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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Rab, Julius: Rembrandt
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Rahn, Harry: Er und ich
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0416

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Rembrandt.
Wer pocht? Der Tod!—Der Tod? Du willst die Frau?
den Knaben? auch den Knaben? —! — Nimm; sie tragen
das Licht nicht fort, in dem sie vor mir lagen.
Sei wahrhaft, wahrhaft Licht! Wie bog den Bau
vom dunklen Stoff zu Geist mir dein Versprechen
so oft! so oft! — Doch alle Brücken brechen.
3.
Du logst mir Licht! Die bunte Fläche breitet
sich auf der hohlen Welt, die nicht besteht.
Oft griff ich zu und fühlte: sie vergeht,
wie leere Luft durch feuchte Finger gleitet.
Wer aber führt, da du mich irrgeleitet,
mein suchendes Gesicht? — Es ist schon spät.
Ist, was wie Nüstern mir im Nacken weht,
Verwesung, die mein Elend überreitet?
Noch nicht! noch einmal Aug in Aug mit dir!
geliebter Todfeind, geisternde Gestalt!
dein Lichtkleid reißt und meiner Finger Gier
wühlt nacktes Wesen auf aus Spalt und Spalt.
Aus leuchtend dunkler Massen Wirbel fegt
der Blitz, der Geister aus Gestalten schlägt.
Der Schein brennt auf. Die letzte Brücke trägt.
Julius Bab.
und ich.
Von Harry Kahn.
Am Abend kam Bonaparte durch das Dorf Marengo
geritten. Lächelnd und lässig saß er auf einem außer-
ordentlich edlen Eisenschimmel, aus dessen Maul der
weiße Schaum in den Kot der Straße tropfte. Es
regnete in feinen Strichen; aber gegen Westen hellte
den Horizont, obschon man sie nicht sah, die untergehende
Sonne. Hinter Bonaparte ritten ein paar Generale;
hinter diesen ein halb Dutzend Leutnants in bespritzten
Uniformen. Bonaparte sah immer gradaus: die zer-
schossenen und verbrannten Häuser, die rauchenden
Wände längs seines Wegs sah er nicht an.
Plötzlich, fast schon am andern Ende des Dorfs,
wurde er aufgehalten: Krankenträger schleppten Bahren
aus einer Seitengasse quer über die Straße, nach einem
ziemlich unversehrten Haus, über dessen Tür, derb
genagelt, ein Schild hing: 08teriu 6e§1i K.mici und
ein plumpgemalter Trinkbecher daneben. Im Tür-
rahmen stand ein Feldscher und gab Anweisungen.
Bonaparte lenkte hinüber und fragte den Feldscher:
„Welches Bataillon?" — „Musketiere dreiundzwanzig."
— „Wo haben sie gekämpft?" — „An der südlichen
Bormidabrücke." — „Ah. . .! Wieviel?" — „Achtzehn
Mann; ein Leutnant." Bonaparte schlug stutzend die
immer etwas gesenkten Lider auf. Der Feldscher zuckte
die Achseln: „Sie haben auch nur zwei Tote: einen

Hauptmann und den Major." — „Nicolet?" — „Ja-
wohl." — „Schade . . ." sagte Bonaparte mit einer-
kleinen Wendung zu den Generalen hinter ihm; dann
wieder zum Feldscher: „Führen Sie mich;" und sprang
leicht vom Pferd. Hinter dem Feldscher trat er ins
Haus. Die Offiziere folgten.
Unmittelbar neben der Tür lag die Gaststube; sie
war niedrig und lang, wie ein Stall. Aus dem Halb-
dunkel tauchte zu beiden Seiten eine Reihe Belten auf.
„Ah, ihr Tapferen," entfuhr es Bonaparte an der
Tür, scheinbar wider seinen Willen; aber es war ein
kühler Klang in der Stimme. „Es lebe Bonaparte!"
hallte es schwach von den Wänden: die Anstrengung
der Stimmbänder war zu spüren; eine Stimme brach
auf dem „r" von Bonaparte ab und wurde zu einem
krächzenden Röcheln. Bonaparte ging darauf zu. Es
verstummte. Auf dem Bett lag ein blutjunger, blonder
Mensch: die Stirn war tiefbleich; die blauen Augen
starrten, in verglaster Begeisterung, an Bonaparte vor-
bei. Der drückte sie zu und legte die Hände des Toten
ineinander; dann knüpfte er das Kreuz, das er am
Rock trug, los, und häkelte es an einen der krampfigen
Finger. Wieder hallte es flackernd von den Wänden,
aber lauter und drängender als vorher: „Es lebe Bona-
parte!"
Bonaparte schritt zu der Gruppe der Offiziere an
der Tür zurück. „Der Leutnant," sagte er zu dem
Feldscher, kalt, als entledige er sich einen Auftrags.
Sie gingen zur Tür hinaus; durch einen schmutzigen
Hof um das Haus herum; eine Holztreppe hinauf.
In der Schlafkammer der Wirtsleute, einen: engen,
schräggedeckten Raum mit einer Luke, lag der Leut-
nant. Die Flämmchen eines dreiarmigen Ölleuchters
auf einem entfernten Tischchen warfen Schein und
Schatten über sein wachsblasses Gesicht und die blau-
ädrigen Hände, die auf der rotgewürfelten Bettdecke
zuckten. Über dem Bett an der Wand hing ein höl-
zerner Christus.
Bonaparte ging auf das Bett zu. „Wie heißen Sie,
Leutnant?" — „Graf d'Huussonville-keri^ortt." —
„Sie sind der einzige verwundete Offizier Ihres Batail-
lons?" — „Ja, mein General." — „Was ist es?" —
„Zerreißung der Lunge, sagt der Feldscher." — „Stich
oder Schuß?" — „Keins von beiden." — „Wieso sind
Sie dann verwundet?" — „Durch den Hufschlag eines
verendenden Pferdes." Bonaparte dachte einen Augen-
blick nach: „Lagen Sie denn zu Boden?" Der Leutnant
nickte langsam. — „Wieso?" Der Leutnant schwieg.
„Wieso?" fragte, nach einer Sekunde Schweigens,
Bonaparte noch einmal, ein wenig lauter. „Ich war
in Ohnmacht gefallen." — „Vor Angst," sagte Bona-
parte, mit einem sicheren Ton, als müsse es so sein.
„O, wenn es das gewesen wäre!" rief der Leutnant
aus. „Was war es denn?" Der Leutnant schwieg.
„Was war es?" Schweigen. Die blaugeäderten Hände
fuhren glättend auf der Bettdecke hin und her; ein
knisterndes Geräusch ging davon durch die Stille. Bona-
parte drehte den Kopf und suchte den Feldscher mit
fragenden Augen. Der schüttelte heftig den Kopf. Da
winkte Bonaparte einen der Generale heran und flüsterte
ihm etwas zu. Der General lächelte, löste aus dem
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