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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Scholz, Wilhelm von: Gefährliche Liebe, [12]
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0202

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Gefährliche Liebe.
Es war die Tochter meines Schloßverwalters.
Nun schäumt der Herr von Valmont über mich,
der ohnehin mir grollt.
Tourvel
Warum?
Marquise achselzuckend
Wir waren
stets anderer Meinung und deshalb sehr oft
in angeregtestem Gespräch. Da wurde
sein Ton bald übermütig frei zu mir
und endigte in lästiger Bewerbung.
Als ich ihn schroff zurückwies — jeder kennt ja
diese Verführungskünste, denen Dirnen
und Lämmer nur erliegen — faßte er
tollblinden Haß auf mich. Der Arme, scheint mir,
fängt an, sein einst gerühmtes Siegerglück
bei Frauen zu verlieren. Man erzählt —
doch das ist Klatsch vielleicht nur und Verleumdung —
Tourvel schweigt.
Marquise
wartet einen Augenblick, fährt dann fort
daß wieder eine Frau — wer, weiß ich nicht —
die Witwe ist oder von ihrem Gatten
getrennt lebt, doch das ist gleichgültig wohl,
die er umwarb, die bis ins Heiligste
der Kirche er verfolgt soll haben, lächelnd
ihn von sich stieß. Er hielt sich schadlos zwar
gleich an der armen Dirne. Doch sein Haß
auf mich fand neue Nahrung. Und so möcht ich
ihm nicht begegnen, möcht ihm die Beschämung
auch gern ersparen —
Tourvel schweigt in Bewegung.
Marquise
Möchte ihn nicht reizen.
Denn die maßlose Wut des Mannes hat
Waffen: Verleumdung, Ehrabschneidung, gegen
die jeder schutzlos ist, die heimlich treffen
wie Gift.
Tourvel
Gnädige Frau, ich bin
die Schwester Charles', seines Freundes. Charles
kann Freunde haben, die gefährlich sind,
leichtsinnig und verschwenderisch. Raufbolde,
Trinker vielleicht, Spieler, Verführer. Ja,
für mancherlei Gefahr ist Jugend blind.
Mit solchen kann ein Zufall ihn verbinden,
daß er vielleicht durch sie zugrunde geht.
Unedle aber, Schurken, wird er nie
zu Freunden haben. Davor wahrt untrüglich
sein Herz den Jungen. Wäre sein Freund ein Schurke,
so wär ers selbst auch. Zürnen Sie mir nicht,
daß ich so warm für Herrn von Valmont spreche,
der nicht unedel sein kann und den, dünkt mich,
die schlimme Waffe der Verleumdung eher
von hinten trifft, als daß er sie gebraucht.
Marquise
Sie sind erregt. Ich aber drängte Ihnen
das Wort nicht auf.

Tourvel
Verzeihen Sie mir! Doch der
Gedanke, daß ein Freund von Charles'
ein Schurke wäre, riß mich fort. Ich habe
von Charles Beweise, daß Valmont edel ist.
Marquise
Daß Sie nicht glauben, ich verleumde jemand,
der aus zufälligem Grund mich haßt, muß ich
noch weiter sprechen. Er hat die Gebärde,
die Geste unseres Standes. Das ist alles.
Wieviel betrogene und verlassene Frauen
haben ihm schon geflucht, auf deren Liebe,
nachdem er sie genossen, er noch Hohn,
Spott und Verachtung warf.
Tourvel
Und doch kann er
weniger schuldig sein, als wie die Frauen,
denen er so begegnet ist und die
vielleicht nicht würdig waren besseren Abschieds.
Marquise
Es waren dabei Damen höheren Standes,
als, Frau von Tourvel, Sie und ich.
Tourvel
Gleichviel!
Gibt nicht die Königin selbst dem Volke Anlaß
zu drohender Kritik?
Marquise
Sie sprechen wie
die Jakobiner, gnädige Frau.
Tourvel
Der Inhalt
von ihren Worten ist leider oft wahr.
Marquise
Verteidigen Sie auch die Gewalt, mit der
sich der Vicomte von Valmont seiner Opfer
oftmals bemächtigt, nachts in Häuser dringend
wie Dieb und Mörder?
Tourvel
Nein, das ist — Verbrechen —
Marquise
Sie nennen das vielleicht nur zügellos
und unbeherrscht in Gier und Leidenschaft.
Wie aber nennen Sie es, was er jüngst
an einer Frau tat, die nicht ihn gelockt,
die einsam lebte, nicht im leichten Zirkel
der tändelnden Geselligkeit, die er
mit großen Schwierigkeiten nur verführte:
er schrieb ihr, ärgerlich der langen Zeit,
die er gebraucht, des Schmachtens, dessen er
wohl bei den meisten nicht bedurfte, gleich
nach seiner ersten Liebesnacht den Abschied,
in einem Briefe sie verhöhnend, den er,
um sie zu martern zwischen Angst und Hoffnung,
nur eine Prüfung nannte ihrer Liebe.
Sie ging ins Kloster —

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