zu einem erregten Zwiegespräch zwischen sich und der Welt macht,
konnte natürlich nicht so hinter seinem Werk verschwinden, wie es
der Künstler hinter einer objektiv ausgestalteten Dichtung muß.
Eine Natur wie Annette Kolb ist vom Schicksal bestimmt, sich
in Memoiren auszusprechen; und Memoiren enthält auch dies
Buch. Kaum verhüllt, schwirrt, bebt als die Heldin Mariclöe die
Schreibende selbst durch des Buches Seiten; diese Heldin weilt
als ein Gast, der sich nicht recht in das soziale Leben der andern
einordnen laßt, gerade auf den Landsitzen englischer Aristokraten
und Multimillionäre. Der Aufenthalt ist ohne Vorgeschichte, ohne
eigentlichen Abschluß dargestellt, einfach, indem zwei Monate aus
dem Leben der Heldin fast Tag für Tag mit vielen zufälligen
Gesprächen, manchen abseitigen Erlebnissen geschildert wird, wenn
auch in diesen zwei Monaten eine Liebesgeschichte kulminiert.
Denn dieser Paradiesvogel, Mariclöe, die scheinbar nur durch
ein Versehen in ihre menschliche Rolle gekommen ist, liebt: Zwei
Monate harrt sie des Geliebten, die Erfüllung besteht in einem
kurzen Gespräch; wo ein Leben so ganz in den Kopf gestiegen, in
die Nerven zersträhnt, in die Seele verdunstet ist, muß auch die
Erfüllung der Liebe eine interne Angelegenheit des vereinsamten
Organismus bleiben.
Das Buch ist voll von geistreichen Worten, Aphorismen, Er-
örterungen wie das Schmuckkästchen einer Frau von Pretiosen;
delikate Bemerkungen über die unterschiedliche Psychologie des
Engländers, des Deutschen, des Franzosen ziehen sich durch alle
Kapitel. Dis Dinge der äußeren Welt, Kronleuchter und das Ge-
spräch an einer Schiffstafel, Dienerinnen und Straßenstimmungen,
Kleider und Sonnenschirme und Automobilfahrten leben in dem
Bache in der gespenstischen Schärfe expressionistischer Kunst. Aber
das eigentliche Erlebnis, das das Buch darstellt, ist doch die Existenz
der Heldin selber, dis, in einer Welt lebend, die durch ihren Reich-
tum wie kaum eine andere zum sinnlich-natürlichen Lebensgenuß
gerufen ist, übermäßig zart und nicht arm an morbiden Zügen heu-
tigsten Seelenlebens bei einem Geist, der doch wieder erstaunlich
zentriert und kräftig ist, einfach die alte Prinzessin des deutschen
Märchens darstellt. Wirklich geht eine Linie von der „Crescentia",
der „Griseldis" des Mittelalters über Stifter und — in der „seligen
Insel" — Paul Ernst zu dieser Heldin, die in den mondänsten
Kreisen unserer Zeit zwar nicht zu Hause, aber fast zu Hause ist;
nicht anders als ein Robert Walser setzt sie, nur in einer Welt, die
die dem Geiste noch weiter entfremdet ist, gegen eine Umgebung,
deren natürliche Aaßerung ein abstruser Materialismus ist, mit
der Selbstosrstäadlichkeit des Atmens eine ganz geistig-seelische, fast
abstrus geistige Welt. Reinkarnation deutschen Wesens aus der
Zeit seiner reinsten Gestaltung, der Zeit mittelalterlicher Verehrung
der makellosen Mutter, leuchtet von ihrer Stirn, aus ihren Augen
der Glanz arischen Fühlens; schönste Stelle in ihrem Buche ist
darum auch dis, wo sie auf englischem Boden den Hauch arischen
Wesens zum erstenmal spürt, und „erkennt, warum sie lebt".
Und so ist das Buch von dem „Exemplar", das genauer von der
handelt, die „das Eremplar" liebt, im Grunde eine Legende:
Wenn man das Buch zuschlägt, wünscht man, daß diese Form auch
künstlerisch durchgeführt wäre und ein Leben damit als ein restlos
gelungenes Symbol dauernde Gestalt gewonnen hätte; solange man
im Lesen ist, empfindet man auch in dieser tagebuchartigen, in geist-
reichen Wendungen verschwenderischen Darstellung voll impressio-
nistischer Schilderungskunst das Legendäre und fühlt sich damit
im Umkreise einer Welt, in der wie zu allen großen Zeiten Kunst
und Religion zusammengeflossen sind. Joachim Benn.
ermann Hesse
hat zwei kleine Bücher herausgebracht, die beide in ver-
schiedenem Sinn nicht völlig sein eigen und doch auf eine mensch-
lich merkwürdige Weise persönlich sind.
„Aus Indien" heißt das eine;* und wenn ich von diesen „Auf-
zeichnungen" sage, daß sie nicht ganz sein eigen seien, kann ick damit
natürlich nur jenen allgemeinen Zustand meinen, aus dem solche
Büchsr entstehen: irgend wer, der Augen, Ohren und Nase als
Organe seiner Seele zu gebrauchen und deren Erlebnisse nieder-
zuschreiben versteht, geht auf den Zufall einer Reise und bringt
uns Stubenhockern mehr oder weniger triumphierend sein Buch
mit. Erlebnisse sind es zwar meist nicht, bestenfalls Sensationen,
die man ganz gewiß als Surrogate starker Erlebnisse bezeichnen
* Verlag S. Fischer, Berlin.
darf; durch fremde Landschaften und anderes Menschentum an-
geregt, notiert die empfindsame Seele Eindrücke, die nicht genug
Erlebnisse geworden sind und eigentlich mehr durch eine Seele
hindurchgehen, als daß sie in ihrem Lebensboden stark wurden.
Der empfindsame Leser erhält wirklich ein Stück Natur durch ein
Temperament gesehen; nur daß dieses Temperament leider zu
oft eine verteufelte Ähnlichkeit mit einem Filmband hat. Natürlich
sind in unserer Zeit die Möglichkeiten der Filmbänder noch nicht
ausgeschöpft, nach Dauthendey, Kellermann und Holitscher werden
die „unerhörten Sensationen" erst beginnen: aber ob die Lust
am Kino noch lange vorhält?
Im Ernst — bin ich altmodisch und rückständig? — mir kommt
diese ganze weltreisende Literatur ein wenig wie das Vergnügen
des bäuerlichen Arbeiters vor, der sich Sonntags durchaus in den
Straßen, Kneipen und Buden der Großstadt amüsieren will.
Die Seele mag schöne Fähigkeiten entfalten in der entzückenden
Aufnahme und Wiedergabe der fremden Welt: nur ihr selber
geht vielerlei dabei verloren. So vermag ich in allen Mängeln
des Hesseschen Reisebuchs nur immer wieder den Vorteil zu sehen:
daß er auch in den Urwäldern Sumatras stets der Schwabe Hermann
Hesse bleibt, der neben den entfesselten Schilderungen Holitschers
hilflos sein enges Gehäuse zeigt. Aber warum soll ich nun von
draußen immer berichtet erhalten, was die fremde Welt in flüch-
tigen Stunden aus einem europäischen Landsmann macht? Warum
soll mir ein Landsmann nicht auch einmal erzählen, wie ihm diese
Welt vorkam? Man kann sich an die Dinge hängen und umgekehrt
die Dinge an sich; Hesse tut das letztere, es scheint mir schlichter
und im Grunde wertvoller.
Dabei verkenne ich nicht, daß seine Sentimentalität da draußen
nicht am Platze ist; aber der Dichter leugnet das auch garnicht,
er ist schließlich nicht Indiens, sondern seinetwegen in diese Welt
gefahren, und was er heimbringt, sind deshalb seine Sachen:
kluge, gebildete Einsichten, stille Beobachtungen und besonnene
Gefühle. Vielleicht hätte auch er noch etwas warten sollen, bevor
er seinen Bericht gab: aber auch so enthält er viel stilles Erlebnis,
das ebensowenig in den Kino paßt, wie seine ganze Art in den mo-
dernen Betrieb.
Wo er zubause ist, das zeigt sein zweites Bändchen: „Der
Zauberbrunnen".* Da hat er „Lieder der deutschen Romantik"
ausgewählt von Novalis bis Mörike; viel mehr als zwölf Dutzend
werdens nicht sein, oder kaum so viel, und kosten tut der Band auch
nur 1,50 Mk.: aber ein Schatz ist es, der mit modernen Sensationen
fürs erste nicht zu bezahlen ist. Die Abendsonne geht darin unter
über der deutschen Wald- und Wiesenlandschaft, der Mond scheint
in Teiche, und in der grünen Frühe erwarten mosige Dächer den
Tag. Burgen und Dome stehen freilich auch da und die Wander-
sehnsucht geht ein und aus durch ihre Tore; aber wer still zuhorcht,
merkt den fremden Wind darin: irgend etwas ist verschollen, eine
Welt ist versunken, die eins mit der Natur war, nicht friedlos darin
suchte. Eine große Klage ist geblieben, den meisten unverständlich,
aber die verscheuchte Seele unseres Volkstums zittert darin, die
sich abwechselnd in den Himmel der Christen, in die Fremde, in
die Vergangenheit sehnt, weil sie ihre Heimat verloren hat. In
Indien ist sie ebensowenig zu finden wie in Gerbersau; in Griechen-
land nicht und in Jerusalem nicht, und doch werden wir sie einmal
wieder suchen müssen. W. Schäfer.
ine Jean-Paul-AuSgabe
plant der Verleger Georg Müller, München, der mit der
Propyläen-Ausgabe von Goethes Werken einen so schönen Typus
neuer Klassiker-Ausgaben geschaffen hat. Daß solche Ausgabe
kommt, ist tatsächlich nötig, und es gibt auch schon mancherlei Vor-
arbeiten dafür: Vor Jahren hat George in seiner Anthologie deut-
scher Dichtung einen Band Jean Paul gewidmet und das Augen-
merk besonders auf die visionäre Seite seines Schaffens gelenkt;
Will Vesper hat ein Bändchen „Träume" aus Jean Paul zu-
sammengestellt: wenn der Verleger nach solchen Mustern eine Aus-
gabe nach dem Geiste unserer Zeit schüfe, erwürbe er sich ein Ver-
dienst. Er will mit einer zweibändigen Ausgabe der Briefe be-
ginnen und nach der Zahl derer, die an ihr Interesse nehmen, die
geschäftlichen Möglichkeiten dieses Unternehmens berechnen; wir
wünschten, daß ihn der eine oder andere unserer Leser dieses Inter-
esses versicherte, denn es würde nur ihm selber zum Nutzen sein.
* Gustav Kiepenheuers Verlag, Weimar.
Verantwortlich: Wilhelm Schäfer. — Druck und Verlag: A. Bagel, Düsseldorf. — Kunstdruckpapier: I. W. Zanders, B.-Gladbach.
All« redaktionellen Sendungen sind an den Herausgeber Wilhelm Schäfer in Vallendar a. Nb. erbeten.
Für unverlangte Manuskripte und Rezensionsexemplare wird keine Verpflichtung übernommen. Rückporto ist beizulegen.
konnte natürlich nicht so hinter seinem Werk verschwinden, wie es
der Künstler hinter einer objektiv ausgestalteten Dichtung muß.
Eine Natur wie Annette Kolb ist vom Schicksal bestimmt, sich
in Memoiren auszusprechen; und Memoiren enthält auch dies
Buch. Kaum verhüllt, schwirrt, bebt als die Heldin Mariclöe die
Schreibende selbst durch des Buches Seiten; diese Heldin weilt
als ein Gast, der sich nicht recht in das soziale Leben der andern
einordnen laßt, gerade auf den Landsitzen englischer Aristokraten
und Multimillionäre. Der Aufenthalt ist ohne Vorgeschichte, ohne
eigentlichen Abschluß dargestellt, einfach, indem zwei Monate aus
dem Leben der Heldin fast Tag für Tag mit vielen zufälligen
Gesprächen, manchen abseitigen Erlebnissen geschildert wird, wenn
auch in diesen zwei Monaten eine Liebesgeschichte kulminiert.
Denn dieser Paradiesvogel, Mariclöe, die scheinbar nur durch
ein Versehen in ihre menschliche Rolle gekommen ist, liebt: Zwei
Monate harrt sie des Geliebten, die Erfüllung besteht in einem
kurzen Gespräch; wo ein Leben so ganz in den Kopf gestiegen, in
die Nerven zersträhnt, in die Seele verdunstet ist, muß auch die
Erfüllung der Liebe eine interne Angelegenheit des vereinsamten
Organismus bleiben.
Das Buch ist voll von geistreichen Worten, Aphorismen, Er-
örterungen wie das Schmuckkästchen einer Frau von Pretiosen;
delikate Bemerkungen über die unterschiedliche Psychologie des
Engländers, des Deutschen, des Franzosen ziehen sich durch alle
Kapitel. Dis Dinge der äußeren Welt, Kronleuchter und das Ge-
spräch an einer Schiffstafel, Dienerinnen und Straßenstimmungen,
Kleider und Sonnenschirme und Automobilfahrten leben in dem
Bache in der gespenstischen Schärfe expressionistischer Kunst. Aber
das eigentliche Erlebnis, das das Buch darstellt, ist doch die Existenz
der Heldin selber, dis, in einer Welt lebend, die durch ihren Reich-
tum wie kaum eine andere zum sinnlich-natürlichen Lebensgenuß
gerufen ist, übermäßig zart und nicht arm an morbiden Zügen heu-
tigsten Seelenlebens bei einem Geist, der doch wieder erstaunlich
zentriert und kräftig ist, einfach die alte Prinzessin des deutschen
Märchens darstellt. Wirklich geht eine Linie von der „Crescentia",
der „Griseldis" des Mittelalters über Stifter und — in der „seligen
Insel" — Paul Ernst zu dieser Heldin, die in den mondänsten
Kreisen unserer Zeit zwar nicht zu Hause, aber fast zu Hause ist;
nicht anders als ein Robert Walser setzt sie, nur in einer Welt, die
die dem Geiste noch weiter entfremdet ist, gegen eine Umgebung,
deren natürliche Aaßerung ein abstruser Materialismus ist, mit
der Selbstosrstäadlichkeit des Atmens eine ganz geistig-seelische, fast
abstrus geistige Welt. Reinkarnation deutschen Wesens aus der
Zeit seiner reinsten Gestaltung, der Zeit mittelalterlicher Verehrung
der makellosen Mutter, leuchtet von ihrer Stirn, aus ihren Augen
der Glanz arischen Fühlens; schönste Stelle in ihrem Buche ist
darum auch dis, wo sie auf englischem Boden den Hauch arischen
Wesens zum erstenmal spürt, und „erkennt, warum sie lebt".
Und so ist das Buch von dem „Exemplar", das genauer von der
handelt, die „das Eremplar" liebt, im Grunde eine Legende:
Wenn man das Buch zuschlägt, wünscht man, daß diese Form auch
künstlerisch durchgeführt wäre und ein Leben damit als ein restlos
gelungenes Symbol dauernde Gestalt gewonnen hätte; solange man
im Lesen ist, empfindet man auch in dieser tagebuchartigen, in geist-
reichen Wendungen verschwenderischen Darstellung voll impressio-
nistischer Schilderungskunst das Legendäre und fühlt sich damit
im Umkreise einer Welt, in der wie zu allen großen Zeiten Kunst
und Religion zusammengeflossen sind. Joachim Benn.
ermann Hesse
hat zwei kleine Bücher herausgebracht, die beide in ver-
schiedenem Sinn nicht völlig sein eigen und doch auf eine mensch-
lich merkwürdige Weise persönlich sind.
„Aus Indien" heißt das eine;* und wenn ich von diesen „Auf-
zeichnungen" sage, daß sie nicht ganz sein eigen seien, kann ick damit
natürlich nur jenen allgemeinen Zustand meinen, aus dem solche
Büchsr entstehen: irgend wer, der Augen, Ohren und Nase als
Organe seiner Seele zu gebrauchen und deren Erlebnisse nieder-
zuschreiben versteht, geht auf den Zufall einer Reise und bringt
uns Stubenhockern mehr oder weniger triumphierend sein Buch
mit. Erlebnisse sind es zwar meist nicht, bestenfalls Sensationen,
die man ganz gewiß als Surrogate starker Erlebnisse bezeichnen
* Verlag S. Fischer, Berlin.
darf; durch fremde Landschaften und anderes Menschentum an-
geregt, notiert die empfindsame Seele Eindrücke, die nicht genug
Erlebnisse geworden sind und eigentlich mehr durch eine Seele
hindurchgehen, als daß sie in ihrem Lebensboden stark wurden.
Der empfindsame Leser erhält wirklich ein Stück Natur durch ein
Temperament gesehen; nur daß dieses Temperament leider zu
oft eine verteufelte Ähnlichkeit mit einem Filmband hat. Natürlich
sind in unserer Zeit die Möglichkeiten der Filmbänder noch nicht
ausgeschöpft, nach Dauthendey, Kellermann und Holitscher werden
die „unerhörten Sensationen" erst beginnen: aber ob die Lust
am Kino noch lange vorhält?
Im Ernst — bin ich altmodisch und rückständig? — mir kommt
diese ganze weltreisende Literatur ein wenig wie das Vergnügen
des bäuerlichen Arbeiters vor, der sich Sonntags durchaus in den
Straßen, Kneipen und Buden der Großstadt amüsieren will.
Die Seele mag schöne Fähigkeiten entfalten in der entzückenden
Aufnahme und Wiedergabe der fremden Welt: nur ihr selber
geht vielerlei dabei verloren. So vermag ich in allen Mängeln
des Hesseschen Reisebuchs nur immer wieder den Vorteil zu sehen:
daß er auch in den Urwäldern Sumatras stets der Schwabe Hermann
Hesse bleibt, der neben den entfesselten Schilderungen Holitschers
hilflos sein enges Gehäuse zeigt. Aber warum soll ich nun von
draußen immer berichtet erhalten, was die fremde Welt in flüch-
tigen Stunden aus einem europäischen Landsmann macht? Warum
soll mir ein Landsmann nicht auch einmal erzählen, wie ihm diese
Welt vorkam? Man kann sich an die Dinge hängen und umgekehrt
die Dinge an sich; Hesse tut das letztere, es scheint mir schlichter
und im Grunde wertvoller.
Dabei verkenne ich nicht, daß seine Sentimentalität da draußen
nicht am Platze ist; aber der Dichter leugnet das auch garnicht,
er ist schließlich nicht Indiens, sondern seinetwegen in diese Welt
gefahren, und was er heimbringt, sind deshalb seine Sachen:
kluge, gebildete Einsichten, stille Beobachtungen und besonnene
Gefühle. Vielleicht hätte auch er noch etwas warten sollen, bevor
er seinen Bericht gab: aber auch so enthält er viel stilles Erlebnis,
das ebensowenig in den Kino paßt, wie seine ganze Art in den mo-
dernen Betrieb.
Wo er zubause ist, das zeigt sein zweites Bändchen: „Der
Zauberbrunnen".* Da hat er „Lieder der deutschen Romantik"
ausgewählt von Novalis bis Mörike; viel mehr als zwölf Dutzend
werdens nicht sein, oder kaum so viel, und kosten tut der Band auch
nur 1,50 Mk.: aber ein Schatz ist es, der mit modernen Sensationen
fürs erste nicht zu bezahlen ist. Die Abendsonne geht darin unter
über der deutschen Wald- und Wiesenlandschaft, der Mond scheint
in Teiche, und in der grünen Frühe erwarten mosige Dächer den
Tag. Burgen und Dome stehen freilich auch da und die Wander-
sehnsucht geht ein und aus durch ihre Tore; aber wer still zuhorcht,
merkt den fremden Wind darin: irgend etwas ist verschollen, eine
Welt ist versunken, die eins mit der Natur war, nicht friedlos darin
suchte. Eine große Klage ist geblieben, den meisten unverständlich,
aber die verscheuchte Seele unseres Volkstums zittert darin, die
sich abwechselnd in den Himmel der Christen, in die Fremde, in
die Vergangenheit sehnt, weil sie ihre Heimat verloren hat. In
Indien ist sie ebensowenig zu finden wie in Gerbersau; in Griechen-
land nicht und in Jerusalem nicht, und doch werden wir sie einmal
wieder suchen müssen. W. Schäfer.
ine Jean-Paul-AuSgabe
plant der Verleger Georg Müller, München, der mit der
Propyläen-Ausgabe von Goethes Werken einen so schönen Typus
neuer Klassiker-Ausgaben geschaffen hat. Daß solche Ausgabe
kommt, ist tatsächlich nötig, und es gibt auch schon mancherlei Vor-
arbeiten dafür: Vor Jahren hat George in seiner Anthologie deut-
scher Dichtung einen Band Jean Paul gewidmet und das Augen-
merk besonders auf die visionäre Seite seines Schaffens gelenkt;
Will Vesper hat ein Bändchen „Träume" aus Jean Paul zu-
sammengestellt: wenn der Verleger nach solchen Mustern eine Aus-
gabe nach dem Geiste unserer Zeit schüfe, erwürbe er sich ein Ver-
dienst. Er will mit einer zweibändigen Ausgabe der Briefe be-
ginnen und nach der Zahl derer, die an ihr Interesse nehmen, die
geschäftlichen Möglichkeiten dieses Unternehmens berechnen; wir
wünschten, daß ihn der eine oder andere unserer Leser dieses Inter-
esses versicherte, denn es würde nur ihm selber zum Nutzen sein.
* Gustav Kiepenheuers Verlag, Weimar.
Verantwortlich: Wilhelm Schäfer. — Druck und Verlag: A. Bagel, Düsseldorf. — Kunstdruckpapier: I. W. Zanders, B.-Gladbach.
All« redaktionellen Sendungen sind an den Herausgeber Wilhelm Schäfer in Vallendar a. Nb. erbeten.
Für unverlangte Manuskripte und Rezensionsexemplare wird keine Verpflichtung übernommen. Rückporto ist beizulegen.