Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

DOI Artikel:
Benn, Joachim: Hoetgers Majolikafiguren
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0196

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Art gegeben, wie er an der-
selben Figur mit dem be-
kleideten und unbekleideten
Körper wechselt: Er hat sie
damit nicht nur seelisch in die
spezifisch moderne Sphäre
gezogen, da dem Modernen
das Spiel mit dem Nackten
mehr als das Nackte an sich
liegt; er hat auch ganz im
Geist des Materials und der
geringen Größe der Figuren
gehandelt, denen ebenfalls
nicht so sehr die reprasentable
Darstellung des Nackten als
das Spiel, das Versteckspiel
mit dem Nackten entspricht.
Das Kleid, das der Bildhauer-
verwendet, ist ein Phan-
tasiekostüm, ein ganz unge-
nahtes mantelartiges Tuch,
das um den Körper drapiert
ist; manchmal ist es unglei-
chen Ton gehalten wie der
Körper, zumeist auf diesem
Grunde bunt gemustert, blu-
mig oder in geometrischen
Motiven, so daß es schönen
Klang mit dem Körper selbst
und dem kleinen ebenfalls ge-
färbten Podest gibt, auf dem
die Figuren ruhen. Dieses
Tuch ist so um den Körper-
gelegt, daß es dessen schönste
Reize freiläßt oder als ein
Rahmen umgibt, einen Arm
etwa rind einen Fuß samt der
Brust in kleineren: oder grö-
ßerem Ausschnitt bei einer-
liegenden Frau, alles außer-
dem Rücken und einen: Bein
bei einer knieenden Gestalt.
Wo die Haartracht der Frau
an die griechische anklingt, ist
das Tuch in strenge parallele
Falten gelegt, deren Rand so
etwas wie eine Mäanderlinie
bilden, sonst ist es freier um
den Körper- gewunden, zu-
meist in unsymmetrischen
Massen: An der — hier eben-
falls nicht abgebildeten —
Statue des „Friedens" fällt
es in zwei wahren Kaskaden
von Falten rechts und links
vom Körper nieder, so daß der
zarte Frauenleib dazwischen
als ein zartes Wunder wie
zwischen Wellen auftaucht.
Die Gesichter lassen sich bei
diesen: Material nicht allzu
scharf charakterisieren: so lebt

B. Hoctger: Schatten. Verlag der Galerie Arnold, Dresden.


B. Hoetger: Licht. Verlag der Galerie Arnold, Dresden.


die geistige Idee, die sie
verkörpern, in ihren Aügen
gleichsam nur wie eine däm-
mernde Erinnerung, von un-
gefähr und vag; und das
gilt auch von den Gebärden,
nut denen sie auf ihre Podeste
gesetzt sind, denn die Mienen
und Gebärden sind es ja, von
denen zuerst der Eindruck des
Traumhaften und Unwirk-
lichen ausgeht. An: tiefsten
wirken dabei auf uns schließ-
lich doch diejenigen, die uns
in Körperforn: und -Haltung
rassenmäßig noch an: nächsten
kommen, während Gestalten
wie die von „Licht" und
„Schatten" einen leisen Hauch
van Kuriosen: behalten und
die Gestalten von „Wut" und
„Geiz" in ihrer orientalischen
Fratzenhaftigkeit offensicht-
lich zu abhängig von ihren:
Muster bleiben, so glänzend
gerade die „Wut" als Wurf
und in der Silhouette ist.
Die „Güte" und „Milde"
scheinen auf den ersten Blick
in der preziösen Seitwärts-
wendung der Oberkörper ent-
gegen der Richtung, in der
die Beine liegen, auch noch
fremdartig willkürlich, aber
sie haben, nebeneinanderge-
stellt, schon für den zweiten
Blick die Wahrhaftigkeit dgs
Traums, wie sie so zu leben-
digen Ornamenten zurecht-
gebogen sind. Am schönsten
ist die Statuette des „Glau-
bens" und — wenn sie viel-
leicht noch ein wenig zu ab-
hängig in der Art sein sollte,
ivie der kniende Körper hier-
auf ein Kissen quer zu dem
vierkantigen Untersatz gestellt
ist — allen vorzuziehen die
der „Hoffnung". Sie beson-
ders sind wertvolle Schöp-
fungen aus jenen: Aweig-
gcbiet der Kunst, in dem wir
heute noch immer reichlich
viel billige Dekoration als
Kunst bewundern sollen, so
daß man hoffen möchte, sie
in diesem oder jenem Haus
bald als leibhaftigen Aim-
mcrschmuck zu sehn, wohin sie
hier nur in der Reproduktion
von Wort und Bild kommen.
Joachim Benn.

180
 
Annotationen