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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Schäfer, Wilhelm: Die Remes-Sammlung in Düsseldorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0014

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Die Nemes-Sammlung in Düsseldorf.
gebrachte Bewegung der Formen offenbart worden, und uni dieser bewußten Bewegung willen trat Greco, der in
Spanien malende Grieche aus der Versenkung. Er war ein Barockkünstler durch und durch; das malerische Spiel von
Licht gegen Schatten war sein Lebenselement — nicht die Farbe, die er seinen Kompositionen erst nachträglich auf-
lasierte und die als Kolorierung ihre leuchtende und ans Bunte gehende Starke behalten hat — aber er begnügte
sich nicht mit dem malerischen Spiel der Helldunkelmassen, sondern er versuchte die durcb sie umrissenen Formen
gegeneinander thematisch auszuspielen. Seine Bilder also sind Konzerte der Bewegung, Fugen, wenn man will;
jedenfalls aber das schärfste Gegenteil einer Kunst, deren Ideal „ein Stück Natur, durch ein Temperament gesehen",
war: nicht, was er sah, war das Entscheidende für ihn, sondern wie er es frei und mit aller Naturtreue willkürlich
schaltend in eine künstlerische Komposition bringen konnte, deren Element eben die Bewegung der Licht- und
Schattenmassen gegeneinander wurde.
Daß seine Auferstehung eine berecbtigte und notwendige war, wird damit nicht bezweifelt: für die gegenwärtige
Kampftage der Jüngsten ist er eine Rückendeckung von unschätzbarem Wert, nur eben nut dem Impressionismus hat er
nichts zu tun, und darum war die Tschadische Formel für die Nemes-Sammlung unpassend. Will man absolut eine
Formel haben, so gibt sie die gegenwärtige Marktlage des französischen Kunsthandels; was dort zurzeit Gültigkeit
bat, ist in ihren Hauptbestandteilen vereinigt — durchaus nicht zu Unrecht; denn es sind tatsächlich bedeutende und
große Werte. Darum war es verfehlt, ihr in den andern Teilen so etwas wie eine Funktion zu geben, eine Art
Revision der Kunstgeschichte auf der Grundlage der modernen Anschauung; als eine solche kommt sie zu einer Haltlosig-
keit, die in blamablen Nebenstücken ausläuft.
Etwas anderes ist es natürlich um die Frage, ob man den gegenwärtigen Anstand in der Kunsthalle zu Düsseldorf
dauernd machen, die ganze Sammlung also erwerben solle. Diese Frage ist nicbt nur in Düsseldorfer Kreisen lebhaft
diskutiert worden, obwohl ihr der Besitzer ein energisches Dementi entgegenstellte: er dächte nicht daran, seine Köstlich-
keiten zu veräußern. Die Stadt Düsseldorf besitzt bekanntlich außer den Resten der ehemaligen kurfürstlichen Galerie
in der Kunstakademie (mit ihrem Hauptbcstand beute in der alten Pinakothek zu München) nur eine Sammlung lokaler
Herkunft eben in der Kunstballe. Sie stellt sich in: ganzen vor als die in Kunststädten übliche Folge von Pietätsankäufcn,
in denen der abgeblaßte Ruhm des alten Düsseldorf sich konserviert und mit einigen Neuerwerbungen gemischt hat.
Wenn das heutige Industriezentrum keinen weiteren künstlerischen Ehrgeiz hätte, würde diese Galerie als Erinnerung
an eine vergangene idyllische Eristenzform der Stadt genügen.
Nun ist aber die Kunststadt Düsseldorf durchaus nicht gewillt, sich von der Industrie aufzehren zu lassen; sie besitzt
immer noch eine zahlreiche Künstlerschaft, deren bestimmender Nenner zurzeit Eduard von Gebhardt ist, und eine Kunst-
akademie, deren Direktor Fritz Roeber sich als ein Organisator von ungewöbnlichen Gaben und auch wohl modernem
Ehrgeiz bewiesen bat. Wenn sein großartiger Plan einer Neueinrichtung der Akademie erst ausgeführt ist, werden die
Meister- und Lehrateliers als eine Art Gartenstadt der künstlerischen Erziehung draußen im Grünen liegen, während
das jetzige Akademiegebäude seine endlosen Säle den Kunstsammlungen öffnet. Es ist auch schon, wie verlautet, ein
Generaldirektor gewählt, und wiederum hat der Eifer Roebers gesorgt, daß er mit einem Kapital von über einer
Million Mark — aufgebracht durch eine Sammlung der Bürgerschaft — instand gesetzt ist, nennenswerte Ankäufe zu
machen. Damit ist anerkannt, daß eine moderne Kunststadt nicht ohne eine vorbildliche Sammlung auskommt; und
zwar eine, die nicht nur der lokalen Pietät dient, sondern auch die Meister alter und neuer Aeit in charakteristischen
Proben vorführt, um der künstlerischen Bildung das unersetzliche Hilfsmittel der Anschauung zu geben.
An diese immerhin nicht kurzatmigen Pläne muß man denken, um die nwrkwürdige Wirkung der Nemes-Sammlung
gerade in den Räumen der Düsseldorfer Kunstballe zu verstehen. Sie stellte mit einem Schlag ein Ideal auf, wie es
sein könnte; denn wenn es auch kein Ideal für Jedermann war, so war es doch an sich eins, sonst hätte man es nicht mit
Umständen und Kosten herzuholen brauchen. Die Künstlerschaft im ganzen freilich bekämpfte den Gedanken einer
Erwerbung mit Feuer und Schwertern, sie sah schon die goldene Wolke, die sich im Platzregen über den Ateliers ent-
laden sollte, sanft nach Budapest abfabren. Natürlich gab cs auch für sic andere Gründe, und die anfangs ausgeführtc
Kritik, daß es eine Sammlung aus der gegenwärtigen Marktlage des französischen Kunsthandels wäre, figurierte
teilweise auch darunter. Es fragt sich nur, ob es nicht im ganzen doch eine nie wiederkehrende Gelegenheit für die
Stadt, und ob die Sammlung nicht doch mit den Fehlern ihrer Vorzüge ein Unikum wäre? Und um hier das
fachmännische Urteil aufzurufen, bat der Schreiber dieser Aeilen eine Rundfrage bei den westdeutschen Galerie-
direktoren veranstaltet.
Das Resultat war ein unerwartetes, fast alle antworteten, zum Teil ausfübrlich, aber nur einer gab eigentlich sein
Gutachten wirklich ab; die andern baten mehr oder weniger deutlich um Entlastung. Die Gründe der Schweigsamkeit
wurden nicht immer verhehlt und einigemal recht drastisch ausgesprochen; sie stellen wobl eine Folge der Angriffe dar,
die in letzter Acit namentlich von den Künstlern aus immer heftiger gegen die angeblich vom Kunsthandel düpierten
Museumsdirektoren erboben wurden. Da ich einmal angefragt habe, darf ich dieses Resultat uicht verschweigen; es
könnte ja nur in dem Fall übel gedeutet und gebraucht werden, daß überhaupt die entfernte Möglichkeit eines Ankaufs
bestände; da aber nach den eigenen Erklärungen Herr von Nemcs nicht daran denkt, sich von seinem Lebenswerk zu trennen,
besteht diese Gefahr nicht. So werden wir uns nach dem Sommer auch in der Kunstballe zu Düsseldorf auf das zweite
merkwürdige Erlebnis einrichten müssen, nach den von Wünschen und Gerüchten umstrittenen Schätzen der Nemes-
Sammlung die gesicherten Bestände der städtischen Galerie wieder zu sehen. S.

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