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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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L.S.: Frauenbriefe
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Pfälzer, R.: Das Eifelbuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0382

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standen sie doch den bedeutenden Menschen ihrer Zeit nahe und
lassen nun in ihren Briefen diese Gestalten und die Zeitereignisse
an uns vorbeiziehen. Bildung und Kultur, damals der Vorzug
von wenigen, gaben diesen Frauen trotz aller äußeren Begrenzung
genug Selbständigkeit, ihre Persönlichkeit zu entwickeln, ohne damit
aus dem Rahmen ihrer fraulichen Anlagen zu treten, so daß wir
besorgt an die Briefe und Tagebücher denken müssen, die unsere
Zeit einmal hinterlassen wird.
Trotz aller Frauenbefreiung werden wir nicht leicht etwas
haben, wie die leidenschaftlichen Briefe der Rahel Varnhagen,
die eine Zeit der politischen und künstlerischen Befreiung mit herauf-
führen durfte. Wir Frauen hoffen heute mehr zu bedeuten, weil
wir Freiheiten erkämpft haben, und doch lese man einmal die paar
Briefe der Frau Rat Goethe in dieser Sammlung. Ihr Ruhm ist
zwar schon so groß, daß man etwas mißtrauisch dagegen sein möchte,
aber wie weitblickend, wie menschlich und wie entfernt von jeder
Abhängigkeit ist diese Frau, die in Milieu und Bildung doch eigent-
lich so beschränkt war. Mehr noch ersteht uns die ganze klassische Zeit
aus ihrem erblassenden Glanz in den Briefen der Johanna Schopen-
hauer, von deren Worten mir ein so liebenswürdiges haften blieb,
daß ich die Frau trotz aller Wunderlichkeit, die ihr Sohn ihr anhängte,
immer lieben werde. Sie sagt einmal in einem Brief über Christiane
Vulpius: „Ich denke, wenn Goethe ihr seinen Namen gibt, können
wir ihr wohl eine Tasse Tee geben!"
So blättert man mit wirklicher Freude in diesem Briefbilder-
buch, wo Frauen uns durch die Zeit unserer Mutter und Groß-
mutter leiten, wo uns Charlotte v. Stein begegnet, der es nicht
genug schien, das Herz Goethes eine Zeit erfüllt zu haben, die es
auch noch forderte, als längst nur noch die Erinnerungen an un-
gute Worte darin hafteten wie Tintenflecken; mit ihr kommen
Charlotte v. Kalb und v. Schiller, diese drei Frauen, die Licht und
Schatten ihres Lebens von den Großen ihrer Zeit empfingen.
Die Briefe der Caroline v. Dackeröden, späteren Gattin Wilh.
v. Humboldts, die heute noch lesenswert sind, weil sie ein Frauen-
leben zeigen, daß, ungemein wechselvoll, nie die edle Haltung ver-
lor. Bis dann mit Annette v. Droste-Hülshoff die Frauen der
härteren Zeit kommen: Clara Schumann, Emma Herwegh und
die Gräfin Hatzfeldt, die oft hineingezogen werden in den Kampf
der politischen und geistigen Umwälzung, die unserer neuen Zeit
vorangehen. Wie ein kleines Heiligtum behütet dazwischen dann
Mathilde Wesendonck die neue Romantik, die mit Richard Wagner
bei ihr ein liebreiches Asyl fand. Aus allen diesen Frauenbriefen
aber ist ein Gemeinsames zu lesen, die ewig gleiche Bewegbarkeit
der Frauenseele, die willig das Instrument ist, auf dem die Hand-
lungen und Gefühle der Zeit ihre Resonanz geben. Darum ist
ein solcher Strauß von Blättern aus hundert Jahren vielleicht doch
ein Geschenk für den, der ihn zu beleben weiß. L. S.
as Eifelbuch.
Anders vermag man die Eifelfestschrift kaum zu nennen,
die im Verlag Georgi, Bonn, in diesem Frühjahr „aus Anlaß
des 25jährigen Bestehens des Eifelvereins" erschienen ist; sie wurde
nämlich durchaus nicht im Stil dieser Ankündigung, sondern in
Gründlichkeit und Liebe gearbeitet; Fachleute der verschiedenen
Gebiete gaben wirkliche Wissenschaft und so ist — von einer einzigen
dilettantischen Entgleisung abgesehen — ein Lehrbuch der Eifel-
kunde entstanden, wie es in dieser Bedeutung kaum eine andere
deutsche Landschaft aufweisen wird.
Der erste der drei Teile: „Beiträge verschiedenen Inhalts"
ist noch am meisten Festschrift; er enthält sozusagen die Begrüßungs-
artikel, unter denen die Geschichte des Eifelvereins sich zwar wie
ein gedruckter Festvortrag liest, aber doch manche sachlichen Mit-
teilungen enthält, die nicht uninteressant sind. Cs wäre gut gewesen,
die beiden Beiträge von Johannes Franck: „Was wissen wir
vom Namen der Eifel?" und Walter Tuchermann: „Die Wand-
lungen im Landschaftsbilde der Eifel seit der unter dem Obersten
Tranchot ausgeführten französischen Landesaufnahme (1801 bis
1814)" hier abzusondern und im dritten Teil unterzubringen,
dem namentlich die interessante Arbeit von Johannes Franck über
den Namen der Eifel ein geeignetes Einleitungskapitel gewesen
wäre. Der eigentliche Wert des Werkes liegt eben durchaus in
diesem dritten, dem geschichtlichen, und fast noch mehr in dem
zweiten, dem naturgeschichtlichen Teil. Und um noch etwas
Kritisches über die Organisation des Werkes zu sagen, statt den
beiden genannten Arbeiten aus dem ersten Teil hätte man aus

dem zweiten den von Max Koernicke über „Pflanzenschutz in
der Eifel" und aus dem dritten Teil vielleicht: „Eifeler Bauern-
leben in Sitte und Brauch" (Adam Wrede) und vielleicht den
von Bruno Hirschfeld über „Burgen der Eifel" unter die „Bei-
träge verschiedenen Inhalts" weisen können. (Die letztere Arbeit
allerdings nur, weil sie wertvolle Kenntnisse in Form einer Plau-
derei aneinanderreiht, nicht etwa, weil ihr wissenschaftlicher Wert
bezweifelt würde.)
Mit diesen kritischen Ausstellungen ist aber auch alles erschöpft,
was man gegen das Werk sagen könnte — vielleicht noch dies,
daß die recht wertlosen Strichzeichnungen besser weggeblieben
wären, sie schmücken den Band durchaus nicht. Man hätte dann
eine deutliche Trennung der Festschrift von dem eigentlichen Werk
gehabt, das nicht nur als Umfang und Ausstattung der Festschrift
über den ursprünglich geplanten Rahmen erheblich hinauswuchs
und eben ein wirkliches Cifelbuch geworden ist.
Wenn man nach dem Studium der^Schrift, das in vielen
Fällen um der klaren Darstellung willen auch ein Genuß ist, die
Fülle der Forschungserlebnisse überlegt, sieht man sich einer wahren
Liebhaberei der Wissenschaft oder besser einer Liebe zu dieser
Landschaft gegenüber, die nur in natürlichen Reizen ihren Grund
haben kann. Tatsächlich dürfte es auch keine deutsche Landschaft
geben, die naturgeschichtlich so zur Forschung reizt wie die Eifel,
die einerseits im Hohen Venn das ehemalige Gletschergebiet an
Steinströmen (Moränen) aufs deutlichste erkennen läßt und ander-
seits in seinen Kratern, Schlackenfeldern und Maren zwei jung-
vulkanische Gebiete zeigt, wie sie ähnlich diesseits der Alpen nur
noch in der Auvergne zu finden sind. Dieser naturgeschichtliche
Reiz, der zugleich eine Landschaftserscheinung von einer über
alles Mittelgebirghafte bedingt, ist es wohl vor allem gewesen,
dem die Eifel ein so intensives Interesse verdankt; erst später hat
sie sich auch der Geschichte als ein Gebiet von höchster Anziehung
erwiesen. Das heute schwach bevölkerte und jahrzehntelang als
eine Ode verschrieene Gebirgsland ist nicht nur — wie sich namentlich
durch die Forschungen von Felix Hettner herausgestellt hat —
ein von römischen Ansiedlungen reich und üppig erfülltes Gebiet
gewesen, sondern diese römische Wertschätzung hat auf eine frühere
Kultur hingewiesen, die gegenüber dem heutigen Zustand eine
ungemein lebendige gewesen ist und veränderte klimatische Bedin-
gungen vermuten läßt. Der überraschende Reichtum an römischen
Landhäusern größten Stiles beweist, daß sich die Römer hier
durchaus nicht nur auf der Grenzwacht, sondern heimatlich wohl-
fühlten, daß sie nicht mühsam kämpfende Kolonisten sondern ge-
nießende Bewohner eines an Bodenschätzen und landwirtschaft-
lichen Erzeugnissen reichen und gepflegten Landes waren.
Dies alles kommt in dem Werk des Eifelvereins in gründlichen
Einzeldarstellungen überzeugend zum Ausdruck. Der Raum ver-
bietet, eine Charakterisierung aller zu versuchen, und einzelne
hervorzuheben, wäre leicht ein Unrecht gegen die andern. Umso-
mehr kann ich darauf verzichten, als diese Zeilen nur den Anreiz
geben sollen, das Werk selber zu lesen. Es ist im Buchhandel zu
haben und bei seinem Umfang von 423 illustrierten Seiten mit
10 Mk. nicht zu teuer bezahlt. Natürlich liegt sein eigentlicher
Zweck im Sinn seines Herausgebers, des Eifelvereins, der Er-
schließung dieser merkwürdigen und schönen Landschaft in jedem
Sinn zu dienen: so sehr dieser Zweck auf Sympathie rechnen
kann und sehr das Werk diese Sympathie fördert, mehr als das
hat im kulturellen Sinn zu gelten, wie hoch diese Darstellung
über alles Fremdenverkehrsmäßige hinaus gewachsen ist. Nicht
eine Sehenswürdigkeit sentimental zu schildern, ist ihr Sinn:
sondern aus modernem Geist eine Landschaft neu zu erobern, die
sich als ein so eigentümliches Stück des deutschen Lebensbodens
erweist. Kein Zweifel, es ist in manchem ein fremdes Gebiet für
uns, weder die Vorstellungen deutscher Mittelgebirgslandschaft,
wie wir sie im behaglich süddeutschen Sinn im Gemüt tragen,
kommen zu ihrem Recht, noch die Geschichte unseres Volkstums;
in ihrer deutschen Zeit war die Eifel ein immer mehr vergessenes
Nebengebiet, ihre kulturelle Blüte ging vorher: es ist also eine
wirkliche Eroberung, die wir da machen, eine Kolonisationsarbeit
des deutschen Geistes, die von den merkwürdigsten Erinnerungen
landfremder Wanderungen umwittert ist. Gerade darin aber liegt
ihr universeller Genuß — wenn wir so sagen dürfen — und da
dieser Hang nun einmal ein unleugbarer Zug des deutschen Wesens
ist, müssen wir es als einen merkwürdigen Glücksfall bezeichnen,
ihm in der eigenen Heimat und so nahe den Arbeitsstätten des
modernen Lebens nachgehen zu können. K. Pfälzer.


Verantwortlich: Wilhelm Schäfer. — Druck und Verlag: A. Bagel, Düsseldorf. — Kunstdruckpapier: I. W. Zander-, B.-Gladbach.
Alle redaktionellen Sendungen sind an den Herausgeber Wilhelm Schäfer in Vallendar a. Rh. erbeten.
Für unverlangt« Manuskripte und Rezensionsexemplare wird keine Verpflichtung übernommen. Rückporto ist beizulegen.
 
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