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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1/2. Maiheft
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Das Kunstgemeinschaftshaus: Äußerungen aus Künstlerkreisen
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0413

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tigen Verhältnisse — und Berlin sind recht unfreundliche
Gegner!

*

Professor Carl Langhammer:

Die Idee des Kunstgemeinschaftshauses, die hier
sicher aus einem warmen Herzen für die Künstlerschaft
heraus angeschnitten ist, erscheint mir leider in keiner
Weise geeignet, in der jetzigen Zeit die Notlage der bil-
denden Künstler irgendwie zu beheben. Der Grund die-
ser Notlage ist, daß der Teil des deutschen Volkes, für
den bildende Kunst entweder ein Herzensbedürfnis oder
ein Objekt kaufmännischer Erwägungen ist, zur Zeit
absolut kein Geld hat, um diesen Bedürfnissen zur Er-
füllung zu verhelfen. Besteht daher irgendwie die Mög-
lichkeit, die großen Summen aufzubringen, die ein so
großzügiger Plan erfordern würde, so kann man mit
diesen Summen der Not der Künstlerschaft viel besser
beikommen, wenn man dafür Kunstwerke erwirbt oder
in Auftrag gibt. Damit, daß man ein Dach schafft, unter
dem der ganze Jammer versammelt werden soll, wird
er nicht aus der Welt geschafft. Ein Irrtum ist es jeden-
falls anzunehmen, daß Berlin z. Zt. nicht Gelegenheit
genug bietet, Kunstwerke, seien es die Erzeugnisse der
durchgedrungenen oder solche der noch suchenden
Künstler, an das Publikum zu bringen. Ein flüchtiger
Ueberblick ergibt hier die Möglichkeit für 15 000 Werke
im Jahre. Es dürfte z. T. an diesen überreichen Mög-
lichkeiten liegen, daß die Kunst sich bei uns seit Jahren
immer mehr in die Breite entwickelt statt zu vertiefen.
Ob aber auch in dieser Beziehung die Versammlung
unter einem Dach eine Aenderung bringen würde, er-
scheint ebenso fraglich.

In keiner Weise soll aber bestritten werden, daß ein
Kunstgemeinschaftshaus der geplanten Art in Zeiten
wirtschaftlichen Aufschwunges und kultureller Blüte eine
sehr schöne Bereicherung der Stadt Berlin wäre. Jedoch
eine Voraussetzung müßte da vor allem geschaffen wer-
den, die z. Zt. in Berlin auch gar nicht vorhanden ist,
nämlich: eine wirkliche Kunstgemeinschaft der bilden-
den Künstler.



Otto Mitzberger:

Den Gedanken, ein Kunstgemeinschaftshaus zu
gründen, begrüße ich von ganzem Herzen. Das Bedürf-
nis, eine Verbindung mit Kunstverständigen und kunst-
liebenden Menschen und besonders auch mit Künstlern
untereinander zu bekommen, besteht schon seit langer
Zeit. Bis jetzt waren die Möglichkeiten sehr gering.
In eigenen Räumen Abendunterhaltungen und nebenbei
auch Kunstschau zu halten, und den Interessenten auf
die dort ausgestellten Kunstwerke aufmerksam zu
machen, halte ich für außerordentlich wichtig.

*

Otto Marcus:

Der Vorschlag des Herrn Margules geht aus von der
Betrachtung der augenblicklichen Notlage unter den bil-
denden Künstlern. Er schildert die Verhältnisse schwarz
und doch bleibt die schwärzeste Darstellung noch hinter

der Wirklichkeit zurück, wie sie der wirtschaftlichen
Vertretung der Künstler vor Augen tritt. Eine derartige
Notlage kann natürlich nicht von einem Punkt aus kuriert
werden, und so ist auch der Margules’sche Vorschlag
wohl nicht zu verstehen, er soll nur zu seinem Teil Lin-
derung schaffen, insofern ist er natürlich zu begrüßen
unter der Voraussetzung, daß die Mittel, die die Durch-
führung des Planes erfordern, nicht in anderer Weise
zweckmäßiger verwendet werden könnten. Diese Ein-
wendung, ein solches Bedenken liegt aber wohl nicht
vor, die nicht geringen Mittel, die für die Errichtung
eines Kunstgemeinschaftshauses aufgebracht werden
müssen, sollen durch Private hergegeben werden, öffent-
lielie Mittel werden nicht gefordert. Die Privaten, die
Herr Margules fiir seinen Plan gewinnen will, werden
aber ihre Mittel wohl nur für diesen hergeben, es ist
ihre Sache zu prüfen, ob die Anlage so wirtschaftlich
günstig ist, wie sie Herrn Margules erscheint, so daß die
Kiinstlerschaft nur dankbar zusehen kann, wenn hier ein
Unternehmen wächst, das Kunstgut in Umlauf bringt, die
persönliche Berührung der Künstler mit Kunstfreunden
erleichtert und weiter der Stadt Berlin ein sichtbares
Kennzeichen als Stätte künstlerischer Kultur gibt.

So betrachtet, wäre zu der Sache nicht viel mehr
zu sagen, und doch geben die Ausführungen von Mar-
gules Anlaß zu manchen ernsten Betrachtungen. Die
Notlage der deutschen Künstlerschaft hat doppelten
Charakter, wirtschaftlich gesehen war die deutsche
Künstlerschaft als Berufsstand schon lange vor dem
Kriege in einer latenten Notlage. Der Künstlerberuf war
im Durchschnitt wirtschaftlich genommen ein Zuschuß-
beruf wie der des Offiziers und höheren Beamten. Vor
dem Kriege waren diese Zuschüsse, die von der Familie,
von Mäzenen, von Staat und Gemeinden kamen, wohl
vorhanden, doch konnten sie das Manko nur ungenügend
decken. Dieser Zustand war die hauptsächlichste Ver-
anlassung zur Gründung der wirtschaftlichen Verbände.
Zu der latenten Notlage ist nach der kurzen Scheinblüte
der Inflation eine akute Notlage allerschlimmsten
Charakters hinzugetreten. Dies Uebel hängt zweifellos
mit der allgemeinen wirtschaftlichen Lage zusammen.
Eine Prognose bedeutet Stellungnahme zum Problem
der Gesamtwirtschaft, des Geldmarktes usw. Au die-
sem Pjnkt können also Sanierungsversuche von Künst-
lern, Kunstfreunden und Kunsthändlern nicht einsetzen,
aber da alles auf Sanierung der Wirtschaft drängt, so
brauchen Künstler und Kunstfreunde nicht Pessimisten
zu sein. Wir betrachten die akute Notlage als vorfiber-
gehende Erscheinung und lioffen bald den Silberstreifen
am Horizont zu sehen, bis dahin muß aber geholfen wer-
den, wenn nicht kostbarstes Kunstgut, d. h. nicht die
bereits geernteten, sondern die keimenden Werke ge-
rettet werden sollen. Sehr mit Recht weist Herr Margu-
les auf die Not der jüngeren Generation hin, die Not der
älteren hat mehr sozialen Charakter, die der jüngeren
gefährdet die Kunst selbst. Alles kommt darauf an,
Aufträge und Verkäufe fiir die Künstler zu beschaffen
und zwar so schnell wie möglich. Der Weg iiber das
Kunstgemeinschaftshaus ist für den, der dieses Ziel

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