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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Bab, Julius: Wedekind
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Becker, Franz Karl: Der Mönch von Cluny
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0208

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Wedekind.

singt. Man kann diesen Jubel nicht früh genug unter-
brechen, denn er wird ohnedies unter die schweren
Kulturblamagen dieser deutschen Generation gebucht
werden. — Wenn er gründlich vorbei, und wenn auch
der sicher folgende Katzenjammer absoluter Verachtung
wieder überwunden sein wird, dann wird man Wedekind
zu den groß absonderlichen und abseitigen, den ganz
problematischen und eben deshalb immer wieder fesseln-
den, aber niemals wertbildenden Gestalten der deutschen
Kunstgeschichte stellen. Julius Bab.

er Mönch von Cluny.
Von Franz Karl Becker.
Ein junger Mönch erging sich mit seinem Beich-
tiger im Klostergarten von Cluny. „Ich will", sprach er
zu dem ruhigen Greis, „Gewißheit und Frieden haben.
Darum sagte ich dir das alles. Nicht, daß ich ängstlich
wäre oder kleinmütig, nein, sondern damit ich weiß,
was Sünde ist und was falsche Meinung ist. Darum."
Sie gingen schweigend nebeneinander hin, kamen an
den Brunnen und sahen die Hellen Wasser schimmern
im Abendlichte. Der Greis strich bedächtig mit dem
Finger über den Goldrand des Buches, das er in seiner
rechten Hand trug, und atmete tief auf. Und sprach:
„Bete, Bruder, denn dein Blut ist jung und jäh und
drängt nach der Sünde. Wenn du die Herzogin siehst,
so wende dich ab. Denke nicht an sie. Nein, denke nicht
an sie. Daß sie schön ist und daß sie mit Wehmut bedeckt
ist und oft in der Stille weint. Denn leicht führt das
Mitleid zur Sünde."
So sprach er, sie gingen durch den Garten weiter
und sahen an den Pfaden die weißen Rosen blühen.
Da bückte sich der junge Mönch und tastete über die
weißen Rosen. Aber sein Beichtiger, der ruhige Greis,
sah ihn ernst an und schwieg. Und der Jüngling sprach,
versunken in seine Gedanken, „ich will es tun."
Es war dies zu der Zeit, als die schwermütige Her-
zogin im Gartenhause des Klosters wohnte. Sie war
müde von der Roheit der Welt. Abt Odilo, der Heilige,
war ihr Beichtiger, dem vertraute sie, er riet ihr und
tröstete sie. Oft saß sie am Fenster ihres Gemachs
und sah über den Klostergarten. Sah die Mönche be-
schaulich wandeln und weinte. Denn es graute sie vor
dem Tod der Einsamkeit und viel ungestillte heftige
Sehnsucht war in ihr.
Aber der junge Mönch tat nicht, was ihm geraten
war, sondern er gedachte der schönen Herzogin viel-
fältig und immer mehr. Er gedachte ihrer beim Chor-
gebet, wenn die Psalmen schallten durch die Morgen-
dämmerung, er gedachte ihrer bei der Messe am Altäre,
wenn die Kerzen wiederflammten aus dem goldenen
Grund der Patene, er gedachte ihrer in der Einsamkeit
seiner Aelle und seufzte mehr um sie, als um die Liebe
des Gekreuzigten. „Ist es denn Sünde," sprach er heim-
lich bei sich selbst, „wenn ich ihrer nur gedenke." Und
wenn die schreckliche Stimme laut in ihm rief, ja, es
ist Sünde, beschwichtigte er sie mit der Gewalt seines
Willens und folgte ihr nicht. So stand das Bild der
schwermütigen Frau immer in seiner Seele, es wuchs

sich hinein in seine Seele mit all den süßen Hadern
seiner Wesenheit. Oft sah er nach ihren Fenstern, wenn
er sich im Garten erging, und in der Kirche sah er ver-
stohlen nach ihrem Platz, suchte sie mit heißen Augen
und liebkoste mit der Sünde in seinem Herzen.
Einst, als es Sommerabend war, lau und blau-
dunkel, erging er sich allein in dem Klostergarten. Da
knarrte das Schloß der schwarzen Torflügel und kam der
Edelknabe der Herzogin. „Kommt zur Herzogin," sagte er,
„sie sitzt im Dunkel und weint. Ihre Frauen sind ratlos."
Wie Flammen jagte es durch die Adern des jungen
Mönchs. „Ruft doch Abt Odilo," entgegnete er verwirrt,
„warum rufst du ihn nicht." Doch der Edelknabe ent-
gegnete, daß Obi Odilo abwesend sei und lange nicht
wiederkehre und daß Reginald, der Dekan, der Herzogin
mißfalle. „Ihre Frauen", fügte er nach einer Weile hinzu,
„sahen Euch und schickten mich um Euch." Da befiel eine
heiße Sehnsucht den jungen Mönch, sie riß ihn hin,
er folgte dem Knaben. Sie gingen in das Gartenhaus
zu den Frauen der Herzogin. Diese kamen herbei,
flüsterten gegen ihn und ließen ihn ein in das Gemach.
Die Herzogin saß im Dunkel und weinte. Aber der junge
Mönch trat schweigend vor sie hin. Sie hob das Antlitz,
sah ihn und sah, daß er jung war, wie die Helden, von
denen die Sagen raunen. „Hohe Frau," so sprach er,
„mich rief Euer Knabe. Begehret Ihr Rat, Trost oder
Beistand des Priesters, so bin ich bereit." Und die
Herzogin hörte, daß seine Stimme stark und voll Seele
war und sah seine stolzen Augen.
Und er wurde ihr, was die Sonne der Erde wird,
wenn der Winter vergeht. Denn er erkannte, daß ihre
Seele an der Lust des Lebens hing und Glühen und
Lachen wollte, und daß es sie graute vor dem Tod der
Einsamkeit. Er gab ihr zurück, was ihr viele ungerechte
Menschen genommen hatten, die Lust des Lebens, das
Blühen und das Lachen. Und die edle Frau vertraute
ihm, wie das Kind dem Greise vertraut, mit dem es auf
dem Waldpfad geht. Es kam, daß sie einander ihr Leben
erzählten und viel anderes sich erzählten und von den
Liedern redeten der alten Zeit. Als der junge Mönch
zurückkehrte und ihn der Geist seines Klosters wieder
umfing, überfiel ihn der Schrecken mit jäher Wucht.
Reue fraß in ihm, denn er erkannte, daß er die Herzogin
liebte, daß er ihre schwarzen, glänzenden Augen liebte,
daß er die weiche Blässe ihres Antlitzes liebte und ihren
sanften, üppigen Mund. Oft rang er die Hände in der
Nacht. Wie werde ich bestehen, schrie es in ihm, er fand
keine Ruhe. Bei dem Kreuz schwur er, das zu Häupten
seines Bettes stand, mit der Glut der Reue: „Ich werde
sie nreiden, Christus, bei deinem Blut und Tod, ich
werde es!"
Aber am anderen Tage, als der Edelknabe kam und
ihn zu der Herzogin berief, zögerte er nicht lange, denn
die Sünde war schon allzugroß in ihm. Sie riß ihn,
wie der Sturm die Pappel reißt, die am Bach steht.
Freudig begrüßte ihn die Herzogin und erzählte
ihm dieses, daß die Ursache ihrer Schwermut sei: „Der
Herzog, mein Gemahl, ist alt und zänkisch. Immer
quält er mich, weil ich ihm keinen Sohn gebäre, und
schilt mich, weil ich unfruchtbar bin!" Mit nassen Augen
erzählte sie es ihm, in der Scham errötend. Doch der
junge Mönch wußte keinen Trost für sie. Wie Flammen


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