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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Widmer, Karl: Neu-Rokoko
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0067

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Abb. 5. Empfangszimmer.
Ausfüllung: Bereinigte Werkstätten für Kunst im Handwerk, A.-G. in Köln.

Zeit doch nahe genug, nm auch uns noch das Gefühl

für die Motive, die dem Rokoko wieder-

bezeichnend


Eingang in
baden. Wir
Verstand verschrieben. Die
Mäßigkeit konnte alle An-
sprüche befriedigen, die vom
Standpunkt der Gesundheit,
der Bequemlichkeit, des gu-
ten Geschmacks an einen
modernen Wohnraunr ver-
nünftigerweise gestellt wer-
den müssen. Es blieb aber
doch noch etwas übrig, wor-
in diese Kunst im ganzen
unbefriedigt ließ: Impon-
derabilien, die für den Ein-
druck der Wohnlicbkeit, des
behaglichen Überflusses, der
eigentlichen Lebenswarme
im Wohnraum den Aus-
schlag geben. Darin liegt
eben das Geheimnis der
alteren Stile. Es sind die
Blüten einer alten und rei-
fen Kultur, die aus dem
Vollen schöpfen kann. Ge-
rade das Rokoko ist über-
reich daran. Als eine Spat-
kunst, die schon ganz für die
Verfeinerung des Lebens-
genusses einer verwöhnten
aristokratischen Gesellschaft
bestimmt ist, steht es unserer

unsere modernen Wohnräume verschafft
hatten uns eine Zeitlang gar zu sehr dem
Kunst der reinen Zweck-

Abb. 6. Scbränkcben aus einem Empfangszimmer.
Ausführung:
Vereinigte Werkstätten für Kunst im Handwerk, A.-G. in Köln.

der unmittelbaren Verwandtschaft mit unserer eigenen
Kultur zu geben. Auch fehlt es unserer modernen Ge-
sellschaft nicht an geistigen Berührungen mit der Lebens-
auffassung der Rokokowelt.
Wenn also die moderne
Kunst Anregungen aus dieser
Quelle schöpft, folgt sie jeden-
falls einem gesünderen In-
stinkt, als wenn sie die völlig
historisch gewordenen For-
men mittelalterlicher Stile
rekonstruiert. Freilich darf
die Entwicklung auch bei
dieser Form des künstlerischen
Eklektizismus nicht stehen
bleiben. Es sind übertragene
Keime; um fruchtbar zu
werden, müssen sie mit dem
neuen Stamm organisch ver-
wachsen. Sie müssen ver-
arbeitet und weitergebildet
werden. Darin liegt das
Entscheidende dafür, welchen
Wert diese Ansätze eines
Neu-Rokoko enthalten: ob
cs ein wirklicher Lebenszu-
wachs für die Entwicklung
der modernen Kunst wer-
den, oder ob es nur eine
vorübergehende Mode des
Geschmacks bleiben wird.
Karl Widmer.

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