kunst war gemacht, denn diese basiert ausschließ-
licli und hauptsächlich auf Bohr- und Schleifwirkung.
Daß diese eben geschilderten Vorgänge nicht ganz
aus der Phantasie geboren sind, beweisen Funde
von röhrenförmigen Holzstiicken, die unzweifelhaft
als solche Röhrenbohrer anzusprechen sind, denn
man fand in ihnen einen Steinkern, den die Rillen
seiner Oberfläche evident äls ,,Bohrkern“ stempeln.
Daß gleiche Werkvorgänge bei primitiven Völkern, so
z. B. bei Polynesiern, noch lieute, oder doch nocli
vor ganz kurzem, ausgeübt wurden, zeigt z, B. eine
photographische Abbildung im ägyptischen Museum in
Berlin, die einen Eingeborenen darstellt, der mit Hilfe
einer Bambusröhre und Quarzsand aus Muschelschalen
Armringe ausbohrt. Doch kehren wir wieder zur
Steinzeit zurück. Ein Steinbeil war nacli mühevoller
Arbeit durchbohrt und mit einem festsitzenden Holz-
stiel versehen worden, da ging vielleicht ein starker
Regen nieder, und der Holzstiel sog sicli mit Wasser
voll, quoll auf, und siehe, sein plötzlich vergrößertes
Volumen sprengte das so wertvolle Stück. Die Nutz-
anwendung dieses Phänomens ließ nicht lange auf sich
warten. Wollte man nun von einem Block ein geeig-
netes Stück erhalten, so wurden einfach mehrere Lö-
cher gebohrt, Keile aus trockenem Holz eingetrieben
und mit Wasser zum Quellen gebracht, und so auf me-
chanischem Wege ein Werkstück abgesprengt. Eben-
so ward sicher auf empirischem Wege die Steinsäge
erfunden, indem sich an einer gedrehten Sehne, mit der
ein Steinbeil am Stiel befestigt war, leicht anhaftende
Sandkörner beim immer wiederholten Anziehen der
Sehne schließlich eine Spur, eine Rinne, in den harten
Stein einschnitt. Dieser Vorgang dauernd wiederholt
ergab die Steinsäge. So arbeiten heute noch die Chi-
nesen, ja, in den Diamantschleifereien Amsterdams
werden heute noch Diamanten, sogenannte Teufels-
steine, die sich nicht spalten oder klieven lassen wollen,
mit Stahldraht und Diamantpulver und üel zersägt.
Somit sind vier Werkvorgänge klar umrissen und
an Fundstücken aus allen Teilen der Erde aus prähisto-
rischer Zeit nachweisbar festgestellt, „nämlich das
Schleifen, Bohren, Sprengen und Sägen“. Auf diesen
vier Werkprozessen basiert die Steinschneidekunst seit
den ältesten Zeiten bis zum heutigeu Tage. Ihr Reper-
toire ist bis heute durch keine fundamentale Neuerung
bereichert worden, denn das wahrscheinlich von den
Ureinwohnern Chaldäas — den Sumeroakkadieren — er-
fundene sogenännte Rädchen — ein rotierendes Werk-
zeug von Bohr- und Schleifwirkung, ist ebenso wie der
mit dem Bogen in Bewegung gesetzte Drillbohrer nur
ein vervollkommneter und mechanisierter Abkömmling
des steinzeitlichen Handbohrers.
Der immer mehr sich entwickelnde Ziersinn hatte
dem Menschen schon in der mittlcren Steinzeit dazu ge-
führt, seine Werkzeuge, Waffen und Geräte durch Ker-
ben und Einritzen von Punkten, Strichen, Kreisen, zu
verzieren. Sich weiter entwickelnd kam er dahin, in
bunte Kiesel, die seinem Schmucksinn entsprachen, mit
spitzen Steinsplittern Ornamente und schließlich Ab-
bilder der von ihm gejagten Tiere einzuritzen. Es haben
sich Hunderte und aber Hunderte von Knochen, Stein-
plättchen und Schmuckkieseln, auf denen schon der
Mensch der Diluvialperiode seinen erwachten Kunst-
sinn übte, gefunden, und mit Verblüffung sehen wir an
den Höhlenwänden in Frankreich und Spanien Tierdar-
stellungen, teils in Umrißritzungen, teils mit Erdfarben
bemalt, von packendster Naturtreue, ja, von einer
künstlerischen Kraft und Sicherheit, wie sie Jahrtau-
sende später von den Tlerbildnern Aegyptens erst wie-
der erreicht, aber kaum übertroffen wurde.
Auf die prähistorischen Errungenschaften des
Steinsprengens, Sägens und Bohrens, Schleifens und
Gravierens läßt sich fast die gesamte Steinbildnerei
Ambossierte Obsidiangruppe aus Tell el Amarna
Acgyptische Abteilung der Staatlichen Museen Berlin
Aegyptens und Chaldäas mit unzweifelhafter Sicherheit
zurückführen, ja, an vielen uns durcli die Gunst des Zu-
falls erhaltenen und unvollendet gebliebenen Werk-
stücken direkt wie mit Schufbeisp'ielen zu belegen. Im
ägyptischen Musenm zu Berlin selien wir neben un-
wahrscheinlich dünn geschliffenen und in allen Punkten
fonnvollendeten Diorithschalen ein Werkstück, das in
eben erst roh zugesprengter Form ein werdensollendes
Steingefäß von Vasenform darstellt, an dem man be-
reits mit der Ausbohrung begonnen hatte. Daneben
liegt ein Bohrkopf aus Feuerstein, der an der oberen
Peripherie zwei Einkerbungen anfweist, die dazu be-
stimmt waren, die gabelförmigen Fnden des hölzernen
Bohrerschaftes aufzunelnnen. An dem anderen Ende
des Schaftes war eine Handkurbel angebracht, und um
dem Ganzen den nötigen Druck und Schwung zu ver-
leihen, zwei Ledersäcke mit Sand gefiillt befestigt.
Zwischen Werkstiick und Bohrkopf wurde ange-
feuchteter Schleifsand gebracht und durch konti-
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licli und hauptsächlich auf Bohr- und Schleifwirkung.
Daß diese eben geschilderten Vorgänge nicht ganz
aus der Phantasie geboren sind, beweisen Funde
von röhrenförmigen Holzstiicken, die unzweifelhaft
als solche Röhrenbohrer anzusprechen sind, denn
man fand in ihnen einen Steinkern, den die Rillen
seiner Oberfläche evident äls ,,Bohrkern“ stempeln.
Daß gleiche Werkvorgänge bei primitiven Völkern, so
z. B. bei Polynesiern, noch lieute, oder doch nocli
vor ganz kurzem, ausgeübt wurden, zeigt z, B. eine
photographische Abbildung im ägyptischen Museum in
Berlin, die einen Eingeborenen darstellt, der mit Hilfe
einer Bambusröhre und Quarzsand aus Muschelschalen
Armringe ausbohrt. Doch kehren wir wieder zur
Steinzeit zurück. Ein Steinbeil war nacli mühevoller
Arbeit durchbohrt und mit einem festsitzenden Holz-
stiel versehen worden, da ging vielleicht ein starker
Regen nieder, und der Holzstiel sog sicli mit Wasser
voll, quoll auf, und siehe, sein plötzlich vergrößertes
Volumen sprengte das so wertvolle Stück. Die Nutz-
anwendung dieses Phänomens ließ nicht lange auf sich
warten. Wollte man nun von einem Block ein geeig-
netes Stück erhalten, so wurden einfach mehrere Lö-
cher gebohrt, Keile aus trockenem Holz eingetrieben
und mit Wasser zum Quellen gebracht, und so auf me-
chanischem Wege ein Werkstück abgesprengt. Eben-
so ward sicher auf empirischem Wege die Steinsäge
erfunden, indem sich an einer gedrehten Sehne, mit der
ein Steinbeil am Stiel befestigt war, leicht anhaftende
Sandkörner beim immer wiederholten Anziehen der
Sehne schließlich eine Spur, eine Rinne, in den harten
Stein einschnitt. Dieser Vorgang dauernd wiederholt
ergab die Steinsäge. So arbeiten heute noch die Chi-
nesen, ja, in den Diamantschleifereien Amsterdams
werden heute noch Diamanten, sogenannte Teufels-
steine, die sich nicht spalten oder klieven lassen wollen,
mit Stahldraht und Diamantpulver und üel zersägt.
Somit sind vier Werkvorgänge klar umrissen und
an Fundstücken aus allen Teilen der Erde aus prähisto-
rischer Zeit nachweisbar festgestellt, „nämlich das
Schleifen, Bohren, Sprengen und Sägen“. Auf diesen
vier Werkprozessen basiert die Steinschneidekunst seit
den ältesten Zeiten bis zum heutigeu Tage. Ihr Reper-
toire ist bis heute durch keine fundamentale Neuerung
bereichert worden, denn das wahrscheinlich von den
Ureinwohnern Chaldäas — den Sumeroakkadieren — er-
fundene sogenännte Rädchen — ein rotierendes Werk-
zeug von Bohr- und Schleifwirkung, ist ebenso wie der
mit dem Bogen in Bewegung gesetzte Drillbohrer nur
ein vervollkommneter und mechanisierter Abkömmling
des steinzeitlichen Handbohrers.
Der immer mehr sich entwickelnde Ziersinn hatte
dem Menschen schon in der mittlcren Steinzeit dazu ge-
führt, seine Werkzeuge, Waffen und Geräte durch Ker-
ben und Einritzen von Punkten, Strichen, Kreisen, zu
verzieren. Sich weiter entwickelnd kam er dahin, in
bunte Kiesel, die seinem Schmucksinn entsprachen, mit
spitzen Steinsplittern Ornamente und schließlich Ab-
bilder der von ihm gejagten Tiere einzuritzen. Es haben
sich Hunderte und aber Hunderte von Knochen, Stein-
plättchen und Schmuckkieseln, auf denen schon der
Mensch der Diluvialperiode seinen erwachten Kunst-
sinn übte, gefunden, und mit Verblüffung sehen wir an
den Höhlenwänden in Frankreich und Spanien Tierdar-
stellungen, teils in Umrißritzungen, teils mit Erdfarben
bemalt, von packendster Naturtreue, ja, von einer
künstlerischen Kraft und Sicherheit, wie sie Jahrtau-
sende später von den Tlerbildnern Aegyptens erst wie-
der erreicht, aber kaum übertroffen wurde.
Auf die prähistorischen Errungenschaften des
Steinsprengens, Sägens und Bohrens, Schleifens und
Gravierens läßt sich fast die gesamte Steinbildnerei
Ambossierte Obsidiangruppe aus Tell el Amarna
Acgyptische Abteilung der Staatlichen Museen Berlin
Aegyptens und Chaldäas mit unzweifelhafter Sicherheit
zurückführen, ja, an vielen uns durcli die Gunst des Zu-
falls erhaltenen und unvollendet gebliebenen Werk-
stücken direkt wie mit Schufbeisp'ielen zu belegen. Im
ägyptischen Musenm zu Berlin selien wir neben un-
wahrscheinlich dünn geschliffenen und in allen Punkten
fonnvollendeten Diorithschalen ein Werkstück, das in
eben erst roh zugesprengter Form ein werdensollendes
Steingefäß von Vasenform darstellt, an dem man be-
reits mit der Ausbohrung begonnen hatte. Daneben
liegt ein Bohrkopf aus Feuerstein, der an der oberen
Peripherie zwei Einkerbungen anfweist, die dazu be-
stimmt waren, die gabelförmigen Fnden des hölzernen
Bohrerschaftes aufzunelnnen. An dem anderen Ende
des Schaftes war eine Handkurbel angebracht, und um
dem Ganzen den nötigen Druck und Schwung zu ver-
leihen, zwei Ledersäcke mit Sand gefiillt befestigt.
Zwischen Werkstiick und Bohrkopf wurde ange-
feuchteter Schleifsand gebracht und durch konti-
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