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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Everth, Erich: Monumental und dekorativ
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0291

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onumental und dekorativ.
Man hört heut allzuhäufig Kunstgebilde,
die irgendwelchen Stil haben, dekorativ
oder auch monumental nennen, ohne daß ein Unter-
schied zwischen den beiden Bezeichnungen gemacht würde.
Nun ist ja beiden Kategorien von Formen eine gewisse
summarische vereinfachte Behandlung der Naturformen
eigen, da beide nicht in dem Grade auf Naturnachbildung
ausgehen wie wohl andere Kunstwerke. Aber der Unter-
schied zwischen beiden ist dennoch sehr groß. Was ist
eigentlich monumental? Die Frage soll hier nicht aus-
geschöpft, sondern nur ein paar Begrenzungen können
versucht werden.
Der monumentale Stil ist zunächst ein Sachstil,
kein historischer Stil; die sachlichen Aufgaben, aus denen
er fließt, bezeichnet das Wort Monument; es heißt
Denkmal, und ein Monument will erinnern. Das bloß
faktische Erinnern indessen, das Alter allein tut es nicht.
Wenn man vielleicht bisweilen allerlei Dinge Denkmäler
nennt, die man besser nur als Altertümer bezeichnete,
so können das Gebilde sein, die sozusagen zufällig zu
Denkmälern geworden sind; zu einem richtigen Denkmal
aber gehört ein Wille zum Aufbewahren, gehört die
Denkmalsabsicht. So ist die erste wahrhaft monumentale
Freiplastik deutscher Kunst der große Löwe, den Herzog
Heinrich der Löwe vor seiner Burg Dankwarderode als
Zeichen seiner Herrschaft aufstellen ließ und der bis heute
erhalten ist. Immer ist beim Monument der Wunsch
nach Unsterblichkeit, der Wille zur Ewigkeit dabei; nicht
einfach erhallen gebliebene Reste, Überbleibsel, Reli-
quien sind schon Monumente.
Doch jeder Wille zur Erinnerung bei der Schöpfung
des Werkes tut es allein auch nicht, denn — auch An-
denken und Monument ist nicht dasselbe. Ein Andenken
läßt „an" etwas anderes denken, z. B. an eine wirkliche
Landschaft, das Monument muß irgendwie das Aufzu-
bewahrende darstellen, sei es auch nur symbolisch: es
muß direkteren Bezug darauf haben. Und: Andenken
ist etwas, das aufbewahrt, „aufgehoben" werden soll,
ein Monument aber kann garnicht aufgehoben werden,
dazu ist es zu groß, sondern es bewahrt sich selber auf,
es erhält sich an seinem Platz vermöge seiner Wucht,
denn einem Monument ist immer eine gewisse anschau-
liche Raumgröße eigentümlich, dadurch hat es Bestand,
überlebt es die Zeiten, widersteht es der Zerstörung und
ist schon von weither sichtbar. Der Eindruck der Größe
ist auch dann da, wenn man — wie selbst gegenüber
Werken der Kleinkunst gelegentlich nut Recht geschieht
— hervorhebt, daß sie trotz wirklicher Kleinheit „groß
wirken"; und nur dann, wenn diese Wirkung da ist,
spricht man von monumentalen Formen. Große
Formen also, die groß sind im Verhältnis zum ganzen
Gegenstand und groß im Verhältnis zu etwa dargestellten
nachgebildeten Naturgegenständen, große Formen und
der an ihnen haftende Eindruck „innerer Größe" sind
unerläßlich, um etwas auch nur im übertragenen Sinne
monumental zu heißen. Das alles wird natürlich dem
bloßen Andenken, ebenso aber vielen andern, auch
irgend sonstwie „groß" zu nennenden Kunstwerken
fehlen. Für den Begriff des Monumentalen ist ein
Potenzieren, ein Steigern womöglich nach jeder Rich-

tung hin bezeichnend — in der Zeit die lange Dauer, im
Raum die beträchtliche Größe, in der Form das Un-
alltägliche — und der Begriff des Monumentalen ist
so sehr ein Jdealbegriff, daß man sich ihm noch
innerhalb des echten Monumentalen wieder in ver-
schiedenen Graden annähern kann. Der Begriff des
Monumentalen umfaßt deshalb auch seinem Umfange
nach noch nicht einmal alle Denkmäler, worunter ja
zierliche vorkommen; nicht alle wirklichen Denkmäler
sind als solche schon monumental, denn sie haben nun
nicht alle den hohen Stil, geschweige die höchsten Mög-
lichkeiten ihrer Gattung, weder in der quantitativen
noch in der qualitativen Form.
Der qualitativen Form nach wendet man den Begriff
monumental nun allzu häufig in übertragenem Sinn
an. Dann ist es ein laxerer Begriff, und seine Anwen-
dung bedeutet eigentlich nur, daß die Formbehandlung
der der guten Monumente ähnlich ist und daß von allen
anderen Elementen des Monumentalen abgesehen wird.
Wo das dann aber nicht deutlich gesagt wird, dürfte man
eigentlich gegen die Benennung protestieren. Besonders
anfechtbar ist solche Bezeichnung bei kunstgewerb-
lichen Gegenständen. Ihren Charakter bedingt der
Gebrauchszweck, der jene Aufgabe der Erinnerung meist
ausschließt. Ein feiner Unterschied liegt schon in den
Worten Aufgabe und Zweck. Das Monumentale duldet
wohl den Willen zur Aufbewahrung für das Gedächtnis
der Nachwelt, es duldet solches hohe Interesse in kul-
turellem Sinn, aber es duldet keine Gebrauchszwecke.
Gibt Kunst schon nie bloß Zweckgebilde, sondern ist an
künstlerischen Werken immer mehr dabei — auch in der
angewandten Kunst, wo der Gebrauchszweck künst-
lerischen Ausdruck findet und schon im bloßen Anschauen
aufgefaßt wird und, solange unser Verhältnis zu dem
Stück rein ästhetisch bleiben soll, höchstens ein Vorgefühl
oder Nachgefühl wirklicher Benutzbarkeit vermittelt
werden kann — so leidet nun das Monumentale selbst
die künstlerisch geformte Zwecklichkeit nicht mehr, es
erhebt sich besonders weit darüber, es greift ja in ge-
weihte Stimmungskreise hinauf. Das Monumentale
ist mit dem Tragischen zusammen eine der höchsten
Kategorien der sogenannten großen oder freien Kunst,
der selbständigen, nicht angewandten Kunst. Da ist
Pietät, da ist Ruhm der Inhalt, da sind Herren und
beherrschende Menschen uns für Feierstunden verherr-
licht, nicht aber dienende Geräte des Alltags verschönt und
geschmückt, dem Monumentalen eignet im besonderem
Grade Selbständigkeit, es erscheint nicht an anderen
Gegenständen wie das Dekorative, das sich immer
irgend einem größeren Zusammenhänge „schmückend"
einfügt und untecordnet; das Monument weist nur
hin auf etwas anderes, was selber nicht Kunst-, ge-
schweige Gebrauchsgegenstand ist, ja überhaupt nicht
mehr „ist". Das Denkmal ist ein Mal, das als „abge-
schlossenes" Ganzes erinnern und als Ganzes weithin
sichtbar sein will, das Dekorative dagegen ist Teil eines
größeren Ganzen, es kann sogar das einzelne, schmückende
Glied eines solchen wiederum schmücken mit Ornamenten,
die im Verhältnis zum Ganzen recht klein sein mögen.
Auch monumentale Bilder dienen nicht nur dem Raum,
und eine nur dekorative Verwendung kann bei ihnen
verletzend wirken.


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