Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein
— 23.1913
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Schaller, Hans Otto: Christian Landenberger
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Abb. I. Christian Landenberger: Bubenköpfchen.
Christian Landenberger.
gibt fast keine größere deutsche Kunstausstellung mehr, in der man nicht staunen müßte über die statt-
liehe Zahl scheinbar kräftiger lind gut gerichteter Talente aus der älteren wie der jüngeren Generation.
Um so mehr muß die Beobachtung überraschen, wie wenig von all diesen doch durchaus begabten Künstlern
die Lust oder die Fähigkeit besitzen, sich dauernd mit den Grundproblemen der Malerei auseinanderzusetzen. Man
sieht, wie die ganz Großen, unter den Lebenden z. B. ein Renoir, bis ins höchste Alter mit all ihren besten
Instinkten darnach trachten, den sinnlich-geistigen Prozeß der malerischen Neuschöpfung der Erscheinung zu ver-
tiefen und zu läutern und dem anzunähern, was ihnen als „reine Malerei" vorschwebt; d. h. anzunähern einer
Malerei, die zum Licht und zu der Farbe und auf diesem Weg zu neuen starken Formen strebt, die sich soweit
als irgend denkbar von der Illustration zu entfernen versucht und doch zugleich ganz in der Anschauung wurzelt.
Wo aber sind unter den Deutschen (insbesondere unter den Süddeutschen) die Maler, die einen so empfindlichen
Sinn hätten für das Geheimnis der Form und die mit ihm verbundene Forderung an den Künstler: „Stirb und
werde!" Ist es nicht, leider, der normale Gang der Dinge, daß die jungen Talente in einem oft staunenswerten
Aufschwung irgendeine Formenwelt erlernen, daß sie dann, kaum klar darüber, warum sie nun eigentlich so oder
so die Erscheinungen packen, schon sich fertig fühlen, und mit einer bewundernswerten Geschicklichkeit „Bilder"
malen, Bilder ohne Ende, fast ohne zu wissen, was eigentlich sie tun! Die unsinnigste aller Behauptungen, „der
Künstler mache eine Abschrift der Natur", scheint für all diese Maler in der Tat zuzutreffen. Bis dann auch
ihnen die Stunde schlägt, wo sie die innere Armut spüren eines Fertigseins, das keineswegs immer bloß auf
materielle Zwangslagen zurückzuführen ist. Aber statt dann das Problem an der Wurzel zu packen, statt wieder
von vorn anzusangen, versuchen sie in den meisten Fällen sich die allzuleicht gewordene Aufgabe dadurch zu
erschweren, daß sie anfangen, Bilder „großen Stils" zu malen, d. h. daß sie die Natur, deren sie überdrüssig
geworden, überbieten mit Atelierproduktionen, handle es sich nun, wie bei den Alteren, um vorwiegend landschaft-
liche oder, wie bei den Jüngeren, um vorwiegend figürliche Erfindungen.
Mit dem ganz kleinen Kreise deutscher Künstler, die allen solchen literarischen Tendenzen immer wieder den
Krieg erklärten (im Norden der Kreis um Liebermann, im Süden der Kreis um Leibl, Schuch und Trübner), ver-
binden auch den schwäbischen Maler Christian Landenberger dauerhafte Fäden. Eine absolut konsequente Entwicklung,
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