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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Meßlény, Richard: Giovanni Giacometti
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0138

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Giovanni Giacometti.


Giovanni Giacometti.

Bergdorf.

schlecht und
abschließen,
ich wieder-
Giacometti

In Paris wirbeln und fegen alle Schulen, alle Richtungen - wir sind in der Feierstunde des
Impressionismus - durch seine Seele. Wenn er sich da verloren hätte zwischen Manet und
van Gogh, DegaS und Monet, Corot und Cezanne, es wäre kein Wunder gewesen, auch nicht,
wenn er heimkehrend, jenem Riesen in die Arme gefallen wäre, der Ende des Jahrhunderts die
Pracht seiner Glieder zu entfalten begann: Hodler. Mit dem Glück des Genies hat Giacometti
aus diesem Strudel den herausgefunden, der mit ihm im innerst Inneren verwandt ihn fördern
konnte, ohne ihn aufzuzehren. Genies haben von jeher das Glück gehabt, gerade den Meister zu
finden, den sie brauchen. Giacometti hat sich verbundenen Auges, wie ein Kind, das unbefangen
über eine schwanke
nur eines, was er
von ihm zu lernen
hatte: die Einheit
von Linie und Far-
be. Den fest in sich
abgegrenzten Farb-
fleck, der durch die
eigene Abgrenzung,
ohne eine von au-
ßen hinzukommende
Kontur, die Form
ergibt. Dieses „Na-
tur hat weder Kern
noch Schale" konnte
Giacometti nur von
Cezanne erlernen
und er hat im Dunk-
len seinen Weg ge-
funden. Die Ent-
wicklungsdarftel-
lung ließe sich da-
mit
recht
Doch
hole:
nimmt mir mit der
beglückenden Ein-
fachheit seines doch
so sehr verhüllten
Schaffens jegliche
Lust zur Darftel-

Planke schreitet, darunter der Gießbach tobt, Cezanne herausgeholt. Es war
lung. Denn Ce-
zanne und Rom
und Segantini sind
in seinen heutigen
Bildern alle gleich
gründlich vergan-
- v gen, versunken. So
" . recht versunken,
- d. h. tief, tief unten
L,. liegen geblieben,
ohne deshalb auf-
zuhören. Heute har
Giacometti das al-
' /. les eingegelsiet, er
dar seine Vergan
, »MW gendeir restlos ver
zehrt, er ist bloß
WM ' , noch Gegenwart.
Vor keinem denn
l Giacometti
j iBM V" kann der Kunft-
- Historiker diese oder
A jene Formgebung
- oder Tönung ins
* Auge fassen, den
Finger an die Stirn
' * *
— L«, Cezanne! aha
— Segantini! Nein
— alles ist Giaco-
metti.

Das Bezeichnende an Giacomettis Farbensprache, was ihn von allen anderen, namentlich von
seinen Landsleuten auf den ersten Blick unterscheidet, ist die Feuchtigkeit seiner Farbe. Das ist ein
Phänomen, das kaum näher erklärt werden kann. Wörtlich: seine Farben trocknen nicht, sie scheinen
nach Jahren eben dem Pinsel entkommen zu sein, wie seine Natur immer unmittelbar nach einem
Regen im feuchten Glanze dasteht. Der Föhn malt, sagt man im Bernerland, d. h. die Atmosphäre
selbst wird farbenträchtig vor Feuchtigkeit. Das ist ein farbensymbolischer Zustand der schweizerischen
Landschaft in seinem intimsten, süßesten Reiz, den die Maler hierzulande ängstlich vermeiden. Sie
alle suchen das Klare, Durchsichtige, Leuchtende ihrer Atmosphäre. Giacometti lebt im Föhnigen.
Alles glänzt und leuchtet so triefend frisch, als flösse die Sonne an den regennassen Blattern und

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