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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Benn, Joachim: Thorn Prikkers Glasfenster
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0217

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Tborn Prikker. Glasfenster im Hauptbahnhof Hagen.


Thorn Prikkerö Glaöfenfter.
/^^s wäre eine Preisfrage, über der ein Jahrhundert seine Zeit vergrübeln könnte, die Frage, ob die Glas-
Malerei reine Kunst ist oder dem Kunstgewerbe zugerechnet werden muß. Ganz aus der Praxis gesprochen,
nicht also nach logischen Grundsätzen beurteilt, möchte man die Glasmalerei wohl eher als Kunstgewerbe
bezeichnen; denn im allgemeinen ist doch ein buntes Fenster nicht bestimmt, wie ein Bild um seiner selbst willen
angesehen zu werden. Ein Glassenster soll zunächst zu grell entfallendes Licht abblenden, dann so ungefähr wie
ein Teppich eine Stimmung heben und steigern, die auf etwas anderes gerichtet ist. Aber freilich ist dies Ändere oder
kann doch etwas Höheres sein, als das, auf das der Teppich drängt: In der Kirche, wo es zumeist benutzt wird,
hat das Glasbild eine ganz ähnliche Bedeutung wie das Freskobild, mit dem es noch gemein hat, daß es zumeist
auch nicht nur von dem Entwerfenden allein ausgeführt wird, sondern unter Unterstützung technisch geschulter
Kräfte entsteht. Außerdem hat gerade nach der Meinung unserer Zeit die reine Malerei in hohem Maße die
Aufgabe, einfach dekorativ zu wirken, so daß ihre speziellere psychologische Seite, die Auseinandersetzung der mensch-
lichen Seele mit der äußeren Wirklichkeit, gar nicht die wichtigste ist. Die Glasmalerei hat demnach wohl eine
Stellung, die von der reinen Kunst nicht allzu entfernt ist; bei einer durchaus eigentümlichen Wirkung, die daraus
beruht, daß sie das Licht selbst als Darstellungsmittel mit heranzieht, steht sie am nächsten der Freskomalerei, mit
der sie neben dem Erwähnten noch den Zwang zu stärkster Stilisierung in Farbe und Sinn gemein hat: Und
damit etwas, was zugleich Vorbedingung der größten Kunst ist.
Die Glasmalerei ist schon alt, und ihre Blütezeit in Deutschland hat sie gehabt, als die großen gotischen
Dome entstanden, deren schmale aber hohe Fenster abgeblendet werden mußten, und in Deutschland zugleich ein
Farbenempfinden von einer Kraft und Reinheit war, wie kaum irgendwo. Später ging es mit ihr zurück, denn
einmal wurden überhaupt nicht mehr viele Kirchen gebaut, und nur dort kann man ja gedämpftes Licht ge-
brauchen. Außerdem kamen religiöse Anschauungen auf, nach denen Kirchen nicht geschmückt werden durften, es
kamen neue Baustile, die die Fenster minder tief herunterzogen und die kleineren deshalb nicht abdämpfen durften.
Schließlich war überhaupt das Gefühl für die Schönheit der starken und reinen Farbe verschwunden, und matt-
farbige Glassenster verzichten auf ihre schönsten Möglichkeiten. Einen sonderbaren Nachkömmling hatte die Glas-
malerei dann noch in der Diaphanie: Zuerst einmal war sie gar nicht wirkliche Glasmalerei, sondern entsprechend
der Zeit, die sie schuf, eine Nachahmung, Papierdruck, der zwischen Glasplatten gepreßt wurde. Dieser Druck dann
ahmte Glasmalerei nach, aber er sparte sich die Nachahmung der Iwischenleisten, der Bleiverlötungen, mit denen
in den wirklichen Glasbildern die einzelnen Glasscheiben gefaßt werden: Sie sind es, die den eigentlichen Stil der
Glasbilder ausmachen, da sie strengste Stilisierung in der Darstellung bedingen; und indem die Diaphanie auf sie
verzichtete, war sie nicht einmal mehr Nachahmung der Glasmalerei selbst, sondern Nachahmung voll Oelmalerei,
die widersinnigerweise nach Art von Glasfenstern vors Licht gehängt wurde.

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