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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Bab, Julius: Theatralisches Jahr
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Kramer, Josef: Drei Gedichte: Jsoldens Klage (Aus einem Zyklus "Tristan"). Mein Haus. Nachteinsamkeit.
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0339

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Theatralisches Jahr.

aus seiner provisorischen Verwaltung so allgemach den
dauernden Direktor werden läßt, ist ja für das Institut
charakteristisch genug. Was die Burg (von ein paar-
interessanten Schauspielern abgesehen) von der Berliner
Hofbühne noch günstig unterscheidet: der Glanz einer
großen Tradition, — eben das ist (mehr als der in Berlin
ausschlaggebende höfische Druck) der Quell des Übels,
denn der bequeme und eitle Sinn der Wiener verschlaft
auf diesem vornehmen Ruhekissen die Gelegenheit zu
jeder wirklichen Tat. — — An anderen deutschen Hof-
bühnen sieht es nicht so trostlos aus. In Stuttgart ist
man liberal und vielseitig, aber freilich in den Mitteln
beschränkt. Das Münchner Hoftheater hat durch den
ehrlichen Ernst Kilians und den schauspielerischen Unter-
nehmungsgeist Albert Steinrücks eine gute Zeit. Und
die Dresdner haben für ihr technisch vollkommenes neues
Haus ein Repertoire angekündigt, das, in seinen klassi-
schen und modernen Versprechungen, von Shakespeare
bis Strindberg, von Aeschylos bis Wilhelm Schmidt-
bonn greifend, wahrhaft bewältigt, der Bühne eine
allererste Stelle in Deutschland sichern müßte. Wie
weit freilich die Kräfte dein löblichen Willen ent-
sprechen werden, steht dahin.
Wenn auch die Situation nirgends so schlimm ist,
wie in Berlin, so wird man doch im Prinzip sagen müssen,
daß die Höfe heute allenthalben in Deutschland dem
Leben, um dessen künstlerische Fassung es in Wahrheit
geht, zu fern stehen, als daß die von ihnen gehaltenen
und zuletzt geleiteten Theater den Ansprüchen der Zeit
auf die Dauer genügen könnten. Und auch Privatunter-
nehmer können das auf die Dauer nicht. Brahm ist
eben gerade als Ausnahme bedeutend. Reinhardt erhält
sich doch nur durch ein sehr häufiges Lavieren an der
Grenze des künstlerisch Qualifizierbaren. Die zahlreichen
kleinen Direktoren, die sich in den letzten Jahren in den
deutschen Großstädten als Konkurrenz für den offiziellen
Stadt- oder Hoftheaterschlendrian angesiedelt haben
(ich erwähne nur das bald gescheiterte „Komödienhaus"
von Martin in Frankfurt a. M. und des sehr tüchtigen
Direktors Geisel „Neues Schauspielhaus" in Königsberg),
sie kämpfen doch alle mehr oder weniger einen materiellen
Verzweiflungskampf, der reine Kraftentfaltung un-
möglich macht. Da sind denn von höchster Wichtigkeit
jene neuen Bildungen, die das Theater wieder auf
organisierte Mengen, die soziale Institution auf soziale
Kraft stützen, die Volksbühnen, die, aus der Arbeiter-
schaft hervorgegangen, doch mehr als klassenmäßige Be-
deutung haben. Der Wiener Volksbühnenverein hat
dies Jahr zum erstenmal im eigenen Hause mit eigenem
Ensemble gespielt und trotz einiger Krisen einen im
ganzen schönen Erfolg erzielt. Die „Neue Freie Volks-
bühne" aber in Berlin, die schon seit mehreren Jahren
mit eigenem Ensemble in einen: gemieteten kle nen
Bühnenhause spielt, ist jetzt dabei, mit einer Millionen-
hypothek des Magistrats Berlin von Oskar Kaufmann
ein großes, eigenes Haus errichten zu lassen. Sie
hat sich mit der alten „Freien Volksbühne" kartelliert,
und das bedeutet nun einen Stamm von 75 000Menschen,
die sich zum regelmäßigen Besuche eines ernsthaft der
Kunst geweihten Hauses' verbinden. Das bedeutet ein
Publikum, das einmal vor der Unternehmung da ist,
und das deshalb den Männern, die es zu seiner künst-

lerischen Befriedigung beruft, eine Sicherheit und Klar-
heit des Arbeitens ermöglicht, wie sie im deutschen
Theaterbetriebe bisher noch nicht vorhanden war. Zwei
socher Bühnen, noch dazu erst in den Anfängen künst-
lerischer Selbständigkeit, das ist für das große Deutsch-
land wenig genug; aber es kann ein Anfang sein. Hier-
können die Keime sein, aus denen jene Sozialisierung
des Theaters wächst, die zugleich seine künstlerische Be-
freiung und Reinigung bedeuten würde.
Julius Bab.


rei Gedichte von Josef Kramer.
Isoldens Klage.

(Aus einem Zyklus „Tristan".)

Wie über Gült die Säule Rauches ragt,
steh ich unregbar über meinem Leid,
gram jedem Windwort, das vorüberfragt
nach fremden Dingen.
Aus Feuerringen
baut sich mein Leben qualvoll in die Zeit.

Ich bin ein Schatten über grelles Land,
bin Qualm und Nacht, verrinnend in den Raum.
Ich brenne und verbrenn am eignen Brand.
Nur manchmal steigen
aus mir im Reigen
Ringwölkchen auf zu blauem Traum.

Mein Haus.
Auf steilen Fels hab ich mein Haus gestellt,
auf die Welt und über die Welt.
Weit springt aus meinen Fenstern die Sicht
über Schlünde und Gründe
und Wipfel und Gipfel,
bis sie am Horizont zerbricht.
Wolken steigen herauf meinen Hügel,
strecken und recken greifende Flügel
und umklammern mein Haus und tragen mein Haus
weit in die breite Ferne hinaus,
bis es blitzedurchleuchtet und sturmüberbrandet
auf Abend- und Morgenröten landet:
und die Welt wird mein Haus.

Nachteinsamkeit.
Wie eine Schildwacht schreitet Nacht um meine Wände,
gefesselt liegt mein Wort in Kett' und Spangen.
In Nacht und Schweigsamkeit bin ich gefangen.
Von Tagwerk bleischwer hangen meine Hände.
Da zuckt durch meine Mauern silbern Klingen
und pulst in gleichgemeßnen Schlägen.
Es klingt wie Blut. Es fällt wie heißer Regen.
Es pulst und klingt um mich aus allen Dingen.
Was spülst du, Blut, um Schläfe mir und Wange?
Klingst du aus mir, ein eigner fremder Wille?
Ein tönender Schweiger wohn ich über Schlaf und
Stille.
Selig neig ich mein Haupt meinem Klange.

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