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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Stoessl, Otto: Adalbert Stifters "Nachsommer"
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Kyser, Hans: Aus den "Gesängen"
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0254

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Adalbert Stifters „Nachsommer".

einmal hat eine wahrhafte seelische Tiefe, ein um-
fassendes Denken und Empfinden die durchgängige
Einfalt und Klarheit des Ausdruckes erreicht, die eben
ein Werk, einen Mann klassisch erscheinen läßt, das heißt
in seiner Selbstverständlichkeit vollkommen auf seine
Weise. Die Musik des Einst tönt noch einmal zu uns,
die wir unser Heute zur Musik erheben sollen.
Wien. Otto Stöessl.
us den „Gesängen"
von Hans Kyser.
Du mein Garten, mein Herz. . .
Geh ich durch die feierlichen Juniwiesen meine Feier-
mittagsgänge,
höre ich manchmal mich durch Duft und Schleier grüßen
leis umwandelnde Gesänge.
Und ich stehe still, in der Seele wie von verzaubernden
Fingern angelastet.
Da gehen all meine Gedanken, die mich quälen, zur Ruh,
abfällt die Welt, die mich so schwer belastet.
Ich raste unter den Blumen, ihr Gast: sie haben mir mein
dumpfes Kleid schon abgenommen,
Ich bin nun ihr Gartenland, mein Blut läuft auf allen
Wegen allem Segen entgegen: Willkommen.
Kommen über Hände und Wangen die kleinen Tiere
gegangen, die ich ohne Reue ehdem zertreten,
Und erfreuen sich mit ganz kleinen Stimmen an meines
Fleisches vollprangenden Fruchtbeeten.
Düfte schwirren heran, wippen leichthin auf meiner
Nerven feinstem Geäste
Und singen mit wirren Lippen die mitschwingenden
Lüfte ganz leise in meinem Ohre zu Neste.
Köstliche Blumengestalten neigen, von ihrer eigenen
Schönheit betroffen, sich über die spiegelnden
Teiche
Meiner offenen Augen, die ihnen entsiegeln Gewalten
der Liebe und Schmerzen, den ihren gleiche.
Plötzlich schütten alle Kräuter aus ihre Rede vor mir in
Wahrhaftigkeit: ich fülle mich an mit einem Er-
kennen,
Das keine Menschenzunge nennen kann, sie müßte im
Anhauch der ewigen Weisheit verbrennen.
Äonen hör ich hinab mit jedem Wort jeder Wurzel meine
eigenen Wurzeln zur Entfaltung sich zwingen.
Höre mein Blut fort und fort in der Schöpfung Gestal-
tung durch die Äonen kreisend mitklingen.
Du, mein Garten, mein Herz: deine Ernte steht gut!

Phantasie.
Hinter den Bergen, die dunkel und ruhig den Abend
umkränzen.
Hinter den fliehenden Wolken, die rosig im Schweben
verglänzen,
Ruhen, goldene Harfen im Arm, zu seligem Schauen
Nieder zur Erde geneigt, zwei stille, zwei himmlische
Frauen.
Siehe: nun hebt sich die Eine, — aus lange verhaltener
Wonne
Bricht sich des Liedes Gewalt, — sie hebt sich entgegen
der Sonne,
Hebt ihre Harfe verlangend, bis all ihre Saiten vom
Lichte
Trunken, und wieder die Trunkne umfangend im Rausch
der Gesichte
Schlägt sie die Töne mit Macht: Es erbraust die erhabene
Stille
Höherer Himmel und weckt mit des Echos schwelgender
Fülle
Auf die dankbaren Lüfte. Sie kämpfen den brennenden
Segen
Wolken hinauf und hinab und den wolkigen Bergen
entgegen.
Schon umarmt sie gewaltig das Licht, vom Lichte be-
zwungen
Flammen die Gipfel empor und recken sich, feurige
Zungen,
Jubelnd zur Sonne. Sie donnert hinab. Horch: ist
es ein Rauschen
Dunklerer Saiten? Durchdunkelt erbeben die Lüfte
und lauschen
Ist es ein Säuseln, ein Wehen aus kühlen, vergessenen
Reichen,
Was durch die Wolken sich zwingt? Sie horchen auf
und erbleichen.
Es entsinkt den Bergen die Kraft, in schwerem Ermatten
Ringen sie noch und dampfen und wanken, schon schweig-
same Schatten,
Finster über der Ferne. Doch klarer hebt sich das Klingen
Durch den beruhigten Raum, und Fernen und Nähen
umschlingen
Sich im Wechselgesang der Gewässer, die himmel-
hernieder,
Quellen und Flüsse und Seen und Meere, und himmel-
wärts wieder
Schwingen in ruhlosem Kreis: Welch lieblich bewegtes
Begleiten


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