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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Hansen, Margret: Fête champêtre
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ete eliampetre.
Von Margret Hansen.
In seinem fünfundvierzigsten Jahre warb Graf
Clemens um die Hand der blutjungen und schönen
Beatrix, der Tochter eines bürgerlichen Mannes von
unbekanntem Namen. Da er seine Verwandten durch-
aus nicht um Rat gefragt hatte bei diesem Schritte, so
wurde er von den meisten gemißbilligt; selbstverständ-
lich war ja, daß Clemens sich einmal vermählen mußte,
aber es war ungehörig, daß ihm seine Pflicht gerade dann
zum Bewußtsein kam, als alle Nahestehenden seit ge-
raumer Zeit vergessen hatten, ihn daran zu erinnern.
Und was wollte dieser unruhige, abenteuernde Mann
mit einem so jungen, unerfahrenen Mädchen anfangen,
das gut dem Alter nach seine Tochter heißen und noch
nicht jene Kühle des Herzens besitzen konnte, die not-
wendig war, um die Ehe mit einem Manne wie Clemens
zu führen. Daß die Sache bei ihm ein Teil Laune, ein
Teil Neigung und ein Teil das Vergnügen daran war,
seine adelsstolze Sippschaft zu ärgern, galt seinen Freun- -
den für ausgemacht, ebenso, daß Beatrix durch den Reich-
tum und den Namen des Bewerbers verblendet war,
was man ihr auch gar nicht verdachte. Niemand kannte
sie, niemand wußte das geringste von ihr, aber daß sie
liebreizend war, wurde als sicher angenommen, da
Clemens, der sein Lebtag nur die schönsten und geschei-
testen Frauen umworben und erobert hatte, vorzüglich
keine reizlose Gemahlin wählen würde.
Indessen lagen die Dinge in Wahrheit so, daß Clemens
von einer aufrichtigen Liebe zu der jungen, unschulds-
vollen und schönen Beatrix ergriffen war und als der
Bittende vor der stand, von welcher die Welt glaubte,
sie habe auf den Knien das unerhörte Glück dankbar zu
empfangen.
Clemens hatte sich — da er es seiner Stellung schul-
dig war, dem alten Besitz und was für Gründe da sonst
sind, die einen seine Freiheit liebenden Mann doch
endlich zur Heirat zwingen — auf die Brautschau be-
geben, heimlicherweise, um seinen Schatz buchstäblich
auf der Straße zu finden, wo Beatrix an ihm vorbei-
schritt und ihn durch eine liebliche Hoheit, mit der die
Natur sie geadelt und bevorzugt hatte, derart rührte und
fesselte, daß er ihre Spur nicht wieder losließ. Als sie
durch die Menschenmenge gegangen war, hatte ihre
Schönheit, wie wenn ein Korb mit Blumen dahin-
getragen wäre, einen förmlichen Strom von Frische
und Duft gezogen, und viele Augen hatten sich ihr in
einem Gefühl der Beglückung nachgewandt. Dieser
Hauch des Beglückenden und Erfreuenden ging so stark
von ihr aus, daß Clemens das Mädchen für sich zu ge-
winnen trachtete, in dem sicheren Gefühl, daß hier ein
lauterer, unverdorbener O.uell des Lebens war.
Bei seiner Werbung sagte er freimütig, daß er das
ungebundenste Dasein geführt habe, daß er Beatrix
auch keineswegs Versprechungen der unbedingten Treue
zu machen wage, daß er sie aber liebe und sie höher stelle,
als alle Frauen, die er bisher gekannt habe, und daß er
ihr, soviel er nur vermöge, Schmerzen ersparen wolle.
Das alles brachte der schöne, stattliche, leicht ergraute

Mann in so innigem Tone des Herzens vor, daß Beatrix,
die ihn seit dem ersten Sehen mit all der Kraft und dem
Mute ihrer Jugend liebte, hingerissen sagte: ihr schwebe
vor, die Liebe zwischen zwei Menschen müsse einer
Mondkugel gleich etwas Gerundetes und Volles sein,
und selbst wenn die Liebe des einen weniger tief sei,
so könne das Verhältnis doch etwas Vollkommenes
werden, wenn der andere das Fehlende an Liebe noch
mitaufbiete, und sie glaube, daß sie das könne. Sie sei
auch selbst freiheitsliebend genug, um zu verstehen, daß
er dann und wann nichts werde von ihr sehen mögen,
vielleicht nicht deshalb, weil er seine Neigung von ihr
gewendet habe, sondern weil er die Freiheit fühlen
müsse, um sich des Wertes ihrer Liebe wieder besser
bewußt zu werden, gleichwie die Heimat doppelt süß
scheine, wenn man in der Fremde sei. Sie wünsche nur
eines, er möge immer wieder, wie heute, sagen können,
daß er sie lieb habe und sie unter allen Frauen am
höchsten stelle.
Etwa acht Wochen, nachdem die Welt Kunde von
diesem Verlöbnis erhalten, sich wieder beruhigt hatte
und nun mit Neugierde der schon auf den übernächsten
Monat anberaumten Vermählungsfeier entgegensah,
war Beatrix mit ihrer Mutter für kurze Aeit als Gast
auf Clemens' Schlosse.
In der Frühe eines sonnigen, funkelnden Maitages
saß das Brautpaar allein beim Frühstück unter der großen
Buche vor der Schloßterrasse. Beatrix' schönes Gesicht
strahlte, und ihre Mienen, wie jede der Bewegungen ihrer
geschmeidigen Gestalt schienen zu sprechen: das Leben
hat mich gerufen, ich bin voll Dank, denn nun will ich
meiner Kräfte froh werden.
Clemens genoß den Anblick des flimmernden Blond-
hauptes, der leuchtenden Augen, der jungen, so jungen
Gestalt des schönen Mädchens im weißen Kleide, das
da an seinem Tisch, in seinem Garten, auf seinem Grund
und Boden saß als seine süße, selbsterwählte Herrin —
und sein Eigentum; ja, das war sie gewissermaßen,
dafür hatte er — einen Teil — seiner Freiheit auf-
gegeben. Er ward sich dieses bescheiden-großartigen
Besitzgefühls der jungen Beatrix gegenüber mit einer
leisen Belustigung bewußt, als er aber in ihren liebenden
Blicken eine so volle Hingabe las, schämte er sich und bat
mit einem leisen rind ehrfurchtsvollen Kusse auf ihre
Hand sein Unrecht ab, von dem das Mädchen nichts
wußte. Es erstrahlte, erglühte bei der Huldigung, die es
aus diesem Kusse fühlte, und war so schön, daß Clemens
flüsterte: „Du machst es nur schwer, dich nicht in meine
Anne zu nehmen und dein liebes Gesicht zu küssen, aber
dort ist Publikum"—und er wies mit leichter Bewegung
nach der Terrasse, über die eben eine Jungfer herabstieg,
um zu melden, daß Beatrix' Mutter bitte, sie für das
Frühstück zu entschuldigen, da sie schlecht geschlafen habe
und noch ruhen wolle. Clemens und Beatrix ließen ihr
Bedauern hören, die Tochter versprach, bald nachzu-
sehen, und beide lehnten sich, nachdem die Jungfer
wieder verschwunden war, tiefer in ihre Stühle zurück
und genossen das Alleinsein zu dieser Stunde des jungen
Morgens. Die weiche Luft umschmeichelte sie und all
der Glanz, der von den Blumen kam, roten und gelben,
die auf den Beeten an ihrer Seite dufteten, der Buche


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