das die Gäste des Cafe Greco darstellen sollte: ganz
glänzende Charakterköpfe eines Overbeck und Gorne-
lius, eines Schadow und Veit, eines Rückert und Horny,
eines Kobell (s. Abb.) und Heger (Abb.) lebendig er-
faßt, scharf gesehen, korrekt und edel wiedergegeben.

Auch eine Reihe von Landschaften legen von sei-
ner erstaunlichen Reife Zeugnis ab. Wie großartig ist
das Heidelberger Schloß zwischen Edelkastanien ein-
gebettet (Abb.). IJie illyrische Berglandschaft, aie an
die große Studienreise erinnert, führt eine mächtige,
eindrucksvolle Sprache: in der Ferne winki stoiz ein
Bergschloß; schwer hängen die Wolken am Himmel;
schroffe Felsen im Vordergrunde; die sturmgepeitsch-
ten Bäume wissen von Unwetter und Not zu erzählen;
gelassen ziehen die unvermeidliclien Inglesi ihren Weg
(Abb.). Welcli fahie Gewitterstimmung lastet auf San
Benedetto bei Subiaco! Schwärmerisch bewegt zieht
die Prozession auf den Friedhof in Salzburg! Die alten
deutsciien Sagen feiern unter dem südlichen Himmel

ihre Wiederauferstehung, der wilde Jäger, die schöne
Melusine, der Zauberring (Abb.), von dem er bei Tieck
gelesen hatte. Auch in der Oelmalerei wollte es Fohr
weiter bringen: die große romantische ideale Land-
schaft mit reicher Staffage weist erhebliche Fortschritte
auf. Wenn auch Fels und Stein noch nicht leben, wie
schön sind die Figuren, die ihm früher Ruhl malen
mußte, in die Landschaft gestellt; welche Stimmung
liegt auf dem Ganzen, wie leuchten die Berge in dufti-
ger Ferne!

Rastlos ging das Schaffen weiter, immer reicher
entwickelte sicli die Blüte. Alles schien sich zum Besten
anzulassen. Der bayerische Kronprinz fand an dem
frischen Jüngling in der teutschen Tracht Wohlgefallen;
Niebuhr wandte ilnn sein Interesse zu. Auch die Geld-
sorgen, die immer wieder drohend auftauchten, ver-
schwanden rechtzeitig im letzten Augenblick: die Erb-
prinzessin bewies sich von neuem als verständnisvolle
und gütige Gönnerin, Passavant und Frau v. Humboldt
gaben gutbezahlte Aufträge. Neue itaiienische Pläne
beschäftigten Fohr: er wünschte auch in Florenz länger
zu arbeiten, er wünschte, auch Neapel und Sizilien,
Ischia und Capri kennen zu lernen. Alle Schwierigkei-
ten wurden aus dem Wege geräumt, frohlockend be-
richtete sein Glück am 26. Juni 1818 Fohr den Eltern:
drei Tage danach entriss ihn ein unerbittlich hartes
Schicksal dem Leben.

Am Abend des St. Peterfestes verließ Fohr seine
Wohnung. Ein Bad im Tiber sollte nacli des Tages
Hitze ihrti Erquickung bringen. Fohr wagt sich zu-
weit vor, kämpft verzweifelt mit dem Strom, vergeb-
licli versuchen ihn die Freunde zu retten, Fohr wird
fortgerissen und geht unter.

Als die Freunde trostlos in Fohrs Wohnung
kamen, fanden sie auf der Staffel eine unvollendete
Zeichnung: die Nixen suchen, Hagen in die Wellen zu
ziehen!

Tief bewegt, mit vollem Verständnis für den uner-
setzlichen Verlust rief Rückert dem treuen und lieben
Gefährten nach:

Sei Du mir genannt mit Wehmut —

Fohr, Du schönes Jugendbild,

Das zu früh der Kunst, zu früh uns
In der Tiber unterging.

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