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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1/2. Augustheft
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Justi, Ludwig: Naturstudie und Bildaufbau in zwei Ansichten des Colosseums von Böcklin
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0534

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Ordnung der übrigen einrückt. Er kannte den Berg
auswendig; dem Käufer des Gemäldes vervollständigte
er das Erinnerungsbild an beglückende Blicke über die
ewige Stadt. Das ganze Gefüge der rechten Bildseite
zeigt aufs deutlichste, wie Böcklins Erfindung unabhän-
gig von den Zufälligkeiten der Naturansicht den reichen
und reinen Zusammenklang von Linien, Flächen, Raum-
werten schafft. Links weniger Form, aber plastisch
stärker und so die reichere Flächenschichtung der rech-
ten Seite auswiegend; die dort verteilten Bogen zu-
sammengenommen und mächtiger; das Laub bis in
Höhe der Gennaro-Spitze hinaufgeführt; der durch-
schnittene Baum der Studie natürlich weggelassen.

Je genauer man vergleicht, um so deutlicher wird
der formende Sinn: es ist neben der Vereinfachung und
Schärfung des Einzelnen derselbe Wille zur klaren und
rhythmischen Bildgestaltung in Linien, Flächen und
Massen, den wir aus Böcklins gesamtem Schaffen und
aus seinen Gesprächen mit Schick kennen.

Die gleiche Rhythmisierung beobachten wir in der
Farbe. Auf der Studie ist sie höchst lebendig vor der
Natur gesehen und auf das Papier gebracht, das Grün
leuchtet, die Ruinen erscheinen in reichsten Farbstufun-
gen: an den Ziegelbogen vorn sehen wir den beherr-
schenden Lokalton durchsetzt von blau, violett, lachs;
ähnlich fein und mannigfaltig die Travertinmauern des
Colosseums. Köstlich die zart violetten Wolkenstreifen
vor dem grauen Himmel, wie wir sie ähnlich auf mehre-
ren „Wendland-Studien“ sehen. In dem Hamburger
Gemälde ist alles außerordentlich vereinfacht, zu we-
nigen starken Gegensätzen zusammengezogen und ge-
klärt. Oben ein knallblauer Himmel, allerdings nach
Meinung unseres Restaurators leicht verärtdert —
aber ohne blauen Himmel hätte wohl der damalige Rom-
reisende das Bild nicht gekauft. Das reiche Grün ist
mehr ins Bräunliche gestimmt, wie es der etwa durch
Dreber dargestellte Geschmack verlangte, zwischen
Vorderkulisse und Wasserleitung ganz braun; die Un-
terscheidung der Werte im Grün, auf der Studie eines

Cezanne würdig, ist fast verschwunden. Bei der Ein-
zelbetrachtung wirken alle diese Unterschiede als Ver-
armung, aber der Blick auf das Ganze zeigt den Sinn:
die röthchen Töne der Ziegel und des Travertin sind
niclit melir zufällig gegeben, sondern stehen nun in ge-
wollter klarer Beziehung, als Abfolge und Zusammen-
hang zwischen dem mild gegensätzlichen Grün. Daher
auch ist die kühlere Farbe des Marmor-Triumphbogens
verschärft. Man kann diese Rhythmisierung der Farbe
immer weiter ins Einzelne verfolgen, und wollte man sie
genau beschreiben, so käme man auf Darlegungen wie
sie Schick von Böcklin gehört hat. Alle Schatten sind
verstärkt, entgegen der Wirklichkeit, die wir kennen
und lieben, die Böcklin aufs Feinste wiedergeben
konnte, wenn er sie vor sich sah.

Das Verschärfen und Beruhigen der Linien, Flächen
und Schatten (im Colosseum, Triumphbogen, den Häu-
sern links, am stärksten bei der Wasserleitung), das
Vergrößern (des Gebirges, der Cypressengruppe), das
Verkleinern (des Aquädukts), das Hinzuerfinden (der
beiden rahmenden Kulissen, der rechten Häusergruppe),
das Zurechtrücken des Einzelnen, Verschieben nach
links und rechts, nach oben und unten, das rhythmische
Ordnen der plastischen Formen, als Werten innerhalb
des Bildvierecks und als Gliedern der räumlichen Folge,
das Herausklären reich bewegter Linien und ihr musi-
kalisch feines A'bstimmen zu einander, die schärfere
Gliederung der Laubmassen in Hell und Dunkel, das
Vereinfachen der Farbe, Herabstimmen und Zusammen-
fassen zu einer rhythmisch deutlichen Folge, zugleich
der Klärung des Raumgefüges dienend — dies frele
Schalten mit den Gegenständen des Naturvorbildes
vollzieht sich genau nach den gleichen Gesetzen, nach
denen Böcklin in späteren Zeiten einen Natureindruck
oder eine vorher schon frei erfundene Bildgestaltung
umzuformen liebte; es sind die Gesetze, deren münd-
liclie Erläuterung vor der Staffelei uns Schick über-
liefert hat. Der Vergleich dieser beiden Ansichten des
Colosseums zeigt uns haarscharf und lebendig das Wal-
ten seiner inneren Formvorstellung und Bildabsicht.

Frankenthaler
Porzellangruppe
„Jäger aus Kurpfalz“
mit Gefolge

Sammlung Carl Baer
im Schloßmuseum
Mannheim

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