iindet sich das Museum seiner Vaterstadt, die auc'h sonst
den verschiedeuen Ftissli vor und nach dem „Londoner“
viel Fühlung mit der Kunst verdankt, im Besitz einer
stattlichen Gruppe seiner Malereien und einer großen
Zahl seiner nicht minder interessanten Zeichnungen. Da
ist der erste jener Pole der Betrachtung, die das Kunst-
haus seiu nennt.
Die napoleonische Zeit hat Stadt und Landschaft
Zürich schwer mitgenommen. Die Not hat damals deu
so verheißungsvoll begonnenen Kunstbetrieb einge-
schränkt, nicht unterdrückt. Er mußte sicli duckeh,
Kleinformat annehmen, bis das Schlimmste verwunden
war. Da entstand die nervige Kriegsmalerei des durch
Gottfried Keller aller Welt vertrauten Salomon Lan-
do!t. Da der nicht zu unterschätzende, seelenvolle ro-
mantische Kram des Johann Martin Usteri. Da die
treue Sachlichkeit des zum Bewahrer altschweizc-
rischer Volksart gewordenen einstigen Bruders der er-
sten Nazarener, des Ludwig Vogel. Ueberall in diesen
Dingen verwahrt das Kunsthaus reiclie Scliätze, deren
Kunstwert darin besteht, daß sie den Funken persön-
lichen und heimischen Schaffens in die freiere Zeit hin-
über gerettet haben. Vogel z. B. hat vielen Künstlern
den Anstoß zu Malfahrten in die innere Schweiz ge-
geben und nebst Usteri die wichtige Fühlung mit dem
Mittelalter lebendig gehalten, olme die der Dichter, der
aus dem Maler Keller hervorging, nicht jene be-
rückende, geschmeidige Leichtigkeit der Einfühlung in
das Zürich Hadlaubs, des Narren auf Manegg, Hansli
Gyr’s, (Zwingli’s vertrauender Kriegsmann) könnte er-
reicht haben.
Kellers Liebe zum Mittelalter trägt einen feinen,
gütigen Zug der Ironie. Sein stärkster Anteil galt, in
den Jahren der Reife, der lebenden Kunst, zuerst Kol-
ler, dann dem Freunde dieses Freundes, Böcklin. Kol-
ler, der Zürcher, nimmt im Kunsthaus einen Raum und
einen Platz ein, der nicht sehr hinter dem zurück steht,
den der Dichter in der literarischen Galerie inne hat.
Noch ist er in Deutschland nicht gewürdigt, wie es ihm
zukommt, obgleich schon früh der Aesthetiker Vischer
für ihn eingetreten ist und obschon sein Ruf, der lange
Zeit unter den unzureichenden Erzeugnissen seiner Lei-
densjahre gelitten hat, durch die seit des Künstlers Tcd
in Umlauf gekommenen frühen Studien glänzend wie-
derhergestellt worden ist, Adolf Frey hat ihm eines
seiner vollkommenen Künstlerbücher gewidmet und
Kollers Bedeutung neben den großen Tiermalern seiner
Zeit mit sicherer Schlagkraft dargetan. Deutschland tut
gut, sich den Befund dieses gründlichen Kenners und
kongenialen Verstehers nic'ht nur des trefflichen Tier-
malers, sondern dazu noch der Böcklin und Hodler zu
merken, der zuverlässiger ist als leichtes Hosianna,
leichtsinniges Anathema Anderer. Basel ist und bleibt
in der Schweiz der Mittelpunkt des Böcklinsammelns
und -Studierens. Aber Zürich kommt ihm sehr nahe.
Sein Saal, seine Mappen mehren sich. Auserlesene
kleine Bildnisse, „Frühlings Erwachen“, „Venus Geni-
trix“, „der Krieg“, „die Gartenlaube“ sind und bleiben
da, dazu mehrere neue Gaben studienhaften Charakters,
und mit den Zeichnungen zusammen bilden sie einen
Hauptbestand des Gesamtwerks, neben Basel und
Berlin.
Böcklin verschwand nicht aus Zürich, als er nach
Kellers Tod die Stadt verließ, er hinterließ einen Erben
seiner Sendung: Albert Welti. Neuer Höhepunkt des
Museums. Unbedingter hier als die Vertretung Böck-
lins selbst, sowohl in den Gemälden, die eine ganze
Menge der eigentlichsten Herzenswerke des Künstlers
einschließen ,als in den Radierungen, worm lieute
schwerlich jemand mit dem Kunsthaus wetteifern kann.
Vergessen wir über den leuchtenden Fabulisten die
Realisten nicht! Nicht den einsamen Zünd, den hinge-
Anselm Faierbach, Selbstbildnis 18/8
gebenen Meister des mächtigen „Eichenwaldes“, eine
Art konzentrierten Eichendorffs, nicht Anker, von dem
einige feine Stücke zeugen, vor allem das eine, starke
malerische Reize aus der Materie des Bildes — Ofen-
grün und -Grau, Haarblond, Holzbraun — und aus der
Dichtigkeitsskala all der Stoffe ziehende, sie aber über-
legen einer höheren Harmonie unterstellende Gemälde
der „Schlafenden Kinder“. Anker ist wie Koller in
Deutschland bei weitem nicht seinem Rang gemäß be-
kannt, und viele deutsche Gäste des Kunsthauses wer-
den an ihm eine Quelle des Genusses finden, der zu-
gleich aus dem Born des innig und behutsam erlebten
Schweizer Volkstums uud aus der reinsten franzö-
sischen Form und Tonmalerei der Ingres und Gleyre
fließt. Markige Bilder besitzt die Sammlung auch von
dem Freund G. Kellers aus Solothurn und aus aller
Welt, dem Maler Franz Buchser; indesseu hat der Ruhe-
441
den verschiedeuen Ftissli vor und nach dem „Londoner“
viel Fühlung mit der Kunst verdankt, im Besitz einer
stattlichen Gruppe seiner Malereien und einer großen
Zahl seiner nicht minder interessanten Zeichnungen. Da
ist der erste jener Pole der Betrachtung, die das Kunst-
haus seiu nennt.
Die napoleonische Zeit hat Stadt und Landschaft
Zürich schwer mitgenommen. Die Not hat damals deu
so verheißungsvoll begonnenen Kunstbetrieb einge-
schränkt, nicht unterdrückt. Er mußte sicli duckeh,
Kleinformat annehmen, bis das Schlimmste verwunden
war. Da entstand die nervige Kriegsmalerei des durch
Gottfried Keller aller Welt vertrauten Salomon Lan-
do!t. Da der nicht zu unterschätzende, seelenvolle ro-
mantische Kram des Johann Martin Usteri. Da die
treue Sachlichkeit des zum Bewahrer altschweizc-
rischer Volksart gewordenen einstigen Bruders der er-
sten Nazarener, des Ludwig Vogel. Ueberall in diesen
Dingen verwahrt das Kunsthaus reiclie Scliätze, deren
Kunstwert darin besteht, daß sie den Funken persön-
lichen und heimischen Schaffens in die freiere Zeit hin-
über gerettet haben. Vogel z. B. hat vielen Künstlern
den Anstoß zu Malfahrten in die innere Schweiz ge-
geben und nebst Usteri die wichtige Fühlung mit dem
Mittelalter lebendig gehalten, olme die der Dichter, der
aus dem Maler Keller hervorging, nicht jene be-
rückende, geschmeidige Leichtigkeit der Einfühlung in
das Zürich Hadlaubs, des Narren auf Manegg, Hansli
Gyr’s, (Zwingli’s vertrauender Kriegsmann) könnte er-
reicht haben.
Kellers Liebe zum Mittelalter trägt einen feinen,
gütigen Zug der Ironie. Sein stärkster Anteil galt, in
den Jahren der Reife, der lebenden Kunst, zuerst Kol-
ler, dann dem Freunde dieses Freundes, Böcklin. Kol-
ler, der Zürcher, nimmt im Kunsthaus einen Raum und
einen Platz ein, der nicht sehr hinter dem zurück steht,
den der Dichter in der literarischen Galerie inne hat.
Noch ist er in Deutschland nicht gewürdigt, wie es ihm
zukommt, obgleich schon früh der Aesthetiker Vischer
für ihn eingetreten ist und obschon sein Ruf, der lange
Zeit unter den unzureichenden Erzeugnissen seiner Lei-
densjahre gelitten hat, durch die seit des Künstlers Tcd
in Umlauf gekommenen frühen Studien glänzend wie-
derhergestellt worden ist, Adolf Frey hat ihm eines
seiner vollkommenen Künstlerbücher gewidmet und
Kollers Bedeutung neben den großen Tiermalern seiner
Zeit mit sicherer Schlagkraft dargetan. Deutschland tut
gut, sich den Befund dieses gründlichen Kenners und
kongenialen Verstehers nic'ht nur des trefflichen Tier-
malers, sondern dazu noch der Böcklin und Hodler zu
merken, der zuverlässiger ist als leichtes Hosianna,
leichtsinniges Anathema Anderer. Basel ist und bleibt
in der Schweiz der Mittelpunkt des Böcklinsammelns
und -Studierens. Aber Zürich kommt ihm sehr nahe.
Sein Saal, seine Mappen mehren sich. Auserlesene
kleine Bildnisse, „Frühlings Erwachen“, „Venus Geni-
trix“, „der Krieg“, „die Gartenlaube“ sind und bleiben
da, dazu mehrere neue Gaben studienhaften Charakters,
und mit den Zeichnungen zusammen bilden sie einen
Hauptbestand des Gesamtwerks, neben Basel und
Berlin.
Böcklin verschwand nicht aus Zürich, als er nach
Kellers Tod die Stadt verließ, er hinterließ einen Erben
seiner Sendung: Albert Welti. Neuer Höhepunkt des
Museums. Unbedingter hier als die Vertretung Böck-
lins selbst, sowohl in den Gemälden, die eine ganze
Menge der eigentlichsten Herzenswerke des Künstlers
einschließen ,als in den Radierungen, worm lieute
schwerlich jemand mit dem Kunsthaus wetteifern kann.
Vergessen wir über den leuchtenden Fabulisten die
Realisten nicht! Nicht den einsamen Zünd, den hinge-
Anselm Faierbach, Selbstbildnis 18/8
gebenen Meister des mächtigen „Eichenwaldes“, eine
Art konzentrierten Eichendorffs, nicht Anker, von dem
einige feine Stücke zeugen, vor allem das eine, starke
malerische Reize aus der Materie des Bildes — Ofen-
grün und -Grau, Haarblond, Holzbraun — und aus der
Dichtigkeitsskala all der Stoffe ziehende, sie aber über-
legen einer höheren Harmonie unterstellende Gemälde
der „Schlafenden Kinder“. Anker ist wie Koller in
Deutschland bei weitem nicht seinem Rang gemäß be-
kannt, und viele deutsche Gäste des Kunsthauses wer-
den an ihm eine Quelle des Genusses finden, der zu-
gleich aus dem Born des innig und behutsam erlebten
Schweizer Volkstums uud aus der reinsten franzö-
sischen Form und Tonmalerei der Ingres und Gleyre
fließt. Markige Bilder besitzt die Sammlung auch von
dem Freund G. Kellers aus Solothurn und aus aller
Welt, dem Maler Franz Buchser; indesseu hat der Ruhe-
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