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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Benn, Joachim: Hoetgers Majolikafiguren
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0195

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lichen Natur:
Es sind nicht
Figuren, die
Menschliches in
letzter Konzen-
tration brin-
gen, sondern
Spielereien
mit der Wirk-
lichkeit, Figu-
rinen, und da-
mit Geschwi-
ster der Figu-
rinen für die
Bühne und der
Marionetten
und der klei-
nen Zierpup-
pen aus dem
modernen Sa-
lon, die nur
aus Draht, et- B. Hoetger: Güte,
was Wachs u.
Seidenflitter gebaut sind, der kleinen Cacewalktänzerin
etwa im Marionettentheater, die sichtbarlich nur aus
bekleideten Hölzern besteht und doch die Röcke so um
die Beinchen wirft, daß sie im Manne alle männlichen
Gefühle für die Frau weckt. Die Anlehnung an fremde
Formen und die damit notwendig entstehende Formen-
mischung ist hier sogar ein Kunstbegriff, die eigentümlich
unwirkliche Seelenatmosphäre, die diesen Porzellan- und
Masolikafiguren stets ihren feinsten Reiz gibt, noch zu
steigern. Ein japanischer oder indischer, ein altdeutscher
oder rokokodeutscher Formtypus wird dem geplanten
Werk mit aller Absicht zugrunde gelegt wie in der Musik
eine irgendwelchem Werk entnommene Melodie einer
Fuge; dieser übernommene alte Kern wird dann in einem
neuen Geist unter immer virtuoserer Verwendung der
im Wesen dieser Kunstgattung liegenden technischen Mög-
lichkeiten um-
sponnen, vari-
iert, fortgebil-
det und um-
gebildet zu ei-
nem Neuen,
dasformalund
damit in der
seelischen Wir-
kung sonder-
bar zwischen
den geläufigen
Formwelten
schwebt.
Denn das
plastische Kön-
nen, das auf
diese Figuren
verwendet ist,
wieder mit ei-
nen: Vergleich
aus der Musik
gleichsam das B. Hoetger: Hoffnung.

kontrapunkti-
sche Können in
der plastischen
Formung ist
erstaunlich. Ei-
ne schlechthin
virtuose Be-
herrschung
fremder Stil-
formen so-
wohl, wie sie
hier notwen-
dig wird, als
der Naturfor-
men, die diese
menschlichen
Körperchen hat
gelegt und ge-
stellt, gebogen
und gedreht,
bekleidet und
Verlag der Galerie Arnold, Dresden. enthüllt. Mit
einer traum-
haften Sicherheit ist jedesmal ein vollkommen geschlossenes
Ganzes der Hand des Bildhauers gleichsam entflossen
und dann erstarrt, in sich zusammenhängend und der
Idee nach unzertrennbar wie eine Blüte oder sonst
ein Organismus. Dabei ist dieses Ganze in seinen
plastischen Einzelheiten, der Wirkung nach bezeichnet also
in: Spiel der Schatten- und Lichtpartieen, die einen
atmenden Körper darstellen sollen, so lebendig und reich,
wie man es bei umfänglicheren Werken, die ihrer Größe
nach zur reinen Kunst gehören, zumeist schmerzlich ver-
mißt. Man entdeckt zuschauend immer neue Feinheiten,
immer neue Reize an ihnen: Wie delikat etwa ist hier in
den liegenden Gestalten der „Liebe" und der „Hoffnung"
der Akt der dunkelhaarigen Frau mit den Schultern, die
breiter sind als die Hüften, von den: der Blonden, die
von der feinen Einschnürung zwischen Brust und Hüften
abgesehen ein
in geraden Li-
nien abfallen-
der schlanker
Schaft scheint;
wie raffiniert
das Muskel-
spiel bei der
gleichen Frau,
der,Hoffnung^
an Hüfte,Hals-
ansatz und ent-
blößtem Un-
terarm. Man
kann sich in
diese Figuren
vertiefen wie
in Gedichte.
Einen be-
sonderen Reiz
hat Hoetger
seinen Arbei-
Verlag der Galerie Arnold, Dresden, ten durch die

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