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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1./2. Septemberheft
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Rave, Paul Ortwin: Neue Erwerbungen der National-Galerie, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0035

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Von der Hamburger Gattin Wasmanns besitzt die
Nationalgalerie zwar kein Oelbild, dafür aber eine um
so feinere Zeichnung', bezeichnet Wasmann f. Ham-
burg 7/46, also aus dem Sonuuer des ersten Ehejahres.
(Abb, 3.) Dieses Blatt bildet mit zwei Dutzend anderen
von Wasmanns Hand eine der erfreulichsten Erwer-
bungen in der Sammlung der Handzeichnungen. Sie
kommen, wenn auch auf Umwegen, aus Bernt Grön-
volds Besitz. Wir können nur wenige Proben abbilden,
leider, da fast alle es verdienten. Außer dem liebevoll
durchgeführten Brustbildnis der jungen Frau, die aus
schönen Augen mit stiller Iluldigung zu dem Maler hin-
blickt, bürgerlich schlicht gekleidet und frisiert, briugen
wir nur noch zwei Köpfe aus einer früheren Zeit seiner
Tätigkeit: einen Männerkopf mit langem Haar und der

Abb. 3. Friedrich Wasmann, Gattin des Künstlers 1846, 2/X20

Unterschrifi Martin Czerwenka und einen Mädchenkopf,
wohl eine Römerin (Abb. 4 und 5). Beidemal strenges
Profil, wobei der meiste Ausdruck in die eine Umrißlinie
gelegt ist, wie überhaupt bei Wasmann oft der größte
künstlersche Gehalt in der treffsicheren Wahl des Kon-
turs beschlossen liegt. Männliches und weibliches
Wesen ist hier mit einer seltenen Eindeutigkeit und Be-
stimmtheit erfaßt und geprägt. Wie der Czerwenka
den Kopf hält, mit prüfendem Blick gradaus sieht, hohe
Stirn zerarbelet, stumpfe Nase mit leichter Doppel-
schwingung, Jochbein markant, Uutergesicht entschlos-
sen fast etwas derb, die Haare nicht besonders ordent-
lich und an der Stirn zrückgestrichen, sehniger Hals mit
starkem Adamsapfel in kragenlosem Hemd, der ein
wenig gebeugte Nacken in einem soliden ärmellosen
Kittel; dagegen die Italienerin mit nur eben angedeu-
tetem Mieder, die Haare wolil geordnet, mit verziertem
Kamm besteckt und im Nacken kunstvoll in Zöpfen auf-
gebunden, Kopf und Blick gesenkt, mit klarer, nicht
hoher Stirn, mit gradem, eher spitzen als stumpfen

Näschen, mit kleinem reizenden Mund, das Kinn in
schöner voller Kurve geründet und in die Halslinie
hineinlaufend — das sind jedesmal die äußeren Formen,
mit denen Wasmann in wenigen Strichen die Bildnisse

Abb. 4. Friedrich Wasmann, Bildnis Martin Czerwenka, 23X19

festhielt. Darum besonders bemerkenswert, weil es
offenbar einfache Leute aus dein V’olk sind, die damals
noch allenthalben mehr von tieferer Wesenheit besaßen,

Abb. 5. Kopf einer Italienerin, 21X16

als heute die Masse der Gebildeten. Und so diirfen wir
hier einen Satz wiederholen aus einer Besprechung, die
der rheinische Dichter George der ersten Auflage der
Wasmannschen Lebensbeschreibung vor fast drcißig
Jahren gewidmet hat: ,,Manche dieser bildnisse sind

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