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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1./2. Novemberheft
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Moderne Bilder auf dem Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0127

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blicklich mit cler Ablesung: der Gelenke und Muskein
das gefühlsmäßige Ueberzeugtsein von der festen Bo-
denständigkeit dieser Figur. Auch die Formung des
Gewandes als ein zusammengenommenes Bündei ent-
spricht solch tiefem Einblick in das Wesen der Plastik
und ihres Materials, wenn auch gerade liier nocli meh-
rere andere Gründe mit im Spiele sind.

Die statuarische Ruhe und die Reliefmäßigkeit der
Komposition entspricht bildhauerischen Erkenntnissen,
denen seit dem 19. Jahrhundert ein Adolf von Flilde-
brand mit vollem Erfolge wieder Geltung verschafft
hat. Zur Erreichung dieser Ruhe war es vorteilhaft,
nicht den Ptöhepunkt der einschlägigen Episode aus der
Christophoruslegende für die plastische Darstellung zu
wählen, auch nicht die Peripetie im dramatischen Erleb-
nis, sondern vielmehr die jenen Augenblicken kurz vor-
hergehende Zeitspanne. Sie gerade ist für eine Bild-
hauerschöpfung sehr angemessen und bei der psycholo-
gischen Eindringlichkeit Hinckeldeys doch auch gar
selir voller Spannung. Aechzende Bedrücktheit knickt
den Riesen, knickt diese stählernen Gelenke. Wuch-
tende Gedankenfülle göttlichen Geistes ist wie ein Qua-
der zu verspüren auf den Schultern des Menschen. Was
geschieht? Statuarische Ruhe beharrt! Beharrt fels-
gesteinfest innerhalb der flüchtigen Beweglichkeit alles
Lebendigen. Formen prangen, Linien schwingen und
brechen sich nach harmonischen Gesetzen, der Men-
schenleib, unser aller vielgestaltige, ruhlose JKülls, ist
Monument, ist Bleibendes geworden. — Ghristophorus
war ein suchender Mensch. Hier trägt er und ringt mit
vollem Kraftgebot. Aber im Kinde der waltende Geist,
die Aliweisheit, verharrt in sinnendem Warten.
St. Christophs Stab, ein gewaltiger Strunk, mag sich
wohl biegen, doch die hinansciwingenden Kurven sei-
ner Strukturlinien reißen mit knospender Kraft ernpor,
was zu wanken drolit. Der übermenschlich belastete
Rücken krümmt sich wieder aus der aufrechten Linie
menschlichen Wuchses, aber das Gewand spannt ihn
doch mit Stahlfederkraft. Das Gottesknäblein, es sinnt.
Vergißt es Einhalt zu tun in der Belastungsprobe?
Hinckeldeys Künstlertum weiß klar zu formen! Des
Knäbleins Fuß zuckt, aufmerksamen Augen deutlich,
schon jenem Moment entgegen, in dein es dem Suchen-
den künden wird: „Siehe, ich bin Ghristus, dein König.“

Doch wichtig, zu betonen, daß Hinckeldey diesen Hin-
weis auf die Lösung mit sorgfäitigster Feinheit bewerk-
stelligt hat. In solchen Zügen offenbart sich der voll-
bewußt plastisch schaffende Künstler. Denn — Aiexan-
der Heilmeyer hat es einmal gesagt —: Der Marrnor
plaudert nicht. —

Ernst Paul Hinckeldey ist geboren am 12. April
1893 zu Arnstadt in Thüringen. Schon als Kind besuchte
er zu Berlin die Kunstschule in der Klosterstraße. Nacli
vierjähriger praktischer Arbeit und zweijährigem Be-
suclie der Kunstgewerbeschule wurde er Meisterschüler
in der Akademie der Künste. Dort erwarb er sich den
Michael Beer-Preis und den großen Staatspreis für
Bildhauerei. 1920 zog sich der Künstler nach Rothen-
burg ob der Tauber zurück, um eine Zeitlang ungestör-
ter den Blick nach innen richten zu können. Er hat
schon mehrfach ausgestellt. Im Münchener Giaspalast
1924 sah man von ihm, im Rahmen der (alten) Sezes-
sion, eine Samaritergruppe (abgebiidet im Katalog der
Ausstellung), den Christophorus, ein zweifiguriges Re-
lief „Heimkehr“, einen „verlorenen Sohn“, einen „Ge-
fesselten“ (Sebastian-Motiv) und zwei Porträtbüsten.
Dazu kamen noch kleine Skizzen zu einigen der genann-
ten Werke.

Alle diese Schöpfungen zeichnen sich aus durch
eine eingehende Kenntnis der plastischen Anatomie und
des Umfanges ihrer künstlerischen Anwendbarkeit,
sowie durch ein selbständig nach Stil strebende Ver-
wendung des Kostümes. Der innere Gelialt der Werke
erwächst in gleicher Weise aus dem Ausdruck der
Köpfe wie aus der jeweiligen Formung der Gestalt, der
Gruppe oder der Bildnisbüste. Der ominösen Neugotik
stelit Hinckeldey so ferne, als er echtem, den Charakter
betonenden Deutschtum nahe ist. Die Echtheit seiner
Empfindung ist offenbar. Seine Weltanschauung deckt
sich mit dem Stil seiner Hervorbringungen. So bleibt
nur zu wünschen, daß dem Künstler, der die oben ge-
nannten Werke größtenteils nur in Gips ausstellen
konnte, reichlich Gelegenheit geboten werde, im wört-
lichsten Sinne ein Bild-Hauer zu sein. Nacli seinem
künstlerischen Können ist er es. Und die Ernsthaftig-
keit seines Wesens bürgt fiir rastloses Steigen. Wo-
hin? Excelsior. Aus welcher Gesinnung heraus? Ex
arte. c . '? ''

Monogrammist HWQ
deutsch, Mitte 16. Jahrh.
Die Landschaft mit dem
Evangelisten Johannes

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C. Q. Boerner
in

Leipzig

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