ihre in einem viel tieferen Sinne „naturalistische" Weltanschauung
einen Schein getreuer Naturnachahmung stilistisch brauchten, so
konnte Brahm mit seinem kleinmütigen Kunstglauben doch Dichter
wie Ibsen und Hauptmann, und Schauspieler wie Reicher, Rittner,
Sauer, Wassermann und die Else Lehmann zum Siege führen.
Er schuf das naturalistische Repertoir und das naturalistische En-
semble und leistete durch die unbedingte Sachlichkeit, Geschlossen-
heit und fanatische Energie seiner Arbeit das in sich Vollkommene,
das eine Zeitlang auch das absolut Meisterhafte und Vorbildliche
für alle deutsche Theaterkunst schien. Freilich die Enge seiner starken
Natur ließ sich nicht verhehlen. Daß so vieles außer seinem Kreise
blieb, daß die Klassiker unter seiner Regie am Deutschen Theater
ausstarben, daß andere Hände für unsere Zeit das neue Leben aus
Shakespeare und Kleist heben mußten, daß er größte Bühnen-
künstler, einen Kainz, eine Sorma, die freilich auch den naturalisti-
schen Schein nicht hatten, schmerzlos ziehen ließ, und daß die
jüngeren wie Hofmannsthal und Maeterlinck, die dem Naturalismus
ja nicht einmal in der Gesinnung, aber eben gerade im äußeren
Wirklichkeitsschein widersprachen, von ihm unberücksichtigt blieben —
das alles war noch nicht das Wesentlichste. Das Wesentlichste war,
daß ihm seine eigenen Künstler über den Kopf wuchsen, daß er,
der den größten, den Pecr Gynt-Dichter nie geliebt hatte, auch den
Ibsen der Alters-Elegien und den Hauptmann der großen Seelen-
Märchen nicht mehr seelisch und szenisch erschöpfte, daß ihm sein
stärkster Spieler Wassermann zu größeren und mannigfaltigeren
Aufgaben entlief und daß nach dem allmählichen Ausscheiden und
Aufhören seiner scheinnaturalistischen, großleidenschaftlichen Men-
schendarsteller seine Methode allein sich als kraftlos erwies, aus dem
schwächeren Nachwuchs das alte Leben zu holen. Sie war im
wesentlichen negativ gewesen, diese Methode, sie hatte die Kon-
vention erschlagen, die effektlüsterne Unnatur ausgerottet, einem
unsachlichen Pathos gewehrt — aber sie hatte mit all dem nur freie
Bahn geschaffen für das schöpferische Genie, für eine neue leiden-
schaftlich große Natur — sie konnte Natur und Genie nicht er-
sehen , weil Brahm im Grunde genommen auch kein genialer
Theatermensch war (wie etwa Reinhardt, der zur Zeit seines
geringsten Ensembles seine größten Leistungen vollbrachte).
Wenn aber die Leistung dieses Mannes so begrenzt, sein Ver-
dienst so abgeschlossen und fertig war, weshalb spürten doch alle
Freunde der Theaterkunst bei seinem Tode einen unbegrenzbaren
und schmerzlich lebendigen Verlust? Weil über der immer be-
schränkten Leistung des Einzelnen von schrankenlosem Wert die
Gesinnung ist, für die er Zeugnis ablegt. Und Brahm legte Zeugnis
ab vom Wesen eines Menschen, dessen unbeugsame Energie, Treue
und Zielklarheit es vermag, aus dem Theater ganz und gar das
Instrument einer persönlichen Überzeugung, einer Weltanschauung
und ihres dichterischen Niederschlages zu machen. Daß er kein
Utopist war, der für das unmöglich Schöne in ein paar Monaten
seine Kräfte aufreibt (solche begeisterten Dilettanten bringt das
Theater fast jedes Jahr ein paar hervor), das gerade ist sein größter
Ruhm. Brahm führte ein kapitalistisches Unternehmen auf dem
Boden der heißesten Konkurrenz und er hat, von Sudermann bis
Ernst Hardt, viele Autoren nur um der lieben Kasse willen gespielt.
Aber daß trohdem der Kassierer nie Herr im Hause wurde, daß sein
Theater das Haus Ibsens, Hauptmanns und Schnitzlers blieb,
daß er in zwei Jahrzehnten, von der „Freien Bühne" zum „Deut-
schen Theater", vom „Deutschen Theater" ins „Lessingtheater"
wandernd, unverrückt das eine Ziel, sein Ziel im Auge behielt,
daß in allen Stürmen Repertoir und Ensemble, im Guten wie im
Bösen, eine Physiognomie, seine Physiognomie zeigten, das war
die außerordentliche Leistung Otto Brahms. Seit Goethe hat wohl
nie ein so ausgeprägter literarischer Geschmack so vollkommene
Macht über eine deutsche Bühne gewonnen, und selbst der Freund
des Herzogs von Weimar hatte es doch in jeder sozialen und morali-
schen Beziehung viel leichter als der Führer eines Berliner Ge-
schäftstheaters. Daß uns die Ziele, für die Brahm seinen Kampf
führte, nicht weit und hoch genug scheinen, das tut dem Beispiels-
wert seines Kämpfertums keinen Abbruch. Wir erleben jetzt eben
in der Reichshauptstadt eine Periode so gewissenlos wüster Theater-
spekulation, einen so tollen Reigen sinnlos eitler und gewinn-
süchtiger Neugründungen und schleuniger verhelfender Zusammen-
brüche, daß jenes schon so angegriffene Gefühl unserer klassischen
Zeit, jenes Gefühl, das im Theater ein Instrument geistiger Kultur
ehren möchte, auf neue schwer beschädigt wird. Und auch jene andere
Entwicklung, die die Stätte des Dramas mehr und mehr in einen
Schauplatz sinnlich raffinierter Arrangements auflöst, bringt gleiche
Gefahr mit sich. Da muß sich mit doppelt beschwörender Macht
der Schatten eines Mannes aufrichten, der mit ernstester Gewissen-
haftigkeit sein Theater jahrzehntelang im Dienst seiner geistigen
Tendenz zu halten verstand, ohne Eitelkeit, ohne Sensationsgier,
ohne Profitwut. Der Mann, den unsere Bühne heute braucht
und erwartet, wird Bahnen wandeln, auf denen er dem Theater-
direktor Goethe vielleicht näher sein wird, als dem Otto Brahm;
aber er wird dabei nicht nur mit jener Schärfung des theatralischen
Wahrheitsgefühls rechnen müssen, die uns als Gewinn von Otto
Brahms historischer Leistung bleiben muß, er wird vor allen Dingen
für die Art und den Geist seiner Theaterführung kein sittlich stärkeres
Beispiel finden als diesen ungenialen Literaten und Theaterleiter,
der doch in seiner fanatischen Überzeugungskraft ein genialer
Mensch war. Julius Bab.
ezanne und Hodler.
Diese „Einführung in die Probleme der Malerei der Gegen-
wart" von Fritz Burger (Delphin-Derlag München, zwei Bände,
geheftet 20 A, geb. 24 IL) wäre als literarische Leistung wenig zu
empfehlen: in einer zwischen Wissenschaft und Plauderei schwan-
kenden Sprache geschrieben, unübersichtlich disponiert und mehr wie
ein endloses Gespräch als ein geplantes Werk anmutend, wird
sie kaum die Leser finden wie vormals Meier-Gräfes „Entwicklungs-
geschichte" und also auch nicht deren Wirkung erreichen. Das ist
schade, weil hinter ihr ein in den Problemen der modernen Malerei
ungewöhnlich orientierter Kopf steht, der sich augenscheinlich in
der Fülle der Gesichte nicht recht zu helfen wußte und in der Art
eines Lichtbildervortrags seinen Halt an einer Reihe von Ab-
bildungen sucht.
Diese Abbildungen, 171 an der Zahl und vorzüglich gedruckt,
füllen den zweiten Band; sie geben dem Werk ein Rückgrat, das
gegen die weiche Fleischlichkeit des Textes auffällt und seinen besten
Wert ausmacht. Eine instruktive Zusammenstellung, der man fast
Präzision nachsagen möchte, in der Folge außerordentlich klug und
in der Gegenüberstellung glänzend. Dabei nicht engherzig und
überall von einer sicheren Orientierung zeugend. Mit einem gleich
klar geordneten Text wäre sie ein vorbildliches Werk geworden;
so ist sie leider nicht mehr als ein brillant geordnetes Bilderbuch.
Dabei spürt man aus dem Text im einzelnen überall den
gleichen klugen Blick und die wirkliche Orientierung; man kann
immer wieder mit einem nur durch die unentwickelte Sprache
gestörten Vergnügen feststellen, daß der Autor in den Problemen
der modernen Malerei wirklich zuhause ist; vielleicht zuviel zuhause,
indem er den Leser unaufhörlich durch alle Stuben führt, treppauf
und treppab, vom Keller in den Speicher und umgekehrt, was für
den armen Besucher bei aller Sehenswürdigkeit auf die Dauer
ermüdend ist.
Trotzdem kann dem, der sich mehr als gelegentlich für die
moderne Malerei in ihren letzten Entwicklungen interessiert, die
Anschaffung des Werkes auch um des Textes willen empfohlen
werden; eine Kunstwissenschaft, die den Mut hat, sich mit Matisse,
Picasso und Kandinsky zu befassen, hat mindestens den Reiz der
Kühnheit, und im einzelnen arbeitet Burger durchaus mit zu-
reichenden Mitteln der Erkenntnis; nur daß er kein schriftstellerischer
Organisator ist, was eben nötig gewesen wäre. Der Bilderband,
wie gesagt, ist vortrefflich und seinetwegen ist man doch immer
wieder geneigt, dem Sprecher in die Strudel seiner unaufhörlich
fließenden Gelehrsamkeit zu folgen. S.
Stucksche Amazone
soll nachträglich in Lebensgröße ausgeführt und vor dem
Wallraf-Richartz-Museum in Köln aufgestellt werden. Was immer
wieder von dem angemessenen Format eines Kunstwerks gesagt
werden muß, erhält dadurch einen neuen Anlaß. Die Gruppe
ist als Kleinplastik gedacht, ausgeführt und als solche populär ge-
worden; auch der Künstler selbst, obwohl er sich dazu erboten hat,
vermag sie nicht durch einfache Uebersetzung auf Lebensgröße
zu bringen: er wird sie anders, er wird sie neu schaffen müssen.
Warum man aber, wenn man eine Figur von Stuck vor ein Museum
stellen will, gerade die Vergrößerung eines Werkes anstrebt, das
in wer weiß wie vielen Salons herumsteht, ist schwer begreiflich.
Ganz abgesehen davon, daß diese Amazone zwar im Rang der Stuck-
schen Zeichnungen steht, sich also von der Sensationswirkung der
meisten seiner Bilder fteihält, aber darum doch nicht mehr ist als
eben eine gefällige Kleinplastik: Monumentale Größe steckt nicht
in ihr und ist auch — soweit man Stuck kennt — durch den Künstler
nicht aus ihr herauszuholen. S.
Verantwortlich: Wilhelm Schäfer. — Druck und Verlag: A. Bagel, Düsseldorf. — Kunstdruckpapier: I. W. Zanders, B.-Gladbach.
Alle redaktionellen Sendungen sind an den Herausgeber Wilhelm Schäfer in Vallendar a. Nh. erbeten.
Für unverlangte Manuskripte und Rezensionsexemplare wird keine Verpflichtung übernommen. Rückporto ist beizulegen.
einen Schein getreuer Naturnachahmung stilistisch brauchten, so
konnte Brahm mit seinem kleinmütigen Kunstglauben doch Dichter
wie Ibsen und Hauptmann, und Schauspieler wie Reicher, Rittner,
Sauer, Wassermann und die Else Lehmann zum Siege führen.
Er schuf das naturalistische Repertoir und das naturalistische En-
semble und leistete durch die unbedingte Sachlichkeit, Geschlossen-
heit und fanatische Energie seiner Arbeit das in sich Vollkommene,
das eine Zeitlang auch das absolut Meisterhafte und Vorbildliche
für alle deutsche Theaterkunst schien. Freilich die Enge seiner starken
Natur ließ sich nicht verhehlen. Daß so vieles außer seinem Kreise
blieb, daß die Klassiker unter seiner Regie am Deutschen Theater
ausstarben, daß andere Hände für unsere Zeit das neue Leben aus
Shakespeare und Kleist heben mußten, daß er größte Bühnen-
künstler, einen Kainz, eine Sorma, die freilich auch den naturalisti-
schen Schein nicht hatten, schmerzlos ziehen ließ, und daß die
jüngeren wie Hofmannsthal und Maeterlinck, die dem Naturalismus
ja nicht einmal in der Gesinnung, aber eben gerade im äußeren
Wirklichkeitsschein widersprachen, von ihm unberücksichtigt blieben —
das alles war noch nicht das Wesentlichste. Das Wesentlichste war,
daß ihm seine eigenen Künstler über den Kopf wuchsen, daß er,
der den größten, den Pecr Gynt-Dichter nie geliebt hatte, auch den
Ibsen der Alters-Elegien und den Hauptmann der großen Seelen-
Märchen nicht mehr seelisch und szenisch erschöpfte, daß ihm sein
stärkster Spieler Wassermann zu größeren und mannigfaltigeren
Aufgaben entlief und daß nach dem allmählichen Ausscheiden und
Aufhören seiner scheinnaturalistischen, großleidenschaftlichen Men-
schendarsteller seine Methode allein sich als kraftlos erwies, aus dem
schwächeren Nachwuchs das alte Leben zu holen. Sie war im
wesentlichen negativ gewesen, diese Methode, sie hatte die Kon-
vention erschlagen, die effektlüsterne Unnatur ausgerottet, einem
unsachlichen Pathos gewehrt — aber sie hatte mit all dem nur freie
Bahn geschaffen für das schöpferische Genie, für eine neue leiden-
schaftlich große Natur — sie konnte Natur und Genie nicht er-
sehen , weil Brahm im Grunde genommen auch kein genialer
Theatermensch war (wie etwa Reinhardt, der zur Zeit seines
geringsten Ensembles seine größten Leistungen vollbrachte).
Wenn aber die Leistung dieses Mannes so begrenzt, sein Ver-
dienst so abgeschlossen und fertig war, weshalb spürten doch alle
Freunde der Theaterkunst bei seinem Tode einen unbegrenzbaren
und schmerzlich lebendigen Verlust? Weil über der immer be-
schränkten Leistung des Einzelnen von schrankenlosem Wert die
Gesinnung ist, für die er Zeugnis ablegt. Und Brahm legte Zeugnis
ab vom Wesen eines Menschen, dessen unbeugsame Energie, Treue
und Zielklarheit es vermag, aus dem Theater ganz und gar das
Instrument einer persönlichen Überzeugung, einer Weltanschauung
und ihres dichterischen Niederschlages zu machen. Daß er kein
Utopist war, der für das unmöglich Schöne in ein paar Monaten
seine Kräfte aufreibt (solche begeisterten Dilettanten bringt das
Theater fast jedes Jahr ein paar hervor), das gerade ist sein größter
Ruhm. Brahm führte ein kapitalistisches Unternehmen auf dem
Boden der heißesten Konkurrenz und er hat, von Sudermann bis
Ernst Hardt, viele Autoren nur um der lieben Kasse willen gespielt.
Aber daß trohdem der Kassierer nie Herr im Hause wurde, daß sein
Theater das Haus Ibsens, Hauptmanns und Schnitzlers blieb,
daß er in zwei Jahrzehnten, von der „Freien Bühne" zum „Deut-
schen Theater", vom „Deutschen Theater" ins „Lessingtheater"
wandernd, unverrückt das eine Ziel, sein Ziel im Auge behielt,
daß in allen Stürmen Repertoir und Ensemble, im Guten wie im
Bösen, eine Physiognomie, seine Physiognomie zeigten, das war
die außerordentliche Leistung Otto Brahms. Seit Goethe hat wohl
nie ein so ausgeprägter literarischer Geschmack so vollkommene
Macht über eine deutsche Bühne gewonnen, und selbst der Freund
des Herzogs von Weimar hatte es doch in jeder sozialen und morali-
schen Beziehung viel leichter als der Führer eines Berliner Ge-
schäftstheaters. Daß uns die Ziele, für die Brahm seinen Kampf
führte, nicht weit und hoch genug scheinen, das tut dem Beispiels-
wert seines Kämpfertums keinen Abbruch. Wir erleben jetzt eben
in der Reichshauptstadt eine Periode so gewissenlos wüster Theater-
spekulation, einen so tollen Reigen sinnlos eitler und gewinn-
süchtiger Neugründungen und schleuniger verhelfender Zusammen-
brüche, daß jenes schon so angegriffene Gefühl unserer klassischen
Zeit, jenes Gefühl, das im Theater ein Instrument geistiger Kultur
ehren möchte, auf neue schwer beschädigt wird. Und auch jene andere
Entwicklung, die die Stätte des Dramas mehr und mehr in einen
Schauplatz sinnlich raffinierter Arrangements auflöst, bringt gleiche
Gefahr mit sich. Da muß sich mit doppelt beschwörender Macht
der Schatten eines Mannes aufrichten, der mit ernstester Gewissen-
haftigkeit sein Theater jahrzehntelang im Dienst seiner geistigen
Tendenz zu halten verstand, ohne Eitelkeit, ohne Sensationsgier,
ohne Profitwut. Der Mann, den unsere Bühne heute braucht
und erwartet, wird Bahnen wandeln, auf denen er dem Theater-
direktor Goethe vielleicht näher sein wird, als dem Otto Brahm;
aber er wird dabei nicht nur mit jener Schärfung des theatralischen
Wahrheitsgefühls rechnen müssen, die uns als Gewinn von Otto
Brahms historischer Leistung bleiben muß, er wird vor allen Dingen
für die Art und den Geist seiner Theaterführung kein sittlich stärkeres
Beispiel finden als diesen ungenialen Literaten und Theaterleiter,
der doch in seiner fanatischen Überzeugungskraft ein genialer
Mensch war. Julius Bab.
ezanne und Hodler.
Diese „Einführung in die Probleme der Malerei der Gegen-
wart" von Fritz Burger (Delphin-Derlag München, zwei Bände,
geheftet 20 A, geb. 24 IL) wäre als literarische Leistung wenig zu
empfehlen: in einer zwischen Wissenschaft und Plauderei schwan-
kenden Sprache geschrieben, unübersichtlich disponiert und mehr wie
ein endloses Gespräch als ein geplantes Werk anmutend, wird
sie kaum die Leser finden wie vormals Meier-Gräfes „Entwicklungs-
geschichte" und also auch nicht deren Wirkung erreichen. Das ist
schade, weil hinter ihr ein in den Problemen der modernen Malerei
ungewöhnlich orientierter Kopf steht, der sich augenscheinlich in
der Fülle der Gesichte nicht recht zu helfen wußte und in der Art
eines Lichtbildervortrags seinen Halt an einer Reihe von Ab-
bildungen sucht.
Diese Abbildungen, 171 an der Zahl und vorzüglich gedruckt,
füllen den zweiten Band; sie geben dem Werk ein Rückgrat, das
gegen die weiche Fleischlichkeit des Textes auffällt und seinen besten
Wert ausmacht. Eine instruktive Zusammenstellung, der man fast
Präzision nachsagen möchte, in der Folge außerordentlich klug und
in der Gegenüberstellung glänzend. Dabei nicht engherzig und
überall von einer sicheren Orientierung zeugend. Mit einem gleich
klar geordneten Text wäre sie ein vorbildliches Werk geworden;
so ist sie leider nicht mehr als ein brillant geordnetes Bilderbuch.
Dabei spürt man aus dem Text im einzelnen überall den
gleichen klugen Blick und die wirkliche Orientierung; man kann
immer wieder mit einem nur durch die unentwickelte Sprache
gestörten Vergnügen feststellen, daß der Autor in den Problemen
der modernen Malerei wirklich zuhause ist; vielleicht zuviel zuhause,
indem er den Leser unaufhörlich durch alle Stuben führt, treppauf
und treppab, vom Keller in den Speicher und umgekehrt, was für
den armen Besucher bei aller Sehenswürdigkeit auf die Dauer
ermüdend ist.
Trotzdem kann dem, der sich mehr als gelegentlich für die
moderne Malerei in ihren letzten Entwicklungen interessiert, die
Anschaffung des Werkes auch um des Textes willen empfohlen
werden; eine Kunstwissenschaft, die den Mut hat, sich mit Matisse,
Picasso und Kandinsky zu befassen, hat mindestens den Reiz der
Kühnheit, und im einzelnen arbeitet Burger durchaus mit zu-
reichenden Mitteln der Erkenntnis; nur daß er kein schriftstellerischer
Organisator ist, was eben nötig gewesen wäre. Der Bilderband,
wie gesagt, ist vortrefflich und seinetwegen ist man doch immer
wieder geneigt, dem Sprecher in die Strudel seiner unaufhörlich
fließenden Gelehrsamkeit zu folgen. S.
Stucksche Amazone
soll nachträglich in Lebensgröße ausgeführt und vor dem
Wallraf-Richartz-Museum in Köln aufgestellt werden. Was immer
wieder von dem angemessenen Format eines Kunstwerks gesagt
werden muß, erhält dadurch einen neuen Anlaß. Die Gruppe
ist als Kleinplastik gedacht, ausgeführt und als solche populär ge-
worden; auch der Künstler selbst, obwohl er sich dazu erboten hat,
vermag sie nicht durch einfache Uebersetzung auf Lebensgröße
zu bringen: er wird sie anders, er wird sie neu schaffen müssen.
Warum man aber, wenn man eine Figur von Stuck vor ein Museum
stellen will, gerade die Vergrößerung eines Werkes anstrebt, das
in wer weiß wie vielen Salons herumsteht, ist schwer begreiflich.
Ganz abgesehen davon, daß diese Amazone zwar im Rang der Stuck-
schen Zeichnungen steht, sich also von der Sensationswirkung der
meisten seiner Bilder fteihält, aber darum doch nicht mehr ist als
eben eine gefällige Kleinplastik: Monumentale Größe steckt nicht
in ihr und ist auch — soweit man Stuck kennt — durch den Künstler
nicht aus ihr herauszuholen. S.
Verantwortlich: Wilhelm Schäfer. — Druck und Verlag: A. Bagel, Düsseldorf. — Kunstdruckpapier: I. W. Zanders, B.-Gladbach.
Alle redaktionellen Sendungen sind an den Herausgeber Wilhelm Schäfer in Vallendar a. Nh. erbeten.
Für unverlangte Manuskripte und Rezensionsexemplare wird keine Verpflichtung übernommen. Rückporto ist beizulegen.