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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Storck, Willy F.: Bühne und Bild
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0155

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Bühne und Bild.

Aufgabe verschieden anpacken. Da sah man farbig
und linear gleich bizarre Entwürfe zu Gozzi-Vollmöllers
Turandot von einem jungen Hamburger Künstler, Ralf
Voltmer; daneben historisch-umstilisierte Kostüme von
Ernst Stern von feinster, melodischer Farbenstimmung,
neben denen die hergebrachten, farblosen Entwürfe
H. Wildermanns ins Nichts versanken. Oder man
freute sich einer zierlichen rokokoduftenden Inszenierung
des „Figaro" von K. Walser, sah daneben lustig-bunte
Studien von Pankok und war verblüfft über eine
modern-barocke Umformung durch Ottomar Starke.
Oder man genoß die dünnen,
durchgeistigten Figurinen
Leflers zu Moliores„Lour-
^6018 AsntiUrornrns" und
traf dann einige Kabinen
weiter auf die derb-karikie-
rende Linienkunst Ernst
Sterns in den gleichen Fi-
guren für die „Ariadne auf
Naxos".
Und dieser Stern re-
präsentiert den Typ des Nur-
Bühnenkünstlers wohl am
reinsten. Ob er das Pathos
eines Skakespeareschen Dra-
mas, das Burleske einer
Moliereschen Komödie oder
das Erotisch-Prächtige einer
orientalischen Pantomime
gibt, stets schafft er Bühnen-
bilder und Figurinen von
der gleichen künstlerischen
Durchdringung und Besee-
lung, wie sie die Stücke in
ihrem Gehalt vermitteln
(Abb. 12). Seiner robusten
Art steht die sensiblere Na-
tur Karl Walsers gegen-
über; seine feinen duftigen
Zeichnungen — die man
jetzt auch in der prächtigen
Publikation „Das Theater"
genießen kann — atmen ei-
ne reine Rokokograzie; seine
ulkig-ironische Ader fließt in
den sprühenden Blättchen
zu Nestroys „Einen Jur
will er sich machen". Neben
ihnen behauptet Emil Orlik an Reinhardts Bühne
einen selbständigen Platz; er hat eine prächtige Räuber-
inszenierung geschaffen und auch an Shakespeares
„Wintermärchen" seinen bühnenkünstlerischen Instinkt
vortrefflich bewährt; der Wechsel von Heiter-Burleskem
und Feierlich-Pathetischem ist ihm glänzend gelungen
(Abb. 5). Aus Wien hat sich Reinhardt besonders
Alfred Roller nutzbar gemacht; sein „Faust", „Ödipus
und die Sphinx", und neuerdings „Jedermann" sind
wohlgelungene Betätigungen dieses farbenstarken
Künstlers. Seine Entwürfe zum „Rosenkavalier" sind
weniger gelungen, zeigen aber besonders im Kostüm-

lichen große Reize (Abb. 13). Czeschka hat phantastische
Dekorationen zum „König Lear" geschaffen, Kolo
Moser Bühnenbilder zu Hebbels „Genoveva" und
Wimmer solche für Shakespeares „Hamlet". Viel-
leicht allzustark prägt sich der eigenartige Stilcharakter
der Wiener Kunst der Bühne auf und erreicht Wirkungen
bedenklicher Art, die jetzt in den Wiener Werkstätten-
Kostümen bei der Neuinszenierung von Hebbels „Nibe-
lungen" deutlich zutage traten. In München hat be-
sonders Fritz Erler, wie man sich erinnert, für die
Bühnenkunst entscheidende Anregungen und Neue-
rungen geschaffen; für die
Stilbühne des Münchener
Künstlertheaters hat er in
reliefmäßiger Anordnung —
wie sie noch konsequenter
Peter Behrens gefordert
hatte — die Inszenierun-
gen von Goethes „Faust"
und Shakespeares „Hamlet"
ausgeführt. Besonders die
immer originell und wir-
kungsvoll komponierten
Bühnenbilder haben ihre
hohe bühnenkünstlerische Be-
deutung bewahrt (Abb. 1).
Das Münchener Künstler-
theater hat überhaupt mit
traditionsbewußter Konse-
quenz — Goethe, Schinkel,
Tieck, E. Th. A. Hoffmann
sind ihm Ahnen und Weg-
weiser — die Gestaltung ei-
ner neuen Bühnenkunst ver-
folgt. Die Künstler wid-
meten sich mit Eifer und
Geschick den lockenden Auf-
gaben. Julius Diez hat —
neben Entwürfen für Heb-
bels „Judith" und Shake-
speares „Maß für Maß" —
besonders in der dekorativen
Ausstattung von „Was Ihr
wollt" den zwiespältigen
Charakter dieser Dichtung
(halb Karneval, halb Mär-
den) gut getroffen, Robert
Engels gab in bizarren Ent-
würfen gelungene Anregung
zu Cervantes „Wundertheater", und Th. Th. Heine
stellte die biedermeierische Art seiner Kunst in den
Dienst der Kotzebueschen „Kleinstädter". — In Dresden
schuf F. Schuhmacher Hamletdekorationen von einer
straffen, räumlichen Konzentration. — Von jüngeren
Kräften ragten besonders Ottomar Starke sowie
Knut Ström und Rochus Gliese und der schon ge-
nannte Ralf Voltmer hervor. Gliese und Ström
haben Bilder zu Shakespeares „Macbeth" geschaffen,
die in ihrer straffen Gruppierung und leuchtenden Far-
bigkeit himmelweit abstachen von den seinerzeit recht
bedeutenden Dekorationen des Züricher Jsler. Und

Abb. 12. Ernst Stern-Berlin:
Figurine aus Strauß - Hofmannsthal „Ariadne auf Naxos".
Oox. 1912 1)^- I?ürstner, Lorlin.


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