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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1/2. Februarheft
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Bülow, Joachim von: Bildnis-Zeichnungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0269

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ten Zeichners stammt, zur Richtigkeit der horm aucli
noch den Inhalt fügt.

Die Verbindung, die zwischen dem Zeichner und
dem Abzubildenden besteht muß noch so weitläufig
sein. Irgendwie spiegelt sich der Geist des Daigc-
stellten während der Augeublicke, indem die Zcichnung
entsteht, auf dem Bilde ab.

Nachdem heute die künstlerische Photogiaphic
einen Höhepunkt erreicht hat, der kaum noch über-
schritten werden kann, darf man wohl zu dem ab-
schließendem Urteil gelangen, daß sie nie und nimmer
jene für das Entstehen eines wirklichen Kunstwerkes
notwendigen geistigen Bedingungen erfüllen wird. Der
Zeitpunkt dürfte nicht fern sein, in der sich der wirk-
lich geschmackvolle Mensch nicht mehr vor die Ca-
mera setzt, wenn er ein Bild von sicli zur W iedergabe
an seine Freunde besitzen will.

In früheren glücklicheren Zeiten, als die Photo-
graphie die Welt noch nicht beherrschte, war der
Wunsch sein Antlitz für andere zu vervielfältigen, nicht
geringer. Man griff zu allen erdenklichen Elilfsmitteln.
Die Silhouette in allen ihren Abarten ist ein Beweis
dafür, daß es möglich war und ist, mit billigsten Mitteln
eine Aehnlichkeit zu treffen und ein kleines Kunstwerk
herzustellen, das noch heute, seibst da, wo mau den
Dargestellten nicht mehr kennt, ja nicht einmal seinen
Namen weiß, noch durch reizvolle Form erfreut und
einen guten Wandschmuck bildet. Wer kann das wohl
von den heutigen Photographien mit ganz wenig Aus-
nahmen behaupten? Diese einfachste Form der kiinst-
lerischen Bildnisgestaltung hat sich heute wieder eine
gewissen Volkstümlichkeit errungen. Aber sie befrie-
digt schließlich nicht alle und jeden, und darum muß der
Künstler, der den Kampf rnit der Photographie auf-
nehmen will, zu anderen Mitteln greifen.

Das Nächstliegende ist die Herstellung einer ein-
fachen Schwarzweißzeichnung. Dazu müßte von recht-
wegen ein jeder zeichnerisch durchgebildeter Künstler
in der Fage sein. Sie kann aucli für ein bescheidenes
Honorar geliefert werden, wobei es dann dem Besteller
unbenommen ist, sich auf photographischem Wege die
Menge an Wiederholungen herstellen zu lassen, die ihm
beliebt. Für ein Cliche und den Druck eines solchen
sind keinesfalls die Kosten so hoch, wie für die gleiche
Anzahl von photographischen Kopien, ja, sowie man an
eine größere Zahl von Abdrucken denkt, ergibt sich
für das einzelne Bild ein Betrag, der in Pfennigen aus-
gedrückt werden kann.

Wenn auch solche gedruckten Bilder von einwand
freier Reproduktionsart sind, so stehen sie docli nicht
auf der Hölie der vom Künstler selbst hergestellten,
Reproduktion, der Graphik. Hier bieten sich alle er-
denklichen Techniken und sie haben bereits früher, ehe
die Photographie kam, dazu gedient, künstlerische
Bildnisse in größerer Zahl herzustellen. Die vornehmste.
allerdings auch kostspieligste Art bleibt der Kupfer-
stich. Sei es als kalte Nadel, sei es für Schabblatt oder
als Aetzung. Noch lieute haben die aus früheren Jahi-
hunderten stammenden, auf Kupfer hergestellten Por-
träts ihren vollen künstlerischen Wert behalten. Sie
sind für den Sammler gleich bedeutungsvoll wie für den
Kunstfreund, der mit diesen seine Wände schmückt. Als
die Fithographie erfunden wurde, löste sie schnell den
Kupferstich ab, und kurz vor der Erfindung der Fitho-
graphie, und bis zu dem Zeitpunkt, wo die ersten wirk-
lch brauchbaren Lichtbilder hergestellt wurden, war
die Steinzeichnung eines von Künstlern und geschickten
Handwerkern gleichmäßig stark verwendetes Mittel,
um Bildnisse in größerer Anzahl herzustellen.

Daß aucli Holzschnitte, wo sich ein wirklich ge-
schickter Künstler des Messers zu bedienen wußte, als
Bildnismittel in Betracht kamen, ist selbstverständiich.

Heute, wo die Photographie beginnt uns zu ver-
drießen, wo sie langweilig wird, muß eine Bewegung
einsetzen, die dem künstlerischen Bildnis in schwarz-
weiß mit dem Zwecke der häufigen Wiederholung die
Wege bahnt. Eine solche Bewegung kann niclit vom
Künstler ausgehen, denn dieser ist ja stets bereit, wenn
seine Fähigkeiten es überhaupt zulassen, Aufträge auf
Porträtzeichnung und Porträtgraphik entgegen zu
nehrüen. Der Wunsch hiernach muß vom Publikum
ausgehen, uncl es erscheint mit die Pfiicht wahrer
Kunstfreunde zunächst in ihren eigenen kleinen Be-
darfskreise künstlerische Bildnisse herstellen zu lassen,
und dann mit diesen und mit Worten für die Aus-
breitung des Wunsches nach solchen Bildnissen zu
sorgen. Auch die Pflicht der anderen kunstfördernden
Stellen ist es, hier einzugreifen mit Rat und T'at, denn
bei dem völligen Darniederliegen des Kunstmarktes ist
hier ein Weg, wie eine große Zahl von Künstlern für
Bedarfszwecke schaffen und ihren Unterhalt finden
können, ohne daß dabei von dem hohen Lohn, den
künstlerische Leistungen sonst beanspruchen, die
Rede wäre, und ohne daß die Besteller solcher künstle-
rischen Bildnisse eine wesentlich höliere Ausgabe zu
machen hätten, als ihnen bei der Herstellung einer
künstlerischen Photographie abgefordert wird.

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