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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1/2. Augustheft
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Justi, Ludwig: Naturstudie und Bildaufbau in zwei Ansichten des Colosseums von Böcklin
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0533

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schoben (der Aquädukt), teils nach rechts (der Triumph-
bog'en). Dabei hätte dann noch eine Reihe neckischer
Zufälle gewollt, daß viele Einzelheiten bei Böcklin und
Achenbach seltsam übereinstimmen: Kleinigkeiten am
Colosseum, manches in den Laubwellen vorn. Je sorg-
fältiger man die beiden Bilder vergleicht, um so klarer
wird es, daß jene Annahme von zwei an verschiedenen
Stellen sitzenden Malern zu lächerlichen Unmöglich-
keiten führt. Es kann nur so sein, — derselben Ansicht
sind Bode, Friedländer, Meier-Graefe, denen Wendland
die beiden Bilder vorgelegt hat — daß auch die Studie
vou Böckliu gemalt ist uud ihm als Unterlage zu
dem ausgeführten Gemälde der Hamburger Kunsthalle
diente. Er hat mit ihr frei geschaltet, in dem gleichen
Sinne wie wir es aus zahlreichen Beispielen in seinem
Schaffen wissen: schon bei kleinen Bildern der vor-

Brennpunkte haben, weil dies Blick und Aufnahme hin
und lier ziehe. Aus dem gleichen Gefühl heraus hat
Böcklin sich zu der wichtigsten Veränderung der Natur-
studie entschlossen: das Colosseum wird zum Mittel-
und Hauptstück. D'ie Aqua Claudia, weniger berühmt,
wird ihm untergeordnet: verkleinert, zurückgeschoben.

Dagegen sind im Vordergrund zwei Kulissen neu
eingefügt; die Studie verläuft da unbestimmt, wie wir
es nicht nur bei den Wendland-Stücken sehen, sondern
auch auf allen längst bekannten Zeichnungen Böcklins
aus diesen Jahren. Nun erscheint ganz vorn eine von
links unten nach rechts oben ansteigende Ruinenfläche,
sie ist aus dem Sockel des Aquädukts entwickelt, aus-
gewalzt; ihr antwortet links etwas weiter zurück eine
steiler aufgetürmte Masse, ein Ziegelgewölbe, dessen
Gestaltung im einzelnen kaum eine wirkliche Ruine vom

Abb. 2. Das Colosseum, Gemälde von Böcklin, 1851. Hamburger Kunsthalle
Mit Genehmigung von F. Bruckmann A.-G. in Miinchen

römischen Zeit, während der Romjahre bei der Krupp-
schen Campagna-Landschaft; dann folgen in der glor-
reichen Zeit seiner Beschäftigung für Schack die be-
rühmten Fälle der Villa am Meer, des Oktoberfestes, und
so gelit es weiter durch sein ganzes Leben hin. Wir
wissen, daß er in den Jahren der römischen Geldknapp-
heit mehrfach für Kunsthändler das Eorum zu malen
hatte. Solche erzwungene Wiederholungen mögen ihn
vielleicht zu freiwilligen Umarbeitungen gedrängt und
ihn darin geübt haben.

Die Studie gibt ein Stiick des alten Rom so, wie es
sich dem Blick des jungen Malers bot, in höchster far-
biger Feinheit und Frische, aber in der gegebenen Zu-
fälligkeit der Lagerung. Auf dem Gemälde ist das Ein-
zelne vereinfacht und geschärft, das Ganze bereichert
und rhythmisch geklärt, zusammengefaßt im plasti-
sclien Gefüge und in der Earbe. Die Gegenstände rücken
aus der zufälligen Stellung der Wirklichkeit in gewollte
Ordnung. Gerade heute, da ich dies schreibe, sagte mir
ein kluger Künstler vor dem großen Gemälde eines
Zeitgenossen mit zwei auseinander gerückten Haupt-
gestalten gleichen Gewichtes, ein Bild dürfe nicht zwei

Palatin wiedergeben kann, vermutlich frei erfunden ist.
Wir sehen hier die alte Formel der vorderen Rahmung
wirken, die seit dem sechzehnten Jahrhundert üblich
war, aucli noch bei den „klassischen“ Landschaftern im
Anfang des neunzehnten, Koch und den anderen: die
beiden Vordergrund-Kulissen, die eine fast in ganzer
Bildbreite flach ansteigend, unten und auf der einen
Seite einen großen Teil des Rahmens berührend, die
andere kleiner, weiter zurück, aber steiler und plastisch
kräftiger. Wo in dem Hamburger Bild die flache
Kulisse an den seitlichen Rahmen stößt, ist eine weitere
Randverfestigung durch die Cypressengruppe gegeben,
die gegen die Studie verstärkt ist, verbreitert und ver-
größert, und die nun einen wirksamen Platz bekommen
hat: am Rande in Verbindung mit der Vorder-Kulisse.

Rechts vom Colosseum als Mittelstück ist zum Aus-
gleich gegen die verwandelten Mietskasernen eine Ge-
bäudegruppe aus unbedeutender Fläche der Studie zu
breiterer und klarerer Form entwickelt. Der Monte
Gennaro, in der Naturaufnahme richtig gegeben, aber
für Böcklins Vorstellung vom Bildrhythmus zu kleiu,
ist zu größerer Fläche hinaufgezogen, die nun in die

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