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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

DOI issue:
1/2.Juliheft
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Loewental, Artur Imanuel: Technik und Geschichte der Steinschneidekunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0506

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bilder, natürlich nur mit unerhörter Geduld, geschaffen.
Selbst in dem relativ noch weicherem Bluteisenstein,
der das bevorzugte Material dieser Klasse bildet, konn-
ten die Darstellungen, selbst unter Verwendung härte-
ster Splitter, nur durch endloses Strich-an-Strich-
Ritzen und -Schaben hergestellt werden. Hier muß
imn auch mit einem Falsch-Begriff aufgeräumt werden,
der fast durch die ganze Literatur der Glyptik hin-
durchgeschleppt wurde, nämlich der von der Benutzung
der Diamantspitze zum Gravieren. Plinius ist mit seiner
Beschreibung des Diamanten in der Historia naturalis
der unschuldige Urlieber gewordeu. Er spricht dort
davon, wie der Diamant, dieser härteste aller Körper,
nur zertrümmert 'werden könne, wenn man ihn zuvor
9 Tage und Nächte in das Blut eines neugeborenen
Böckchens eingelegt und dann auf einem Ambos mit
schwerem Hammer schlage. Dann aber, so bemerkt er,
zerspringe er in kleine scharfe Splitter (Crustae),
welche von den Steinschneidern in Hisen gefaßt und zu
ihrer Arbeit verwendet würden, da ihnen, nämlich den
Crustae, dann kein noch so hartes Material wider-
stände. Wahr ist daran nur, daß die Splitter des Dia-
manten damals, offenbar damals ebenso wie heute, fiir
technisch künstlerische Zwecke in Metall gefaßt und
verwendet wurden. Falsch aber und oft grotesk, was
praktisch blinde, einseitig entwickelte Gelehrti daraus
gefolgert haben, nämlich daß die Antike sich hauptsäch-
lich, ja sogar ausschließlich, der Diamantspitze zum
Gemmenschneiden bedient hätte und daß dieser Um-
stand sogar ein Kriterium bei der Unterscheidung an-
tiker und neuerer Werke bilde. Wohl fehlte es nicht an
kritischen Köpfen, die dieses Dogma nicht ganz unter-
schreiben wollten, aber selbst die hellsten unter ihnen
weisen der Diamantspitze noch viel zu viel Verwen-
dung zu, denn sie diente, gerade wie noch heute, Iiaupt-
sächlich dazu, um auf der Fläche des zu gravierenden
Steiues die Vorzeichnung einzuritzen und in einigen
Fällen, um mit feinsten Strichen eine letzte Perfektion,
etwa am Haare, am Auge oder an einem Gewanüzipfel-
chen zu geben. In sehr seltenen Fällen, und dann auch
nur ganz seicht und zart, bei Inschriften. Dies alles ist
natürlich nur gesagt in Hinsicht auf harte Steine, d. h.
Steine vom Achat angefangen. Bei weicheren Stei-
nen, wie sie namentlich die ältere orientalische und
griechische Glyptik oft verwendete (Steatit, Marrnor,
Hämatit) mag sie neben metallenen Sticheln häufig ge-
nug angewandt worden sein. Aber selbst da konnte sie
nur äußerst vorsichtig gebraucht werden, denn der Dia-
mant, wiewohl der härteste Körper, ist doch zugleich
aucli äußerst spröde und bricht, je spitzer und schärfer
er gefaßt wird, desto leichter bei Druckanwendung ab.
Aber Plinius, der eben noch kein weltfremder Scholast
war, sondern noch in lebendiger Fühlung mit dem
Handwerk und der Kunstübung seiner Zeit stand,
spricht ja so klar, daß er gar nicht mißverstanden wer-
den kann. Plurium autem proficit terebrarum fervor
sagt er deutlich, d. i. am meisten aber wirkt die Gewalt
der I erebrac, d. i. wörtlich der Schleifbohrer, und man
kann förmlich in dem Wort onomatopoetisch ihre rei-

bend-knirschende Arbeit hören. Er spricht vom Fer-
rum retusum, und man kann olrne große philologische
Spitzfindigkeit darin das durch die Drillwirkung des
Fiedelbogens hin und zuriick getriebene Werkzeug mit
Schleifwirkung förmlich sehen und hören. Ein weite-
res, heftiges Kopfzerbrechen verursachte den Gelehr-
ten die Frage, welche Schleifmittel denn die Alten ver-
wendet hätten, ob den Diamant, den Schmirgel oder
den an manchen Stellen erwähnten Ostrakitis. Auch
diese Frage ist unschwer zu erklären. Wir haben vor-
h.in schon gehört, daß nicht das rotierende Metallwerk-
zeug als solches, sondern nur in seiner Funktion als
Herumwirbler der spitzen Körnchen des Diamanten den
dagegen gehaltenen Stein angreift. Denselben Zweck
können und haben sicher in früheren Perioden der An-
tike, bevor der Diamant bekannt wurde, der Schmirgel,
der als amorpher Korund dem Diamanten an Härte zu-
nächst steht, und der Ostrakitis, d. i. eine harte Feuer-
steinart, gedient. Gerade der letztere ist, wie Ver-
suche ergeben, sehr wohl geeignet, dank seiner außer-
ordentlichen Scharfsplitterigkeit, Achate und Calcedone
anzugreifen. Wir haben dies schon bei den Steingefäß-
bohrungen der alten Aegypter gesehen und die Chine-
sen verwenden noch heute vier seit grauen Zeiten über-
Üeferte Sorten von Schleifsand, darunter als Nummer 1
ein Gemisch von Quarz- und Silexkörnern zur Jade-
Bearbeitung. Mit denselben primitven Mittein, ohne
jegliche Kenntnis des Diamanten, haben die alten Az-
teken und Peruaner, sowie die Maja ihre bewunderns-
werten Arbeiten, Idole und Schmuckstücke aus Obsi-
dian, Nephrit, ja Smaragd gearbeitet. Die Bewohner
der Südseeinseln haben ohne Diamant und Metallkennt-
nis überhaupt erstaunlich vollendete Arbeiten aus Ne-
phrit und anderen harten Steinen lediglich durch Bohr-
und Schleiftechnik geschaffen.

Nach alledem dürfte es klar bewiesen sein, daß ein
fundamentaler Unterschied weder zwischen der Antike
und der Moderne, noch überhaupt bei den verschiede-
nen Völkern der Erde in betreff Technik der Glyptik
existiert. Als letzter Punkt wäre noch über die Poli-
tur zu sprechen, die den Werken der Glyptik ihre letzte
aesthetische Perfektion gibt. Bekannt war und geübt
wurde sie schon in prähistorischer Zeit, ebenso ist sie
allen steinbearbeitenden Völkern der Erde geläufig, aber
in der Literatur der Gemmolyptik wird sie als besonders
markantes Attribut der antiken griechischen und helle-
nistisch-römischen Werke, ja vielfach sogar als ein
Haupterkennungs- und Unterscheidungsmerkmal hin-
gestellt. Es wurde sogar wiederholt behauptet, diese
Fertigkeit sei ein verloren gegangenes Geheimnis. Auch
dies ist unrichtig, denn erstens sind weitaus nicht alle
Werke der Antike poliert worden, viele, und oft gerade
hervorragende Kunstwerke, sind absichtlich, um die
Frische der Arbeit zu wahren, vom Schnitt stehen ge-
lassen oder nur leicht und stellenweise poliert worden,
zweitens aber kannte die Renaissance, und kennt auch
die neueste Zeit sehr wohl die Kunst der Politur, nur
rentiert sich leider bei dem geringen Verständnis der

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