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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Benn, Joachim: Hoetgers Majolikafiguren
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0194

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lerschaft, die
allenthalben
nach Krücken
und Stützen
sucht,wird man
hier nicht ab-
leugnen kön-
nen. Allein
auch hier ist die
Empfindung
des Laien auf
jeden Fall viel
zu primitiv:
Ein Werk kann
ganz offen-
sichtlich in An-
lehnung an
frühere Stil-
formen ent-
standen sein,
und bei seiner
Abhängigkeit
in der Ge-
samtform oder in Einzelheiten gerade in der eigentlich
plastischen Arbeit dennoch ganz köstlich und durchaus
lebendig sein.
Bei Werken der sogenannten „großen Kunst" wird
letzte Sehnsucht eines Künstlers freilich doch immer
bleiben, daß in ihnen alle Anregungen aus der Weite und
Fremde so vollkommen verarbeitet und in ein Neues
aufgegangen sind, wie sie eben in einem seiner Heimat
wohlverwurzelten Menschen auch verarbeitet sind: Die
Werke der großen Kunst sind nicht bloß aus dem Spiel-
trieb des Menschen hervorgegangen, sondern sind
religiös zu nennende Auseinandersetzungen des Men-
schen mit der ihn umgebenden Wirklichkeit; als solche
sollen sie mit größtmöglicher Genauigkeit das Verhältnis
des schaffenden Menschen zum All versinnlichen, den
Bruch, den er als individuell, völkisch, rassenhaft ge-
bundenes We-
sen mit dem
All darstellt.
— Anders ist
es mit Wer-
ken, die mehr
der geschmack-
lichen als der
seelischen
Sphäre ange-
hörend nicht
so sehr mensch-
liche Ausein-
andersetzungen
als Schmuck-
stücke oder Ge-
brauchsgegen-
stände sind.
Gewiß ist das
Kleid, das der
Mensch trägt,
eine Art äuße-
rer Haut und

soll zu ihn:
passen,unddas
gleiche gilt für
die Zimmer-
einrichtung, in
der er haust;
aber der
Mensch hat
doch für seine
verschiedenen
Stimmungen
und Betäti-
gungen ver-
schiedene Klei-
der und Zim-
mer: Diese
Dinge illu-
strieren weni-
gerdasGebun-
dene und Fest-
gelegte als das
Bewegliche u.
Veränderliche
seines Wesens, und das Allerfreieste, das Allerwillkür-
lichste, was seinem Leben geschenkt ist, sind da die Dinge,
mit denen er seine Kleider und Zimmer wieder schmückt.
Hier ist die Übertreibung der Formidee Ideologie;
hier darf das Flüchtigste und Leichtfüßigste seines Wesens
sein Korrelat finden, und die Buddhastatuette auf dem
Schreibtisch, die japanische Lackarbeit in der Vitrine
und das arabische Gewebe an der Wand sind dafür
nicht zu weit hergeholt.
Als der Phantasie genugtuende Schmuckstücke, nicht
als Werke der großen Kunst wollen denn die Majolika-
figuren Hoetgers von dem angesehen sein, der zu ihren
eigentlichen Werken, zu ihren ungewöhnlichen Reizen
kommen will. Wie sie da — nicht höher als 15 cmi —
mit ihrem blaßgelben Grundton im Glanz der Schlag-
lichter auf den fein gefärbten Podesten stehen oder liegen
und, vielfach
von gefärbten
Kleidern um-
schlungen, im
ornamentalen
Schmuck des
Netzes aus den
Glassprüngen
die Arme
strecken oder
die Hand sin-
ken lassen, die
Augen schlie-
ßen oder die
Füße mit den
Sohlen anein-
anderpressen,
sind sie,Männ-
lein wie Weib-
lein, nicht tra-
gische Ausein-
andersetzungen
nut der wirk-


B. Hoetger: Milde.

Verlag der Galerie Arnold, Dresden.

B. Hoetger: Liebe. Verlag der Galerie Arnold, Dresden.


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