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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

DOI Heft:
1/2. Märzheft
DOI Artikel:
Röttger, Bernhard Hermann: Zwei wiedergefundene Landschaften von Gottlieb Giese
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0307

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Jiet?mann Röttget’

| ie beiden hiermit zur Veröffentlichung gelangenden
Bilder Gieses, die sich gegenwärtig im Besitze des
„Studio für Architektur und Innendekoration“ am Karo-
linenplatz in München befinden, bieten eine erste Gele-
genheit, deutlichere Begriffe von der Wesensart des
Malers Giese zu gewinnen, der bisher fast nur als der
Restaurator einiger Greifswalder Kirchen und als Maler
von Gelegenheitsbildern bekannt war.

Christian Johann Gottlieb Giese wurde 1787 als
Sohn eines Goldschmieds in Greifswald geboren. Er
erfuhr seine erste Ausbildung bei dem dortigen Architek-
ten, Maler und Universitätszeichenlehrer Johann Gott-
fried Quistorp (1755—1835), in dessen Unterricht nach
der Sitte der Zeit kopiert und nach der Antike gezeichnet
wurde. (Vgl. Martin Klar, Joh. Gottfr. Quistorp und die
Kunst in Greifswäld, Greifswalder Dissertation 1911,
S. 38.) Höhere Kenntnisse und Gesichtspunkte in der
Malerei hat Giese sich wohl erst auf der Berliner Akade-
mie aneignen können. In deren Ausstellungsverzeich-
nissen von 1810 und 1812 wird er unter den Zöglingen
aufgeführt, während er in jenen von 1814 und 1818 unter
den „einheimischen und auswärtigen Künstlern“ zu fin-
den ist. Giese hat also um 1813, und somit etwa 26jährig,
die Berliner Akademie verlassen. Die Namen seiner
dortigen Lehrer sind noch nicht festgestellt worden. In
seiner Geburtsstadt war Giese dann als Architekt be-
schäftigt mit der Erbauung einer Polygonkapelle auf dem
alten Friedhofe (1821), mit dem Umbau der Nikolaikirche
(1824—1833), mit der Erneuerung des Altarraumes der
Marienkirche (1837) und sehr wahrscheinlich auch mit
der Errichtung von Wohnhäusern. Die erwähnten Arbei-
ten zeigen ihn unter dem Einfluß von Schinkels Auf-
fassung der Gotik.

Von Gieses malerischem Schaffen legten bisher nur
drei Bilder Zeugnis ab: Ein hl. Georg zu Pferd, den
Drachen durchbohrend, in Grisaillemanier ausgeführt
1824 an der Türe zum Betsaal des Georgspitals in Greifs-
wald, dann ein 1827 gemaltes Bildnis des Bürgermeisters
J. S. Meyer im Sitzungssaale des dortigen Rathauses,
schließlich die Kopie einer Ansicht von Greifswald aus
dem Jahre 1552, in der Universität aufbewahrt. Diese
wenigen Proben gaben natürlich keine rechte Vorstel-
lung und konnten nur ein lokales Interesse beanspruchen.

Mit den beiden hier veröffentlichten Bildern aber
rückt Giese nun in die Geschichte der romantischen Ma-
lerei ein, zunächst weniger deshalb, weil sie an sich gute
Arbeiten eines geschmackvollen und strebsamen Künst-
lers sind, sondern vor allem wegen der Beziehung des
einen Bildes zu einem ganz großen Meister jener Zeit,
nämlich zu Kaspar David Friedrich. An dessen „Kreuz
im Gebirge“ von 1808, im Besitze des Grafen von Thun
und Hohenstein in Tetschen a. d. Elbe, und an das „Kreuz
auf der Felsenspitze“ von 1810—1811 im Wiesbadener

Schloß darf in diesem Zusammenhange wohl am ersten
erinnert werden.

Es ist ein eigenartiger Zufall, daß die beiden wieder-
gefundenen Bilder Gieses gerade zu jenen drei bisher als
verschollen bezeichneten Werken dieses Künstlers ge-
hören, die Theodor Pyl in der Festschrift für H. Lemcke,
Stettin 1898, S. 200, ausführlich beschrieben hat. Ueber
die Winterlandschaft mit dem zugefrorenen Bache wird
dort folgendes ausgesagt:

Gottlieb Giese, Bergsclilucht, 1818.

Besitzer: Studio für Architektur und Innendekoration, Miinchen

„Auf dem . . . Bilde, im Querformat 4' breit, 3'
hoch, ist. . . eine Winterlandschaft dargestellt, beleuchtet
von rötlichen Strahlen der Morgensonne, deren Licht von
Schneewolken gedämpft wird. An der einen Seite führt
ein steiler Pfad zu einem Hügel empor, über welchen sich
ein Wegweiser erhebt, auf der entgegengesetzten An-
höhe liegt ein Bauernhaus, dessen Bewohner damit um-
gehen, einen Schlitten auf die Eisfläche eines unterhalb
desselben belegenen Teiches zu schieben.“

Diese Beschreibung stimmt zwar nicht ganz genau
mit unserem Bilde überein, doch dürften iiber die Identi-
tät kaum Zweifel bestehen, zumal auch die Maße: 103 cm
breit, 77 cm hoch, mit den offenbar nur beiläufigen
Größenangaben Pyls ungefähr übereinstimmen. Das auf

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