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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Scholz, Wilhelm von: Gefährliche Liebe, [12]
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0201

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efährliche Liebe.
Von Wilhelm

v. Scholz.

Dritter Auftritt des vierten Aufzuges.
Frau von Tourvel allein. Spater Diener. Dann
Marquise von Merteuil.
Tourvel
Nun hält eirüWagen
am Haustor. Sollte die Marquise doch
noch zu mir kommen —
Diener hereinmeldend
Frau Marquise von Merteuil.
Marquise
Liebe, gnädige Frau —
Tourvel zeremoniös
Ich bin Euer Gnaden
ergebene Dienerin.
Marquise
Nicht, gnädige Frau,
so förmlich! Hat der Chevalier
von Danceny* es Ihnen nie gesagt,
wie man bei uns von Ihnen spricht, beklagend,
daß Sie sich immer uns entziehen; wir sind
beinahe schon alte Bekannte, ja.
Freilich, nun glaub ich gern, daß Sie die Welt
nicht leicht hinauslockt, da ich jetzt Ihr Haus
sehe, das alt-behaglich-friedliche,
die Räume, die Lärm, Feste von sich weisen
für weite Stille und Umschlossenheit.
Tourvel
Es ist sehr einfach freilich —
Marquise
Nicht das! Nein —
es ist beseelt.
Tourvel
Mein Bruder Charles wird es
sehr, sehr beklagen, Frau Marquise, daß er,
A n m. Der Stoff der „Gefährlichen Liebe", des neuen
Schauspiels von W. v. Scholz, ist dem Roman „liaisons «ckan-
Mremsss" entnommen, in welchem der spätere Revolutions-
general Choderlos de Laclos der depravierten und moralisch ver-
fallenden, doch noch immer glänzenden und lebensvollen Gesell-
schaft des nnoisn rsZilris den Spiegel vorhält. Wie im Roman
stehen im Schauspiel der Vicomte von Valmont, eine Art fran-
zösischer Don Juan, und die leidenschaftliche Marquise von Mer-
teuil im Mittelpunkt. Sie haben ein eifersüchtiges, oft bis zum
Haß gereiztes Liebesverhältnis. Frau von Merteuil hetzt den
Vicomte z. B. zur Verführung der schönen und nicht in den
Kreisen des verderbten hohen Adels lebenden Frau von Tourvel,
sowohl um sich an dieser Frau wegen Nichtachtung zu rächen als
auch aus selbstquälerischem Triebe. Gleichzeitig versucht sie zu
verhindern, daß es Valmont gelingt, um ihn dann verlachen zu
können. Sie bestellt zu diesem Zweck einmal einen Bravo, der
ihm auflauern soll, außerdem sucht sie durch halbwahre Erzählungen
ihn bei Frau von Tourvel in Mißkredit zu bringen. Die ab-
gedruckte Szene des vierten Aufzuges behandelt diesen von Liebe
und Haß diktierten Kampf. — Den Hintergrund des Dramas
bildet die beginnende französische Revolution. — Das Schauspiel
erscheint als Buch bei Georg Müller, München.
* Danceny ist der junge Bruder der Frau von Tourvel und
Freund des Vicomte von Valmont.

wie Jugend ungeduldig, nicht gewartet
und grad im Augenblick fortging. Sie müssen
ihm fast begegnet sein.
Marquise
Ich selber bin
an der Verspätung nicht unschuldig ganz.
Ich dachte, käm ich früher, könnt ich den
Vicomte von Valmont treffen —
Tourvel
Hier?
Marquise
Ihr Bruder
ist Freund des Herrn Vicomte —
Tourvel
Doch er verkehrt
in diesem Hause nicht.
Marquise
Es freut mich herzlich,
daß meine Furcht ganz unbegründet war;
so sehr ich es bedaure, daß ich Herrn
von Danceny verfehlte. Lassen Sie
die Hoffnung mich mitnehmen, daß Sie bald —
Tourvel
abwehrende Bewegung.
Marquise
Au Festen nicht, nur zu Musik, wenn wenige
befreundete Gäste — doch ich will nicht drängen.
Auf Wiedersehen!
Tourvel
Frau Marquise, haben
Sie einen Augenblick noch für mich Aeit?
Marquise
Natürlich, ja —
Tourvel
Sie nannten den Vicomte
von Valmont meines Bruders Freund. Er ist's.
Mein Bruder Charles ist jung. Ich bin für ihn
nicht Schwester nur, muß ihm auch Mutter sein.
Verbergen Sie mir nicht: was läßt Sie wünschen,
den Herrn von Valmont nicht zu sehn?
Marquise leichthin
Oh, nichts —
Der Herr von Valmont ist einer der ersten
Herren der Gesellchaft. Mißverstehen Sie
mich nicht, gnädige Frau. Ich wünsche nichts
an ihm zu tadeln — eine Bagatelle,
die mir mit ihm begegnet ist, ist kaum
der Rede wert —
Tourvel
Verzeihen Sie mir! Ich wollte
nicht ein Vertrauen —
Marquise
Nein, nein. Ich bitte Sie.-
Ich habe kürzlich seinem Spiel ein Kind,
das er verführte und verderben wollte,
entrissen, eh es ganz zugrunde ging,
und in das Kloster St. Clarice gerettet.

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