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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Hesse, Hermann: Gedichte
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Coellen, Ludwig: Snobismus und Kunstinteresse
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0083

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Gedichte von Hermann Hesse.

Gemeinsame Jugend.
Wenn wir jetzt die Heimat wieder sehen,
gehen wir bezaubert durch die Stuben,
bleiben still im alten Garten stehen,
wo wir einst gespielt als wilde Buben.

Herbstbeginn.
Der Herbst streut weiße Nebel aus,
es kann nicht immer Sommer sein!
Der Abend lockt mit Lampenschein
mich aus der Kühle früh ins Haus.

Und von jenen Herrlichkeiten allen,
die wir draußen in der Welt erbeutet,
will uns keine freun mehr und gefallen,
wenn daheim die Kirchenglocke läutet.

Bald stehen Baum und Garten leer,
dann glüht nur noch der wilde Wein
ums Haus, und bald verglüht auch der,
es kann nicht immer Sommer sein.

Leise gehen wir die alten Wege
durch das grüne Land der Kindertage,
und sie werden uns im Herzen rege
fremd und groß wie eine schöne Sage.
Ach und alles, was auf uns mag warten,
wird den reinen Glanz doch nimmer haben
wie vor Zeiten, da wir hier als Knaben
Falter fingen, jeden Tag im Garten.
Landschaft.
Wälder stehen, See und Land
wie in alten Kinderzeiten,
und es ruhen alle Weiten
friedevoll in Gottes Hand.
Eine stille Stunde lang
kann ich so verzaubert schauen,
und es schläft der alte Drang
und es schläft das alte Grauen.
Doch ich weiß: die jetzt gebannt,
werden balde auferstehen,
und ich muß im grünen Land
als ein Gast und Fremdling gehen.
Die Flamme.
Ob du tanzen gehst in Tand und Plunder,
ob dein Herz sich wund in Sorgen müht,
täglich neu erfährst du doch das Wunder,
daß des Lebens Flamme in dir glüht.
Mancher läßt sie lodern und verprassen,
trunken im verzückten Augenblick,
andre geben sorglich und gelassen
Kind und Enkeln weiter ihr Geschick.
Doch verloren sind nur dessen Tage,
den sein Weg durch dumpfe Dämmrung führt,
der sich sättigt in des Tages Plage
und des Lebens Flamme niemals spürt.

Was mich zur Jugendzeit erfreut,
es hat den alten frohen Schein
nicht mehr und freut mich nimmer heut —
es kann nicht immer Sommer sein.
O Liebe, wundersame Glut,
die durch der Jahre Lust und Müh'n
mir immer hat gebrannt im Blut —
o Liebe, kannst auch du verglühn?


nobismus und Kunstintereffe.
I.

Ist der Snob eine neue Spielart Mensch? Das Wort

ist noch nicht allzulange zu einer Münze im deutschen
Sprachverkehr geworden. Dabei hat es insofern eine
Spezialisierung erfahren, als man es meist nur auf eine
besondere Sorte von Kunstliebhabern anwendet, wäh-
rend es ursprünglich allgemeiner einen Vornehmtuer

bedeutet. Mit der Züchtung dieser Kunstliebhaber in
unserer Zeit und unter dem Einfluß der modernen
Kunst hat sich das Wort in seiner engeren Bedeutung
bei uns eingebürgert als eine prägnante Bezeichnung
für sie.
Nun hat zwar der moderne Kunstsnob seine eigene
Note, derentwegen man eben diesen Titel für ihn gefunden
hat; aber der Kunstbetätigung nach, die ihn kennzeichnet.

stellt er keine durchaus neue Erscheinung dar. Grund-
sätzlich gehört er zu der alten und weit verbreiteten Art
derjenigen Menschen, welche die künstlerischen oder über-
haupt die kulturellen Geistesprodukte in einer sinn-
widrigen Weise in sich aufnehmen und verarbeiten.
Ganz allgemein gesprochen, erwächst das echte Kultur-
interesse — das ich hier von dem bloßen Zivilisations-
streben streng unterscheide — aus einem inneren Bedürf-
nisse: der Mensch, der es besitzt, schöpft daraus seinen
höheren und eigentlichen Lebenssinn. Sei es nun Reli-
gion oder Philosophie oder Kunst, was ihn besonders
bewegt, es bewegt ihn jedenfalls so, daß es ihm inner:ste
Wesensangelegenheit ist, auf die er sein Leben zu stellen
sich getrieben fühlt. Sie ist ihm eine das praktische Da-
sein überragende und es dennoch regierende Erlebnis-
sphäre, eine Sphäre der Verinnerlichung. Eine breite
Menge von Menschen ist einer solchen Anteilnahme an
der Kultur nicht fähig, es fehlen ihr die Organe dazu.
Die meisten von ihnen gehen teilnahmlos an den Werken
des schöpferischen Geistes vorüber; viele aber assimi-

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