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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Lissauer, Ernst: "Neuer Leipziger Parnaß"
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Schäfer, Wilhelm: [Rezension von: Schweizerisches Jahrbuch für Kunst und Handwerk 1912}
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Meßlény, Richard: Giovanni Giacometti
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0132

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schon zu festen Eigengebilden verdehnon, kämpferisch klirrende Ge-
fühle zu formen. „Fäusteballend" steigt er übern Hang: voll ge-
ballter Faustkraft der Seele sind die besten seiner Strophen.
Walter H asenclever ist in elf Gedichten interessant, im zwölften
aber hinreißend. Ich empfinde jene elf Gedichte als so spezial, daß
ich sie in einem für die allgemeine Verbreitung bestimmten Buche
nicht begrüßen würde; an dieser Stelle mögen sie an ihrem Platze
sein. Sie sind erwachsen aus einer Lebenshaltung und -siimmung,
die nur diesem einen Menschen eigentümlich scheint und mit Interesse
an interessanten Vibrationen der Seele zur Kenntnis genommen
wird, ohne in die Existenz ausgenommen werden zu können. Und
dennoch wäre es falsch, ohne Einschränkung zu sagen, daß diese
Verse nur der Eigenbrödelei eines Vereinzelten entwachsen sind;
verwandte Elemente sind immerhin in manchen Luftinseln unserer
Literatur zu spüren. Diese elf „unsentimentalen Liebesgedichte"
sind bezeichnet als „eine Anweisung zum Lieben für Jünglinge".
Er steigt in den Schoß der Frauen, „wissend und unverliebt".
Diese Gedichte sind ganz und gar unlyrisch, weil sie zu sebr voller
Bewußtsein und Geist sind, und eben deshalb auch entgleiten sie
oft ins Prosaische, trotzdem sie mit vielerlei Kunst geschrieben sind.
Aber gestaltet sind sie nicht, weil sie von Natur Geist sind, der
zersetzt, nicht fügt. Dichtung ist nicht wissend und unverliebt; sie
ist witternd, spürend, berauscht von allem Weiblichen, und vor
dem dichterischen Drange ist alles weiblich. Der Geist hat Angst
vor dem Gefühl, das ist die Formel für, verschieden inkarnierte,
Erscheinungen der modernen Literatur, (gerade die betont Asenti-
mentalen sind oft zuinnerst sentimental, wie Wedekind). Und das
scheint mir das Wesen einer neuen, geläuterten Moderne: wieder
Mut zu haben zu der eigenen fühlenden Dumpfheit, sicher seiner
selbst, daß man nicht geistlos Attrappenempfindungen und Ge-
fühlsklischees verfällt. Und solch dumpfrauschendes Gefühl ist nun in
Hasenclevers Gesang „Erster Flug", der große Hoffnungen erweckt:
„Noch einmal erfülle mich, brausendes Spiel!
Vom Gedärm der Erde ackre dich bloß!
Stampfe, bäume, schwanke dich los!
Steige, — sei ohne Grenze und Ziel!"
Und dann:
„Hinaus denn, Zeit, an der ich hänge.
Wir fahren, und alles ist stillgestellt.
Die Ungeduld deiner Taten, deiner Gesänge
bricht aus Jahrhunderte langer Enge —
du hast begonnen — vollende die Welt!
Werde Form, was deine Maschinen trug!
Hinaus denn, Zeit, nach der ich dränge!
Sei Eisen! Sei Höhensteuer! Sei Flug!"
In diesem Brausenden seiner Natur ifi^Hasenclevers Zukunft.
Dieses Heiße, Wühlende, Brandende ist in allen Gedickten, die
Kurt Pinthus hier veröffentlicht. Er bat Franziskus und Silesius
erlebt: eine Franziskanische Wanderung beginnt seinen Zyklus,
aber es schließt ein Gedicht, in dem Tropfen Whitmanscken Blutes
rollen. Mag man im einzelnen auch hier und dort manche
prosaischen, nicht ms Dichterisch eaufgelösten Reste verspüren: in
seinen Gesängen blutet der Drang einer starken Seele nach der
Welt. Franziskus; der Jude, seine Herkunft und sein Ziel; ein
brünstiger Gesang auf das Weib; Gustav Mabler; Lokomotivfahrt:
das Erstaunliche an diesen Erstlingsgedichten ist die innere Breite, aus
der sie stammen, und das Bewußtsein innerer Fülle, das Verlangen
innerer Fülle, das in ihnen allen ertönt. Er betet franziskanisch:
„Gott! Bemale meine Seele mit bunten Bildern,
mit Blumen, Städten, Wäldern und Sternen, die du blau, rot
und golden färbst,
die will ich dann den Menschen schildern:
mit Worten wie Abendfarben im Herbst."
Und in ihm „ist das Brausen alter Synagogen", „die Unrast
schlauer Händler", „das Wissen" der Theologen, „und das Lacken
des Verhöhnten, der die wirre Welt verlacht." Aber „ein neues
Volk harrt":
„Durch die großen lauten Städte unsrer Zeit
schreit ich ohne Willen fest zu meinen Siegen."
Die Fahrt der Lokomotive durchsaust in raffendem Erleben
Jahreszeiten und Länder mit Städten, Feldern, mit Bittgängen,
Glocken, Tieren, Tunneln:
„Meine Hände möchte ich zum Segen auf alle die Lande legen."
Große ausgreifende Bilder: die eiserne, ringsum und -um
flimmernde Strecke des Bahnhofs.

„Ich bin mit dem schwebenden Zug in den seligen Himmel
gestiegen,
und muß nun mit all den Menschen den weiten Sternhimmel
durchfliegen,"
langhinrollende Rhythmen, schütternd vom Blutdrang, — hier
ist, ganz gewiß, Zukunft:
„Leuchttürme wir, mit grellem Strahl das wirre Dunkel
scheidend in Türme, Meere, Kaufhäuser, Liebesschlachten und
dröhnende Stadt."
Lissauer.
/^schweizerisches Jahrbuch
für Kunst und Handwerk 1912/
Im ganzen darf man behaupten, daß Jahrbücher in unserer
Reporterzeit altmodisch geworden sind; und doch hätte es heute
fast mehr Sinn als jemals, in einer jährlichen Übersicht aus rasch
fließenden Folgen das Bleibende aufzuzeigen: bei resoluter Be-
schränkung des Gebietes, Verantwortlichkeitsgefühl und Geschmack
sollte damit wohl etwas Wertvolles zu macken sein. Einen Beweis
hierfür geben die Herausgeber dieses Schweizerischen Jahrbuchs
Hermann Röthlisberger, Bern, und Albert Baur, Zürich.
Als Schweizer 1912 brauchen sie nach Gutem nicht mühselig
zu suchen: die schweizerische Malerei der Gegenwart ist schon eine
resolute Sache für sich, und was z. B. die Zürcher Kunstgewerbe-
schule an Belebung des Handwerks geleistet hat, davon war hier
schon wiederholt rühmlich die Rede. Aber hier haben die Hände
nicht gerafft, sondern klug und verantwortlich gewählt, auch ge-
schmackvoll geordnet, und so darf man wünschen, daß die Schweizer
Kunst im Ausland unter dem Gesichtswinkel dieses Jahrbuchs
betrachtet würde; auch daß dieser „Gesichtswinkel" bei uns
Käufer fände, die er mit seiner wohlgeordneten Ausbildung
wirklich. verdient. S.
ünftliche Blumen-ArrangementS
aus dem Katalog eines Hoflieferanten, in dem einige
Hunderte solcher anmutigen Dinge für das Bürgerhaus beschrieben
werden, mit entzückten Empfangsbestätigungen.
Am Entenweiher.
Wohl das reizendste Idyll, das sich bis jetzt in den Handel ge-
bracht habe. Ein niedliches kleines Mädchen ist aus die Weiher-
brücke gestiegen und füttert mit ihrem Frühsiücksbrot die flinken
Entchen, die sich unter Aufsicht der Entenmutter fidel auf dem
Teiche tummeln. Dieses anmutige Bild wird umrahmt von Felsen
und Gestein und von Farnen, Schilfbomben und einem Rosenstrauch,
der mit seinen prächtigen rosa Blütenästen den Weiher lieblich
überwölbt. Die Figuren sind aus farbigem Porzellan, Felsen und
Steine aus Natur-Baumrinde, Blüten und Pflanzen künstlich aus
feinem Stoff und das Wasser ist aus Spiegelfolie täuschend nach-
gebildet. — Höhe etwa 22 om. Teichlänge etwa 21 em. Stück 4 Mk.
Die Lourdesgrotte
aus Natur-Baumrinde gebildet, ist mit künstlichen Blumen, Sträu-
chern und Blüten wild bewachsen. In der Felsennische steht Maria
Lourdes mit goldumsäumtem Mantel; rosiger Sonnenschein (durch
Gelatine erzeugt) überstrahlt von oben herab die Porzeltanfigur
und verleiht ihr einen wunderbaren Glanz. Höhe der Grotte etwa
44 om. Größe der Figur 17 om. Stück 5,75 Mk.
Feuerzeug „Hektor".
Hund, Baumstumpf, Baumstamm und Gitter sind aus Metall
in Altsilberdekor; hinter den Baumstamm wird das Streichholz-
kästchen geschoben und der Baumstumpf bildet den Aschenbecher;
das Gitter ist mit künstlichem Efeu aus Stoff berankt und die Birke
trägt frischgrünes, ganz naturgetreues Laub. Höhe der Birke etwa
37 em. Stück 6,25 Mk.
Die Wache kommt.
Der Hauptmann, ein niedlicher blondgelockter Knabe, die
Hand zum Gruße gehoben, mit Papierhelm und Holzschwert
(alles aus farbigem Porzellan imitiert) an der Spitze und hinter
ibm marschierend drei kleine Küken mit Gewehr im Flügel (auch
aus Porzellan). Den Boden bildet eine olivgrüne Plüschplatte,
die mit künstlichen Blumen und einer Blattpflanze besetzt ist,
Bodengröße etwa 8x15 em. Stück 2,20 Mk.
* Verlag Wilbelin Stotz <L Co., Biel.


Verantwortlich: Wilhelm Schäfer. — Druck und Verlag: A. Bagel, Düsseldorf. — Kunttdruckpapier: I. W. Zanders, B.-Gladbach.
Alle redaktionellen Sendungen sind an den Herausgeber Wilhelm Schäfer in Vallendar a. Nh. erbeten.
Für unverlangte Manuskripte und Rezensionseremplare wird keine Verpflichtung übernommen. Rückporto ist beizulegen.
 
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