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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Strauß, Ludwig: Die Gefangenen
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Gorsleben, Rudolf John: Das Hildebrandslied
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0170

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Die Gefangenen.

der Liebe in ihr erwachten, die sonst mit ihrer einfachen
und süßen Weiblichkeit sie selbst entzückt hätten. So
überließ sie sich ganz einer unbestimmten Glückseligkeit.
Er war gleichfalls hingenommen von der Ungewohnt-
heit dieses Abenteuers. Seine Gedanken wagten nicht,
an dieses neue, unendlich zarte und verletzbare Gut zu
rühren; sie gingen inzwischen ihre alten Wege weiter
und beschäftigten sich selbst noch wie früher nut der Vor-
stellung seines weiblichen Ideals: eines gütigen, festen,
harmonischen Wesens von abgerundeter, aber keines-
wegs erschreckender geistiger Bildung.
An einem Nachmittag gingen die beiden jenen Wald-
weg, auf dem sie sich zuerst zusammengefunden hatten.
Als sie der Bank nahekamen, sah Gebhard plötzlich, wie
Irenes Schritte unsicher wurden, wie von einem Schwin-
del verwirrt. Ihre Augen blickten fremd und bestürzt.
Er schaute auf: ein hochgewachsener Mann mit breitem
Hut und klugem, durchgearbeitetem, etwas exzentrischem
Gesicht saß auf der Bank. Irene rief mit einer klam-
mernden Stimme einen Namen, der Gebhard fremd
war. Sie schritten auf die Bank zu, der Fremde grüßte,
die beiden erwiderten seinen Gruß und setzten sich,
Irene zwischen die jungen Männer. Nach kurzer Zeit
stand sie rasch auf, sie tat einen Sprungschritt vor-
wärts, ihre Glieder bebten von plötzlichem Weinen.
So stand sie da, einmal zuckte ihr rechter Fuß zu
einem kindlich trotzigen Stampfen. Die beiden Män-
ner maßen sich inzwischen nicht ohne Sympathie
doch mit Zurückhaltung. Endlich sagte Gebbard mit
einer ruhigen Stimme, als habe er etwas Selbstver-
ständliches nicht beachtet, was ihn doch beim Auf-
merken nicht weiter wunderte: „Ach so." Dann zog
er den Hut und ging.

as Hildebrandslied.
Übersetzt von Rudolf John von Gorsleben.
Ich hörte das sagen.
Daß Helden einzeln sich heischten zum Kampfe,
Hildebrand und Hadubrand zwischen zwei Heeren.
Vater und Sohn! Sie prüften die Rüstung,
Sie schnallten den Harnisch und fester die Schwerter,
Die Recken, breit über die Ringe der Brünne,
Da sie gerüstet zum Streite nun ritten.
Und Hildebrand rief, der ältre der Männer,
Der Vielerfahrne, cmhub er zu fragen
Mit wenigen Worten: „Zu wissen gib Kunde,
Wer Vater dir ist in der Menschen Volk,
Oder wessen Geschlechtes Erzeugter du wärest.
Wenn du einen mir wiesest, so wüßt ich die andern,
Als Kind dieses Königreichs kund sind mir alle."
Und Hadubrand rief, des Hildebrand Sohn:
„Das sagten vor alters mir unsere Leute,
Die Alten und Weisen, die eher dahin sind,
Daß Hildebrand Vater mir, Hadubrand, hieße.

Vor Otakers Zorn gen Osten einst zog er
Dahin mit Dietrich und vielen der Degen. —
Verlassen im Lande ließ elend er sitzen
Die Braut im Bau, unmündig den Bankert. —
Des Erbes beraubt, hin ritt er gen Osten,
Seit Dietrich der Hand bedurfte des Vaters,
Denn das war ein so freundloser Mann. —
Gewaltigen Zorn trug er Otakers Tücke,
Der tapferste Degen in Dietrichs Dienst. —
Dem Volk stets voraus fand er Freude zu fechten. —
Wohl kund war er kühnen Männern, der Kämpe! —
Vor langem doch, wähn ich, schon ließ er den Leib."
Und Hildebrand rief, des Heribrand Sohn:
„Bei Gott, dem Allmächtigen, oben im Himmel,
Daß niemals du fürder mehr führest zu Kampfe,
Mein Sohn, mit so nahe gesipptem Manne!
Sieh, ich bin Hildebrand, Heribrands Sohn."
Da wand er vom Arme gewundene Ringe
Von Kaisergold, wie es der König ihm gab,
Der Hunnen Herr: „Daß in Huld ich dirs gebe!"
Doch Hadubrand rief, des Hildebrand Sohn:
„Mit dem Gere soll man Gabe empfangen,
Auge in Auge, du alter Hunne!
Arglistig mit Worten willst du mich locken,
Und tückisch dann mit dem Speere mich werfen.
So bist du gealtert in ewigen Listen.
Wohl gewahr ich an deiner Waffen und Rüstung,
Daß daheim einen guten Herren du habest.
Daß du diesem Reiche nicht landflüchtig wurdest.
Das sagten mir Schiffsleute, Seebefahrne,
Westwärts über dem Wendelmeer, daß Kampf ihn
entraffte.
Tot ist Hildebrand, Heribrands Sohn!"
Und Hildebrand rief, des Heribrand Sohn:
„Wohlauf nun, wallender Gott, so Wehe geschehe!
Ich wallete Sommer und Winter sechzig die Lande,
Da stets man mich scharte zum Volke der Streiter,
Vor keiner der Burgen den Tod man mir gab.
Nun soll mit Schwerte mein eigenes Kind mich
schlagen,
Mit Beile mich brechen oder ich zum Mörder ihm
werden.
Doch magst du vielleicht, wenn dein Arm dir taugt,
Mir altem Manne die Rüstung gewinnen,
Raub erbeuten, wenn das Recht sich dir beugt. —
Der wäre denn doch der Feigste der Goten,
Den Kampf dir zu warnen, nach dem es dich lüstet.
Entscheide das Schwert dann, wem es beschieden,
Der Rüstung heute noch ledig zu werden,
Oder beide der Brünnen Bewahrer zu sein."
Da ließen sie erst ihre Eschen schreiten,
Daß mit scharfem Schauer in den Schilden sie standen,
Dann stampften sie, daß der Steingrund stöhnte.
Zerhieben harmvoll die Hellen Schilde,
Bis klein zu Splittern die Linden zerfielen.
Zerpflückt von der Schärfe der Waffen. —


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