Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 7./8.1925/26
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0034
DOI issue:
1./2. Septemberheft
DOI article:Rave, Paul Ortwin: Neue Erwerbungen der National-Galerie, [3]
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0034
teten, aber wie bei Kurzsichtigen leicht vorbeisehenden
Augen den Ausdruck eines lieben Wesens, dem es, bei
aller Zurückhaltung und Einfa.lt, an einer inneren Le-
bendigkeit nicht mangeit, Die Farbe des Gesichtes hält
die Mitte zwischen jugendiicher Bleichsüchtigkeit und
mädchenhafter Fr'ische, auf die der olfvgrüne Hinter-
grund des Bildes abgestimmt ist, und die durcli das tiefe
Braun von Haar und Kleid noch gehoben wird.
Ebenso sicher und bestimmt im Physiognomischen
ist ein Gruppenbildnis aus dem gleichen Jahr, das der
Kinder Paul, Maria und Filomena von Putzer (Abb. 2).
Es ist eine kleine, freundliche Szene, die sich da vor
einer bergigen Landschaft abspielt: dem kleinen, auf
einem Stuhl sitzenden Schwesterchen hat man eine
Köpfen beobachtet und unmittelbar begrifien hat, um
dann erst als zweites den Aufbau der Gruppe und ihre
Farbgebung zu bestimrnen. in der Farbe hat Wasmann
das Bild lebhaft und kräftig gehalten und sicherlich
auch, vielleicht nach Notizen. im Bilde gesteigert, wie es
ihm zu dem Ausdruck der Gesichter gut schien: das
heitere Weiß im Kleiae der Kleinsten und das Ge'ib an
Schuh und Stuhl steht zu einern leuchtenden Rot in der
Sclrwester Kleid; des jungen graue Flose zu dern Blau
des putzigen karrierten Fräckchens, aus dem die kar-
minrote Weste hervorleuchtet. Der Künstler hat das
Matte und Zurückhaltende des älteren Mädchens durcli
das Rot ins Wärmere und Lebhaftere gehoben, die
Lustigkeit des Kleinen durch das helle Weiß mit der
Abb. 2. Friedrich Wasmann, Paul, Maria und Filomena von Putzer, 1840
Traube von der ins Bild hineinragenden Rebenlaube ge-
pflückt. Eine Beere reicht es dem vor ihm stehenden
Bruder, der, etwa zwölfjährig, zwischen beiden Mäd-
chen steht und das größere an die Hand fassend nahe
zu sich gezogen hat. Der Junge, schon knabenlraft stolz
mit dem Bewußtsein des Erstgeborenen, versucht mit
einer freundlichen und doch ernsten Miene sich gut zu
halten und blickt dem Maier fest ins Auge, wolrl wis-
send, daß er gemalt wircl. Auffallend ist das kurze ge-
schweifte Näschen und die dafür lange häschenhafte
Oberlippe, die er übrigens mit den Mädchen gemein hat.
Diese sind weniger gestellt, erscheinen mehr vom Maler
gelegentlich belauscht und beobachtet. Das ältere etwas
verträumt und nicht ganz bei der Sache, das kleine
frisch und keck, unbekürnmert und nicht beeinträchtigt
in seiner Lebhaftigkeit. So erscheint jedes Kind von
seiner wesentlichen und echtesten Seite erfaßt, die Was-
mann sicher vorher in genauen Zeichenstudien nach den
sattblauen Traube im Schoß gesteigert, die Besonnen-
heit des an und für sich nicht kiugen Jungen durch das
kühle Grau und Blau geistiger gemachi. Diese lebhaft
gegeneinander klingenden Begleitfarben zu den Charak-
teren stehen vor dem gedämpft. aber innerlich schwin-
genden grün- und bläulichen Hintergrund von Berg und
Himmel.
Noch zwei kleinere Bilaer seien erwähnt. Einmal
das einer Frau von etwa vierzig jahren, wohl aus dem
Handwerkerstand, deren bescheidend glücklicher Aus-
druck sich die Wage hält mit einer gewissen Ermüdung,
die ihr das Leben gebracht hat. Dhid das einer be-
häbigen, dabei quicken Biirgersfrau mit der im Hinter-
grund sichtbar werdenden Turmgruppe der Burg zu
Nürnberg, gemalt laut Bezeichnung 1843. Vielleicht ist
es die Gattin des Nürnberger Baumeisters Gramer,
dessen Wasmann öfters am Schluß seines Buches Er-
wähnung tut.
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Augen den Ausdruck eines lieben Wesens, dem es, bei
aller Zurückhaltung und Einfa.lt, an einer inneren Le-
bendigkeit nicht mangeit, Die Farbe des Gesichtes hält
die Mitte zwischen jugendiicher Bleichsüchtigkeit und
mädchenhafter Fr'ische, auf die der olfvgrüne Hinter-
grund des Bildes abgestimmt ist, und die durcli das tiefe
Braun von Haar und Kleid noch gehoben wird.
Ebenso sicher und bestimmt im Physiognomischen
ist ein Gruppenbildnis aus dem gleichen Jahr, das der
Kinder Paul, Maria und Filomena von Putzer (Abb. 2).
Es ist eine kleine, freundliche Szene, die sich da vor
einer bergigen Landschaft abspielt: dem kleinen, auf
einem Stuhl sitzenden Schwesterchen hat man eine
Köpfen beobachtet und unmittelbar begrifien hat, um
dann erst als zweites den Aufbau der Gruppe und ihre
Farbgebung zu bestimrnen. in der Farbe hat Wasmann
das Bild lebhaft und kräftig gehalten und sicherlich
auch, vielleicht nach Notizen. im Bilde gesteigert, wie es
ihm zu dem Ausdruck der Gesichter gut schien: das
heitere Weiß im Kleiae der Kleinsten und das Ge'ib an
Schuh und Stuhl steht zu einern leuchtenden Rot in der
Sclrwester Kleid; des jungen graue Flose zu dern Blau
des putzigen karrierten Fräckchens, aus dem die kar-
minrote Weste hervorleuchtet. Der Künstler hat das
Matte und Zurückhaltende des älteren Mädchens durcli
das Rot ins Wärmere und Lebhaftere gehoben, die
Lustigkeit des Kleinen durch das helle Weiß mit der
Abb. 2. Friedrich Wasmann, Paul, Maria und Filomena von Putzer, 1840
Traube von der ins Bild hineinragenden Rebenlaube ge-
pflückt. Eine Beere reicht es dem vor ihm stehenden
Bruder, der, etwa zwölfjährig, zwischen beiden Mäd-
chen steht und das größere an die Hand fassend nahe
zu sich gezogen hat. Der Junge, schon knabenlraft stolz
mit dem Bewußtsein des Erstgeborenen, versucht mit
einer freundlichen und doch ernsten Miene sich gut zu
halten und blickt dem Maier fest ins Auge, wolrl wis-
send, daß er gemalt wircl. Auffallend ist das kurze ge-
schweifte Näschen und die dafür lange häschenhafte
Oberlippe, die er übrigens mit den Mädchen gemein hat.
Diese sind weniger gestellt, erscheinen mehr vom Maler
gelegentlich belauscht und beobachtet. Das ältere etwas
verträumt und nicht ganz bei der Sache, das kleine
frisch und keck, unbekürnmert und nicht beeinträchtigt
in seiner Lebhaftigkeit. So erscheint jedes Kind von
seiner wesentlichen und echtesten Seite erfaßt, die Was-
mann sicher vorher in genauen Zeichenstudien nach den
sattblauen Traube im Schoß gesteigert, die Besonnen-
heit des an und für sich nicht kiugen Jungen durch das
kühle Grau und Blau geistiger gemachi. Diese lebhaft
gegeneinander klingenden Begleitfarben zu den Charak-
teren stehen vor dem gedämpft. aber innerlich schwin-
genden grün- und bläulichen Hintergrund von Berg und
Himmel.
Noch zwei kleinere Bilaer seien erwähnt. Einmal
das einer Frau von etwa vierzig jahren, wohl aus dem
Handwerkerstand, deren bescheidend glücklicher Aus-
druck sich die Wage hält mit einer gewissen Ermüdung,
die ihr das Leben gebracht hat. Dhid das einer be-
häbigen, dabei quicken Biirgersfrau mit der im Hinter-
grund sichtbar werdenden Turmgruppe der Burg zu
Nürnberg, gemalt laut Bezeichnung 1843. Vielleicht ist
es die Gattin des Nürnberger Baumeisters Gramer,
dessen Wasmann öfters am Schluß seines Buches Er-
wähnung tut.
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